Anfrage zur Durchführung von Großveranstaltungen auf der Messe München
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Thomas Niederbühl, Clara Nitsche, Julia Post, Dr. Florian Roth, David Süß, Sebastian Weisenburger (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) und Kathrin Abele, Roland Hefter, Lars Mentrup, Klaus Peter Rupp, Julia Schönfeld-Knor (SPD/Volt-Fraktion) vom 12.7.2023
Antwort Clemens Baumgärtner Referent für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 12.7.2023 bitten Sie um Beantwortung Ihrer Fragen anlässlich der verschiedenen Probleme in Zusammenhang mit dem Festival „Rolling Loud“, das vom 7. bis 9. Juli 2023 auf dem Messegelände veranstaltet wurde.
Die in Ihrer Anfrage gestellten Fragen kann ich Ihnen unter Einbeziehung von Stellungnahmen der Messe München GmbH (MMG), des Kreisverwaltungsreferats (KVR) und des Referats für Klima- und Umweltschutz (RKU) wie folgt beantworten:
Frage1:
Welche Unternehmung ist Vertragspartner der Messe München, um auf dem Gelände der Messe München Großkonzerte durchzuführen? Ist es richtig, dass es einen mehrjährigen Exklusivvertrag mit einem Vertragspartner gibt? Wie ist die Vertragslaufzeit zwischen der Messe München und dem Vertragspartner, in der Presse wird eine Vertragslaufzeit bis 2025 genannt?
Antwort MMG:
Die Messe München hat mit dem Veranstalter Global Event & Entertainment GmbH einen Rahmenvertrag geschlossen. Der Vertrag hat noch eine Laufzeit bis 2025. Für die im Rahmenvertrag vorgesehenen Arten von Konzerten und den vorgesehenen Zeitraum hat die Global Event & Entertainment GmbH ein Exklusivrecht. Voraussetzung ist, dass das Gelände frei ist und keine Veranstaltungen beeinträchtigt werden, die zum Kerngeschäft der Messe München gehören. Hinsichtlich des Festivals „Rolling Loud“ hat die Messe München den Vertrag mit der Global Event & Entertainment GmbH geschlossen. Sie hat sich damit einverstanden erklärt, dass die Global Event & Entertainment GmbH das Festival von der Live Nation GmbH durchführen lässt. Das Festival „Rolling Loud“ war bislang das einzige Festival/Konzert, das die Global Event & Entertainment GmbH von der Live Nation GmbH durchführen ließ. Letztes Jahr hat die Messe München mit der Global Event & Entertainment GmbH eine Vereinbarung getroffen, dassdiese Gestattung auch für den Rahmenvertrag gilt. Sie wurde für den später geschlossenen Festivalvertrag übernommen.
Messen und Kongresse haben absoluten Vorrang. Daher sind nur die Monate Juli und August für Konzerte möglich. Es gibt auch kein automatisches Recht auf die nächste Veranstaltung. Dafür müssen vom Sicherheits- und Veranstaltungskonzept bis zur Verfügbarkeit der Flächen viele Bedingungen erfüllt werden.
Frage 2:
Ist es aus rechtlichen Gründen notwendig, Vergaben von Großveranstaltungen auf der Messe München auszuschreiben?
Antwort MMG:
Da die Messe München kein öffentlicher Auftraggeber ist, ist sie nicht zur Ausschreibung solcher Großveranstaltungen verpflichtet.
Frage 3:
Welche Veranstalter*innen können aktuell auf der Messe München Großkonzerte durchführen? In der Presse werden für das Jahr 2022 die Leutgeb Entertainment Group und für 2023 die Live Nation GmbH genannt. Ist es für weitere Veranstalter*innen möglich, ebenfalls Großkonzerte auf der Messe München durchzuführen?
Antwort MMG:
Soweit kein Exklusivrecht für die Global Event & Entertainment GmbH besteht, können andere Konzerte stattfinden – wenn das Gelände verfügbar ist: Messen, Ausstellungen und Kongresse haben Vorrang. Die Weitergabe an andere Veranstalter muss jedoch mit der Messe München vereinbart werden. So lief das von der Live Nation GmbH veranstaltete „Rolling Loud“-Festival außerhalb des Rahmenvertrags mit der Leutgeb Entertainment Group. Konzertlizenzen vergibt die Messe München nicht und sie veranstaltet auch keine Konzerte.
