Hitzeschutzkonzept für wohnungslose Münchner*innen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 24.7.2023
Antwort Sozialreferat:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Sie beantragen, dass das Gesundheitsamt zusammen mit dem Sozialreferat ein gemeinsames Hitzeschutzkonzept für wohnungslose Münchner*innen erarbeitet.
Der Inhalt des Antrages betrifft deshalb eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Ich bitte um Entschuldigung, dass die Beantwortung nicht mehr in den Sommermonaten erfolgte
Zu Ihrem Antrag vom 24.7.2023 teile ich Ihnen gerne folgende weiterführende Informationen mit:
Im Falle von sehr hohen Außentemperaturen stellt das Sozialreferat für wohnungs- und obdachlose Menschen in Kooperation mit den Trägern der Wohnungslosenhilfe verschiedene Hitzeschutzmaßnahmen zur Verfügung. Diese werden in den über das ganze Stadtgebiet verteilten Anlaufstellen und Tagesaufenthalten für Wohnungslose angeboten und mit Hilfe der Streetwork an die hilfebedürftigen Personen vermittelt:
Tagesaufenthalt für obdach- und wohnungslose Frauen und Männer „otto&rosi“, Rosenheimer Straße 128d, 81669 München (Träger: Projekteverein):
Hier werden an heißen Tagen alle Rollläden der Fenster heruntergefahren und Ventilatoren aufgestellt, damit sich die Räume nicht so sehr aufheizen. Die Besucher*innen können bei Bedarf kalt duschen, um sich zu erfrischen. Es werden kalte Getränke aus dem Kühlschrank angeboten. Kühles Leitungswasser steht kostenfrei immer für alle zur Verfügung. An sehr hei-ßen Tagen wird zudem auch kostenloser Eiskaffee angeboten.
Tagesaufenthalt Teestube „komm“, Zenettistraße 32, 80337 München
(Träger: Evangelisches Hilfswerk München gGmbH):
Die Sonneneinstrahlung wird mit Hilfe von zugezogenen Vorhängen an allen Fenstern minimiert. In der Einrichtung stehen Sanitär- und Duschanlagen zur Erfrischung zur Verfügung. An heißen Tagen wird gratis Mineralwasser an die Besucher*innen ausgegeben, Aushänge im Tagesaufenthalt informieren über dieses Angebot. Leitungswasser ist jederzeit gratis erhältlich. Seit dem 7.7.2023 sind die Aufenthaltsräume in der Teestube über eine Klimaanlage klimatisiert und können auf eine angenehme Temperatur heruntergekühlt werden.
Ganzjähriger Übernachtungsschutz, Helene-Wessel-Bogen 27 80939 München (Träger: Evangelisches Hilfswerk München gGmbH): Der Träger hält hier für die Nutzer*innen folgende Hitzeschutz-Maßnahmen bereit: Sowohl vor Ort im Tagestreff in der Bayernkaserne, Haus 12 als auch im Beratungszentrum „Schiller 25“ in der Destouchesstraße 89 wird ganzjährig kostenfrei Trinkwasser für die Klient*innen bereitgestellt. Tags-über können sich die Klient*innen im oben genannten Tagestreff in dessen kühlen Räumlichkeiten aufhalten und sich damit vor der Hitze schützen. Außerdem gibt es zusätzlich verfügbare Duschmöglichkeiten im Gebäudeflügel des Tagestreffs. Dazu stehen den Nutzer*innen des Übernachtungsschutzes in allen Unterbringungsbereichen im Haus 12 ab 17 Uhr die vorhandenen Sanitär- und Duscheinrichtungen zur Verfügung.
Bahnhofsmission München, Hauptbahnhof Gleis 11, Bayerstraße 10a, 80335 München (Träger: IN VIA München e.V. und Evangelisches Hilfswerk München gGmbH):
In dieser Einrichtung, die sich direkt im Hauptbahnhof befindet, können sich obdachlose Menschen kostenfrei mit kühlem Trinkwasser versorgen und die dortigen kühleren Räume zum Aufenthalt nutzen.
St. Bonifaz Obdachlosenhilfe, Karlstraße 34, 80333 München (Träger: Benediktinerabtei St. Bonifaz in München und Andechs):
Alle Besucher*innen bekommen in der Einrichtung ein Kaltgetränk, auch zum Mitnehmen. In der Einrichtung stehen Sanitär- und Duschanlagen zur Verfügung. Es ist immer kostenloses Leitungswasser erhältlich.
