Sichere Konzerte für alle
Antrag Stadtrats-Mitglieder Mona Fuchs, Dr. Hannah Gerstenkorn, Gudrun Lux, Marion Lüttig, Julia Post, Sibylle Stöhr, David Süß (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste), Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner, Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) und Sonja Haider, Dirk Höpner, Nicola Holtmann, Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 5.6.2023
Antwort Kreisverwaltungsreferentin Dr. Hanna Sammüller-Gradl:
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihren Antrag vom 5.6.2023 zur Beantwortung überlassen. Inhaltlich teilten Sie dem Kreisverwaltungsreferat betreffend Folgendes mit:
„Um eine sichere Teilnahme für alle Besucher*innen von Konzerten in städtischen Räumlichkeiten zu gewährleisten und sexualisierte Übergriffe und Gewalt zu verhindern, möge
1. Das Kreisverwaltungsreferat prüfen, ob und bei welchen Konzerten als Auflage eine sogenannte Reihe Zero (Reihe von Fans vor der Absperrung) aus Sicherheitsgründen zu untersagen ist.
2. Das KVR zudem prüfen, inwieweit die Träger*innen der Aktion ‚Sichere Wiesn‘ Beratungsstelle Frauennotruf München, AMYNA e.V. und Imma – Initiative für Mädchen* e.V. eine Realisierung von weiteren Safe Spaces für Konzerte möglich machen könnten.
3. Das Sozialreferat prüfen, inwieweit die Fachstelle ‚Moderation der Nacht‘ dem Aufbau von Awareness-Teams betreuen könnte, die auf Konzerten zum Einsatz kommen können.
4. Das KVR prüfen, ob der Einsatz von Awareness-Teams für Konzerte verpflichtend vorgeschrieben werden kann.
5. Die Olympiapark München GmbH und die Messe München GmbH prüfen, inwieweit technische Lösungen, wie die App ‚Safe Now‘ oder vergleichbare zum Schutz von Besucher*innen verpflichtend auf allen Konzerten zum Einsatz kommen können.
6. Die Olympiapark München GmbH, sowie die Messe München GmbH prüfen, inwieweit Veranstaltende vertraglich verpflichtet werden können, dass die eingesetzten Sicherheitsdienste eine Schulung des Personals zum Umgang mit Belästigung, sexualisierten Überbegriffen und Diskriminierung nachweisen müssen.
Bei Punkt 2., 3., 4. und 5. soll außerdem rechtlich geprüft werden, inwieweit daraus resultierende Kosten auf die Veranstalter*innen selbst umgelegt werden können.
Begründung:
Die Landeshauptstadt München hat keine rechtlichen Möglichkeiten Konzerte in den eigenen Räumlichkeiten auf Grund von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit oder aber Gewaltbereitschaft von den Kunstschaffenden selbst oder aber ihren Fans, zu untersagen.
Umso wichtiger sind Sensibilisierung, Bildung, Prävention und Schutz vor Gewalt sowie sichtbare Strukturen und Ansprechpersonen, an die sich Betroffene von (sexualisierter) Gewalt und Hilfesuchende wenden können.“
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit im Sinne von Art. 37 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 GO und § 22 GeschO, deren Erledigung dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich. Ich erlaube mir daher, Ihren Antrag auf dem Schriftwege wie folgt zu beantworten.
Die verspätete Beantwortung bitten wir zu entschuldigen.
Zu 1) Untersagung der „Reihe Zero“
Als „Reihe Zero“ wird der Bereich direkt vor der Bühne, noch vor dem ersten Wellenbrecher, bezeichnet (Bühnengraben). Es handelt sich um einen notwendigen Arbeitsbereich der Sicherheitskräfte, welcher zudem beim Einsatz von Bühnen-Pyrotechnik auch die erforderlichen Sicherheitsabstände zum Publikum sicherstellt.
Der Aufenthalt im Bühnengraben ist nur erforderlichen und eingewiesenen sowie mit Sicherheitsaufgaben betrauten Personen (z.B. Produktion, Sicherheitsdienst, Sanitätsdienst sowie Behördenvertreter*innen) gestattet. Publikum ist im Bühnengraben, u.a. zur Sicherstellung der Handlungsfähigkeit der Sicherheitskräfte, regelmäßig nicht zulässig.