Es gab in der Vergangenheit auch Anfragen von anderen Veranstaltern, die bis auf ein Konzert zur Absage führten: Entweder, weil das Gelände schon belegt war, oder aufgrund eines zu geringen Gesamtbudgets der Veranstalter. Ein Konzert fand 2011 statt: „Linkin Park Konzert“ am 25.6.2011 mit ca. 20.000 Besuchern (als Ausweichplatz für das Reitstadion, das geplant war, das Gelände aber nicht zur Verfügung stand).
Frage 4:
Wurde das vom Veranstalter erstellte und vom KVR genehmigte Sicherheits- und Ordnerkonzept umgesetzt und war es, nach den Vorfällen betrachtet, ausreichend?
Antwort MMG:
Für das vom Veranstalter zu verantwortende Sicherheitskonzept und die Durchsetzung der vereinbarten Maßnahmen sind das Kreisverwaltungsreferat und die Polizei zuständig. Die Messe München unterstützt dabei die Behörden und den Veranstalter und ist während der Veranstaltung als Ansprechpartner ständig anwesend.
Antwort KVR:
Das vom Veranstalter erstellte und genehmigte Sicherheitskonzept inkl. Ordnungsdienstkonzept wurde durch den Veranstalter eingehalten. Der Veranstalter schätzte sein Publikum aufgrund von Erfahrungswerten mit vergleichbaren Veranstaltungen gemäß Sicherheitskonzept „grundsätzlich als friedlich mit einer ausreichenden Möglichkeit der Steuerung“ ein. Aufgrund der Ereignisse mit den teilweise agressiven und dynamischen Besucher*innen erwies sich diese Einschätzung des Veranstalters im Nachhinein als nicht richtig, weshalb am Samstag und Sonntag sowohl baulich und insbesondere personell im Bereich des Sicherheitsdienstes stark nachgesteuert werden musste. Folglich ist die Personalstärke gemäß dem ursprünglichen Ordnungsdienstkonzeptes in der Nachbetrachtung als nicht ausreichend einzustufen.
Frage 5:
Wie bewertet das Wirtschaftsreferat die Bilanz der zuletzt auf dem Messegelände organisierten Großveranstaltungen, nicht nur mit Blick auf einen reibungslosen Ablauf, sondern auch mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit?
Antwort RAW:
Gerade der Blick auf die Wirtschaftlichkeit empfiehlt eine Fortführung der Konzerte an mehreren Standorten in München. Derzeit steht als möglicher Veranstaltungsort (außer der Messe) nur das Olympiastadion zur Verfügung, das regelmäßig ausgebucht ist, so dass Produktionen abwandern und Künstler in München überhaupt nicht auftreten können. Auch örtliche Konzertveranstalter haben in den vergangenen Jahren regelmäßig vehement alternative Spielstätten, vor allem für das Open Air Segment, eingefordert. Zudem steht das Olympiastadion aufgrund der anstehenden Sanierung demnächst fast zwei Jahre gar nicht zur Verfügung, so dass dringend Ausweichstandorte benötigt werden. Aus diesem Grund setzt sich dasRAW auch für eine Nutzung der Allianz Arena während der Sanierung des Olympiastadions ein. Der Allianz Arena während dieser Zeit jedoch eine defacto Monopolstellung einzuräumen, hält das RAW für wirtschaftspolitisch unklug und dem Konzertstandort abträglich, zumal die Anzahl der Produktionen in der Allianz Arena aufgrund des Spielbetriebes des FC Bayern terminlich stark limitiert sein wird.
Nach Informationen der MMG konnten die bisher auf dem Messegelände durchgeführten Großkonzerte wirtschaftlich zufriedenstellend umgesetzt werden. Sie tragen positiv zum Gesamtergebnis der MMG bei. Daneben sind aber insbesondere auch die positiven Effekte auf die Tourismusbranche in München zu beachten. Die aktuellen Übernachtungszahlen für Juli 2023 zeigen eine hohe, in der Spitze sogar über 90%-ige Zimmerauslastung im Festivalzeitraum. Es ist davon auszugehen, dass viele Fans bereits einige Tage vor Festivalbeginn anreisten, mit entsprechenden Umsätzen für Gastronomie und Einzelhandel.
Die Beurteilung des Veranstaltungsablaufes unter Sicherheitsaspekten obliegt dem Veranstalter, der Messe München und den Sicherheitsbehörden.
Antwort MMG:
Nach Informationen der MMG konnten die bisher auf dem Messegelände durchgeführten Großkonzerte wirtschaftlich umgesetzt werden. Darüber hinaus tragen die Großkonzerte in erheblichem Ausmaß zur Umwegrendite für die Stadt München bei, mit Auswirkungen auf Einnahmen bei Hotellerie, Gastronomie und Einzelhandel und auf das Steueraufkommen.