Obdachlosen-Streetwork, Zenettistraße 32, 80337 München (Träger: Evangelisches Hilfswerk München gGmbH):
Die Streetworker*innen klären im Rahmen ihrer täglichen Kontaktaufnahme die angetroffenen obdachlose Menschen über die angebotenen Hitzeschutzmaßnahmen auf und weisen auf die Notwendigkeit hin, dassvor allem bei einem Aufenthalt im Freien unbedingt Schattenplätze aufgesucht werden sollten und auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden muss – gerade bei großer Hitze.
Wenn bei diesen Begehungen hilfebedürftige Personen angetroffen werden, denen die Hitze offenkundig sehr zusetzt oder wenn bereits eine Hitzeschädigung vorliegt, wird von den Streetworker*innen unmittelbar eine, der akuten Situation angepasste Hilfe und Unterstützung eingeleitet. Das kann das kurzfristige Besorgen von Wasser sein, bis hin zur Alarmierung von Not- und Rettungsdiensten.
Frauencafé der KARLA 51, Karlstraße 51, 80333 München (Träger: Evangelisches Hilfswerk München gGmbH):
Das Café bietet Frauen eine geschützte Aufenthaltsmöglichkeit und ist ein offenes Angebot für ehemalige Bewohnerinnen* und externe Besucherinnen*. Im Innenhof sind im Sommer Sonnenschirme aufgestellt, die für Beschattung im Außenbereich sorgen. Im Bedarfsfall werden hilfesuchende Frauen mit Trinkwasser und Hitzeschutzprodukten (z.B. Sonnencreme) versorgt.
Begegnungszentrum D3, Dachauer Straße 3, 80335 München (Träger: Caritasverband der Erzdiözese München und Freising e.V.): In dem Tagestreff werden an heißen Tagen die Jalousien herausgefahren, um für Schatten zu sorgen. Es erfolgt die kostenlose Ausgabe von Wasser und Tee an die Besucher*innen. Die Besucher*innen werden an heißen Tagen direkt angesprochen, ob sie genug getrunken haben und animiert vor Schließung der Einrichtung ihre Wasserflaschen aufzufüllen. Bei Bedarf werden gespendete Getränke (z.B. derzeit Multivitamin-Säfte) sowie Kappen oder Hüte ausgegeben. Über eine Lüftungsanlage besteht die Möglichkeit zum Luftaustausch und zur Kühlung der Aufenthaltsräume.
Städt. Unterkunftsheim für Männer mit Arztpraxis, Obdachlosenberatung und Café, Pilgersheimer Straße 11, 81543 München (Träger: Kath. Männerfürsorgeverein München e.V.):
In der Einrichtung sind zum Hitzeschutz Wasser (0,5 PET-Flaschen), Sonnencreme und Sonnenschutzkappen aus Spendenmitteln bereit gestellt. Zudem ist geplant, einen größeren, dauerhaften Wasserspender aufstellen. Hierzu steht die Einrichtung mit den Stadtwerken bereits in Kontakt. Die Einrichtung beabsichtigt, dass auch im geplanten Neubau einige Wasserbars in den Gemeinschaftsflächen mitbedacht werden und die dafür nötigen Leitungen entsprechend berücksichtigt werden.Nicht nur in den vorgenannten Anlaufstellen und Tagesaufenthalten, sondern auch im Bereich von S-Bahn- und U-Bahnstationen können die dortigen unterirdischen Verkehrsflächen oder auch tagsüber die kühlen Räume der Kirchen einen Rückzugsort bieten.
Darüber hinaus gibt es in München viele Parks mit schattigen Plätzen und Parkbänken, um sich nicht der direkten Sonneneinstrahlung aussetzen zu müssen und auf den begrünten und beschatteten Freiflächen Schutz vor der Hitze zu finden. Wohnungslose Münchner*innen – als auch alle anderen Münchner Bürger*innen – nutzen in den Sommermonaten die Isar, sowie die im innerstädtischen Bereich befindlichen Isarauen als Abkühlungsflächen oder anderweitige Gewässer zur Abkühlung.
Die 48 Trinkwasserbrunnen im Stadtgebiet versorgen Passant*innen von April bis Oktober rund um die Uhr und bieten so einfache und schnell zugängliche Erfrischung und Abkühlung. Auf Knopfdruck gibt es kostenfrei qualitativ hochwertiges Münchener Trinkwasser. Der Bauausschuss des Stadtrats hat das Baureferat beauftragt, stadtweit insgesamt 100 weitere Trinkbrunnen zu realisieren. In den kommenden Jahren sollen jährlich bis zu 15 neue Trinkbrunnen errichtet werden. Mehr Informationen sind zu finden in der Beschlussvorlage des Bauausschusses des Münchner Stadtrats vom 4. Juli 2023 (Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 09782).