Eine entsprechende Auflage (Regelung der Zutrittsberechtigung) gegen-über den Veranstaltenden zu erlassen, ist rechtlich möglich und wird vom Kreisverwaltungsreferat vorgenommen, wenn die dafür notwendige konkrete Gefahrenprognose vorliegt.
Zu 2) Safe Spaces durch die Träger*innen der Aktion „Sichere Wiesn“ Beratungsstelle Frauennotruf München, AMYNA e.V. und Imma – Initiative für Mädchen* e.V.
Aus Sicht des KVR ist es grundsätzlich möglich, dass die Träger*innen entsprechende Schutz- oder Rückzugsräume bei Konzerten einrichten. Die Veranstalter*innen müssten dafür die Safe Spaces lediglich in den Veranstaltungsplänen vorsehen. Das Kreisverwaltungsreferat steht hierzu gerne beratend und unterstützend zur Verfügung.
Im Übrigen können die Veranstalter*innen ihre Dienstleister*innen im Rahmen der privatrechtlichen Vertragsfreiheit frei wählen. Den Träger*innen steht es zudem frei, sich mit den Veranstalter*innen in Verbindung zu setzen.
Zu 3) Betreuung des Aufbaus von Awarenessteams durch die Fachstelle „Moderation der Nacht“ bzw. Durchführung einer Bestandsaufnahme der Awarenessteams
Am 18.10.2023 hat die Fraktion Die Grünen – Rosa Liste einen Antrag mit dem Titel „Bestandsaufnahme der Awarenessteams in München durchführen“ gestellt (StR-Antrag 20-26/A 04249). In Abstimmung mit dem hierfür federführenden Sozialreferat dürfen wir hinsichtlich Punkt 3 auf die Behandlung des neuen Antrags verweisen.
Zu 4) Verpflichtende Awareness-Teams
Für die Verpflichtung zum Einsatz von Awareness-Teams liegt regelmäßig keine tragfähige Gefahrenprognose vor. Eine entsprechende Anordnung auf Grundlage von Art. 19 Abs. 5 Satz 1 Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) setzt eine konkrete Gefahr für z.B. Leben oder Gesundheit voraus. Eine konkrete Gefahr muss dabei von der Veranstaltung ausgehen, aber nicht von einer/einem Künstler*in. Das bedeutet, dass bei einer Veranstaltung eine konkrete Gefahr für die genannten Rechtsgüter bestehen müsste, welche durch die Einrichtung eines Safe Space vor Ort verhindert wird. Die Schwelle für das Vorliegen einer konkreten Gefahr während der Veranstaltung wird jedoch durch das Fehlen eines Safe Space regelmäßig nicht überschritten, so dass eine behördliche Verpflichtung in der Regel ausscheidet.
Unabhängig davon befürwortet das Kreisverwaltungsreferat ausdrücklich jede freiwillige Maßnahme von Veranstalter*innen, die der Sensibilisierung, Bildung, Prävention und dem Schutz vor Gewalt dienen. So sind abgestimmte Awareness-Maßnahmen zu begrüßen, durch welche den Besuchenden einer Veranstaltung ein Raum geboten werden soll, in dem aktiv gegen diskriminierendes Verhalten vorgegangen wird und hilfesuchende Personen Unterstützung finden können.
Kosten
Da es sich sowohl bei den Safe Spaces als auch bei Awareness-Teams um freiwillige Maßnahmen der Veranstalter*innen handelt, tragen sie die damit verbundenen Kosten.
Zu 5) Verpflichtende technische Lösungen, wie die App „SafeNow“ oder vergleichbare zum Schutz von Besucher*innen
Das Referat für Arbeit und Wirtschaft (RAW) hat uns folgende Stellungnahme der von ihm betreuten Olympiapark München GmbH übermittelt:
„Der Olympiapark München GmbH (OMG) ist die Sicherheit der Besucher*innen bei Veranstaltungen sehr wichtig. Es werden hierzu intensive Gespräche mit den Veranstaltern von kritischen Veranstaltungen geführt, um ein Bewusstsein und Anlaufstellen für kritische Situationen zu schaffen.