Frage 6:
Wie bewerten das Wirtschaftsreferat und das Kreisverwaltungsreferat mit Blick auf die unterschiedlichen Auswirkungen von größeren Events auf die Nachbarschaft, die Verkehrsnetze, die Sicherheitsressourcen und auch die lokale Veranstaltungsszene in München die Einbindung der Stadtverwaltung im Vorfeld solcher Veranstaltungen? Wie sah diese Einbindung konkret im Vorfeld des „Rolling Loud“ Festivals aus?
Antwort KVR:
Dem KVR sind weder die Inhalte noch der Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannt. Das KVR geht davon aus, dass eine Beteiligung der Sicherheitsbehörden erst nach Vertragsschluss erfolgte. Eine Einbindung im Vorfeld wäre wünschenswert. Das KVR kann als Sicherheitsbehörde nach Vertragsschluss und Festlegung auf ein Format und eine Örtlichkeit Veranstal-tungen nur noch insoweit „steuern“, dass konkrete Gefahren abgewehrt werden.
Antwort RAW:
Die Messe München und das Messegelände sind auf Besucherzahlen dieser Größenordnung zugeschnitten (die fünftägige bauma hatte an 7 Messetagen rd. 500.000 Besucher*innen). Auch die Kapazität des öffentlichen Nahverkehrs ist auf diese Besucherzahlen ausgelegt. Die Teilnehmerzahl des Rolling Loud Festivals blieb deutlich unter dieser Maximalkapazität. Größere negative Auswirkungen des Festivals auf die Nachbarschaft wurden – wie üblich – nach besten Kräften vermieden, jedwede Sicherheitsthemen bezogen sich auf Vorgänge innerhalb des Festivalgeländes und wurden kurzfristig abgestellt. Auch beim zwei Wochen später stattfindenden Oben-Ohne-Festival auf dem Königsplatz musste ein Konzert wegen dem Überklettern der Sicherheitssperren mehrmals unterbrochen werden. Derartige Störungen können üblicherweise kurzfristig abgestellt und das Festival fortgeführt werden.
Die lokale Veranstalterszene hat – wie oben bereits ausgeführt – regelmäßig eine Ausweitung der Kapazitäten für Veranstaltungen, gerade auch im Bereich der Jugendkultur, gefordert. Insoweit ist eine Ausweitung der Kapazitäten im Sinne der gesamten Veranstaltungsszene zu begrüßen.
Frage 7:
Sieht das Wirtschaftsreferat die Vorgabe des Stadtrates aus dem Stadtratsantrag vom 16.11.2021, dass für Konzerte der Olympiapark der prioritäre Veranstaltungsort und die Messe eine auf begründete Einzelfälle beschränkte Ausnahme bleiben sollte, ausreichend berücksichtigt? Wie passen die Besucher*innenzahlen z.B. vom vergangenen Wochenende zur Ankündigung des RAW, auf der Messe keine Großveranstaltungen unter einer Besucher*innenzahl von ca. 100.000 Personen durchzuführen, um den Konzertstandort Olympiapark vor Konkurrenz zu schützen?
Antwort RAW:
Das Wirtschaftsreferat sieht die Vorgabe des Stadtrats voll erfüllt. Das Olympiastadion ist bis zum Sanierungsbeginn voraussichtlich im Oktober 2025 bereits heute ausgebucht. Der prioritäre Standort ist damit zu 100% ausgelastet. Anschließend ist das Olympiastadion sanierungsbedingt bis mindestens Juni 2027 geschlossen. In den kommenden vier Jahren besteht aber eine deutliche Nachfrage nach weiteren Veranstaltungsflächen, die in München bislang nicht oder nur unzureichend bedient werden kann. Andere Gemeinden und Investoren haben diesen Umstand erkannt undbereits reagiert. So entsteht auf dem Gelände des Flughafens München bekanntermaßen derzeit eine Eventarena mit einer Kapazität von rund 20.000 Personen, die nach ihrer Eröffnung in direkter Konkurrenz zur Olympiahalle stehen wird und damit eine deutliche Gefahr für den Konzertstandort Olympiapark darstellt. Eine ähnliche Entwicklung könnte sich parallel auch im Open Air Segment vollziehen, mit ebenfalls deutlichen Gefahren für den Olympiapark.
Frage 8:
In welcher Rolle war der Wirtschaftsreferent am Wochenende auf der Messe präsent, mit welchen Akteuren hat er direkt gesprochen und wie fällt seine persönliche Einschätzung der Ereignisse am vergangenen Wochenende aus?