Das Gesundheitsreferat hat mir zudem folgende Stellungnahme zu Ihrem Antrag zum Hitzeschutzkonzept für wohnungslose Münchner*innen übermittelt:
„Menschen ohne Obdach sind sowohl bei winterlichen Minusgraden als auch während sommerlicher Hitzeperioden besonderen Herausforderungen ausgesetzt und haben deutlich weniger Möglichkeiten als andere Teile der Stadtgesellschaft, sich selbst aktiv ausreichend vor Hitze zu schützen. Die Gefahr, hitzebedingte gesundheitliche Beeinträchtigungen wie z.B. eine Dehydratation, Sonnenstich oder Hitzschlag zu erleiden, ist aufgrund der besonderen Lebensumstände und der bei Wohnungs- bzw. Obdachlosen häufiger auftretenden Risikofaktoren wie psychische Erkrankungen, Alkohol- oder Drogenkonsum und chronischen Erkrankungen zusätzlich erhöht. Dazu ist für obdachlose Menschen der Zugang zur medizinischen Versorgung meist nur unter erschwerten Bedingungen möglich, und auch eine den hohen Temperaturen angemessene Basiskörperhygiene kann aufgrund eingeschränkter Möglichkeiten zur Körperpflege und unzureichender Verfügbarkeit von Wechselkleidung nicht immer gewährleistet werden. Obdach- und wohnungslose Menschen sind daher neben beispielsweise älteren und/oder pflegebedürftiger Patient*innen auch zu den hitzebedingt besonders vulnerablen Personengruppen zu zählen.Das Gesundheitsreferat begrüßt und unterstützt daher grundsätzlich alle Maßnahmen, die wohnungs- und obdachlose Menschen beim Umgang mit den Auswirkungen der Hitzeperioden helfen und zur Minderung des Gesundheitsgefährdungspotentials beitragen. Dies schließt die Integration dieser Personengruppen in alle Aktivitäten zur Erstellung entsprechender Hitzeschutzkonzepte ausdrücklich ein. Aus Sicht des Gesundheitsreferates ist jedoch die Aufnahme aller Maßnahmen für diese Zielgruppe, wozu beispielsweise auch der im Stadtrats-Antrag 20-26/A 04031 geforderte ‚Hitzebus für Obdachlose‘ zählt, in ein gesamtstädtisches Hitzeschutzkonzept einem jeweils zielgruppenorientierten, eigenständigem Hitzeschutzkonzept vorzuziehen.
Das Gesundheitsreferat leistet bei Bedarf gerne Unterstützung bei der priorisierenden Bewertung von seitens des Sozialreferates vorgeschlagenen Einzelmaßnahmen hinsichtlich deren Relevanz für den präventiven Gesundheitsschutz. Ebenso steht das Gesundheitsreferat für Fragen zum hygienegerechten Betrieb von Einrichtungen wie z.B. kühlen Aufenthaltsräumen/Unterkünften und der hygienegerechten Ausgestaltung von möglichen Angeboten wie beispielsweise der Bereitstellung von Möglichkeiten zur Körperpflege zur Verfügung.“
Ich sehe aus den oben genannten Gründen keinen zusätzlichen Bedarf eines Hitzeschutzkonzeptes explizit nur für wohnungslose Münchner*innen. Aufgrund der unvermeidbaren Folgen des Klimawandels bedarf es eines gesamtstädtischen Hitzeschutzkonzeptes für alle Münchner Bürger*innen. Ich teile hier die Ansicht des Gesundheitsreferates, ein gesamtstädtisches Hitzeschutzkonzept einem zielgruppenorientierten Hitzeschutzkonzept vorzuziehen.
Der Hitzeschutz ist eine wichtige Aufgabe der Landeshauptstadt München und wird bereits auch schon umgesetzt (s. Rathaus Umschau 138/2023 vom 21.7.2023).
Die Stadt München verstärkt ihre Aktivitäten, die Münchner Bürger*innen und deren Gesundheit vor der zunehmenden Hitze zu schützen. Der Gesundheitsausschuss des Stadtrats hat beschlossen, den Schutz von vulnerablen Gruppen wie älteren Personen sowie Menschen in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern zu intensivieren.
Ich hoffe, auf Ihr Anliegen hinreichend eingegangen zu sein und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.