Antwort RAW:
Der Wirtschaftsreferent war in seiner Rolle als Wirtschaftsreferent auf der Messe während der drei Veranstaltungstage sporadisch präsent und hat im Verlauf des Festivals Gespräche mit einer Vielzahl von Akteuren geführt. Er hat in dieser Funktion auch an einer kurzfristig einberufenen Lagebesprechung der Sicherheitsbehörden am späten Freitagabend teilgenommen.
Frage 9.
Kann das KVR bestätigen, dass der Veranstalter des Festivals „Rolling Loud“ am vergangenen Wochenende Dieselgeneratoren eingesetzt hat, um keinen Strom der Stadtwerke München beziehen zu müssen, und wenn ja, wie wird das im Wirtschaftsreferat mit Blick auf die Nachhaltigkeitsstrategie der Messe München und die Klimaziele der LHM bewertet?
Antwort KVR:
Das KVR kann bestätigen, dass Generatoren zur Stromerzeugung eingesetzt wurden. Zu den Hintergründen ist dem KVR nichts bekannt. Rein sicherheitsrechtlich betrachtet gibt es von Seiten des KVR dagegen keine rechtliche Handhabe.
Antwort RKU:
Das RKU informiert, dass im vorliegenden Fall die Belange des Immissionsschutzes nicht betroffen sind.
Antwort RAW:
Die MMG hat in ihrer Stellungnahme zur Anfrage von Herrn Stadtrat Reissl vom 10.7.2023 (Stromaggregate bei rolling loud) informiert, dass gemäß Vertrag der MMG mit dem Veranstalter des Festivals Rolling Loud auf demFreigelände Nord und dem Sonderfreigelände für Elektro-, Wasser- und Abwasserinstallationen auch Dritte beauftragt können, sofern für diese Leistungen nicht die entsprechenden Installationen der MMG genutzt werden. Es ist üblich, dass kritische Infrastruktur, wie z.B. Bühne und Backstage, mit Dieselgeneratoren abgesichert und betrieben werden muss, damit bei einem Netzausfall sicherheitsrelevante Probleme vermieden werden. Dies ist auch bei Konzerten im Olympiastadion der Fall. Im Übrigen und bei allen anderen Veranstaltungen, die in den Hallen oder im umzäunten Freigeländebereich stattfinden, wird MMG-Strom (Ökostrom) bezogen.
Die MMG wird auf Grund der aktuellen Erfahrung darauf hinwirken, dass in Zukunft auch im nicht umzäunten Freigelände soweit möglich nur MMG-Strom oder regenerativer Strom bezogen werden muss.
Die MMG ist derzeit dabei, das Ziel der CO2-Neutralität bis zum Jahr 2030 umzusetzen.
Frage 10:
Wie ist sicherzustellen, dass zukünftig vorrangig Ökostrom der SWM von Veranstalter*innen genutzt wird?
Antwort MMG:
Wenn die Messe München einem Konzertveranstalter Flächen außerhalb des eingezäunten Messegeländes zur Verfügung stellt, kann er wählen, ob ihn die Messe München mit ihren Elektroinstallationen mit Strom versorgt, oder ob er Dritte mit der Stromversorgung beauftragt, wobei er dann die Elektroinstallationen der Messe München nicht nutzen darf. Ob die Messe München dem Veranstalter vorschreiben darf, den Ökostrom der SWM zu beziehen, bedarf noch der rechtlichen Prüfung.
Eine Veranstaltung wie das Festival Rolling Loud bzw. auch die Konzerte im Jahr 2022 auf dem Freigelände außerhalb des Messezauns sind die absolute Ausnahme, bei der dieses Wahlrecht bestand. Bei den Konzerten 2022 wurde der überwiegende Strom von der Messe München bezogen. Alle anderen Veranstaltungen, die in den Hallen oder im umzäunten Freigeländebereich stattfinden, beziehen MMG-Strom (Ökostrom).
Jedenfalls wird die Messe München künftig dafür sorgen, dass auf den Flächen, die sie zur Verfügung stellt, grundsätzlich keine Generatoren eingesetzt werden, die fossile Brennstoffe verbrennen. So dass in Zukunft auch im nicht umzäunten Freigelände nur MMG-Strom oder regenerativer Strom bezogen werden muss.
Ich bitte Sie, von den vorstehenden Ausführungen Kenntnis zu nehmen, und hoffe, dass Ihre Anfrage zufriedenstellend beantwortet wurde.