Ob eine technische Lösung wie die App ‚SafeNow‘ oder ein vergleichbares Produkt verpflichtend auf allen Konzerten zum Einsatz kommen kann, können wir nicht eindeutig beantworten. Eine entsprechende Verpflichtung müsste als neuer Vertragsbestandteil in die Verträge, AGB‘s und Sicherheitskonzepte der OMG aufgenommen werden. Die OMG hat bereits im Jahr 2021 einen Testversuch mit ‚SafeNow‘ durchgeführt. Aus technischer Sicht gestaltete sich hier die Komplexität des Olympiapark Geländes problematisch. Um eine Flächenabdeckung für die App zu gewährleisten, müssten sogenannte Beacons in kleinen Abständen im gesamten Park und den verschiedenen Spielstätten installiert werden. Kosten für Installation und Wartung waren für die OMG nicht tragbar (und könnten sicherlich auch nur beschränkt auf die Veranstalter umgelegt werden), so dass von einer Fortführung des Projektes abgesehen wurde.“
Von der Messe München GmbH hat uns das RAW-Beteiligungsmanagement folgende Stellungnahme zukommen lassen:
„Im Hinblick auf Konzerte hat die Messe München GmbH einen Rahmenvertrag mit der G. GmbH (Anm.: Name der Veranstalterin gekürzt) im Oktober 2021 mit Nachtrag vom Juni 2023 geschlossen, der bis einschließlich 2025 gilt. Dort ist geregelt, dass für jeden Veranstaltungsvertrag zu einer Veranstaltung, die unter diesen Rahmenvertrag fällt, die in dem Rahmenvertrag und seinen Anlagen festgehaltenen Regelungen und Konditionen gelten. Die in Punkt 5 angesprochenen Regelungen sind so nicht in dem Rahmenvertrag und seinen Anlagen enthalten. Daher kann die Messe München GmbH den Abschluss eines Veranstaltungsvertrages nicht verweigern, auch wenn die G. GmbH die in den Punkten 5 und 6 angesprochenen Regelungen nicht akzeptiert. Der Veranstalter (…) hat jedoch mündlich erklärt, dass sein Unternehmen ein Awareness Team für die geplanten Konzerte habe und dieses auch zum Einsatz kommen soll.“
Zu 6) Vertragliche Verpflichtung zum Nachweis einer Schulung des Sicherheitspersonals
Hierzu hat die Olympiapark GmbH Folgendes ausgeführt:
„Schulungen des Sicherheitspersonals im Umgang mit den Themen Belästigung, sexualisierte Übergriffe und Diskriminierung finden im Olympiapark und beim Hausordnungsdienst der OMG bereits statt. Entsprechende schriftliche Nachweise können nach Rücksprache mit unserem Ordnungsdienst zukünftig eingeführt werden.“
Die Messe München GmbH hat dazu wie folgt Stellung genommen: „Eine vertragliche Verpflichtung zur Schulung des vom Veranstalter eingesetzten Sicherheitspersonals besteht aus o.g. Gründen nicht. Die Messe München wird aber den Veranstalter bitten, diesen Punkt bei seinem Konzept zu berücksichtigen (s. auch Antwort zu Punkt 5).“
Das Kreisverwaltungsreferat hat im Rahmen der Bearbeitung des Stadtratsantrags u.a. auch die Gleichstellungsstelle der Landeshauptstadt München beteiligt. Folgende Stellungnahme wurde dem KVR in diesem Zusammenhang übermittelt:
„Die Gleichstellungsstelle für Frauen regt an, dass zukünftig in Verträgen mit Veranstalter*innen, die Veranstalter*innen verpflichtet werden darzustellen, wie die Gefährdungslage in Bezug auf sexualisierte Übergriffe von Seiten der Veranstalter*innen eingeschätzt wird und welche Maßnahmen getroffen werden, um einer gegebenenfalls erhöhten Gefährdungslage entgegenzuwirken. Aus Sicht der Gleichstellungsstelle wäre es außerdem sinnvoll, Veranstalter*innen zu unterstützen, indem Infomaterial zu Unterstützungs- und Hilfeeinrichtungen wie beispielsweise die Akutversorgung nach Vergewaltigung (https://frauennotruf-muenchen.de/erste-hilfe-die-kampagne) ausreichend zur Verfügung gestellt wird.“
Auf die Inhalte der Verträge zwischen Betreiber und Veranstalter hat das Kreisverwaltungsreferat keinen Einfluss. Gerne vermittelt das Kreisverwaltungsreferat jedoch wie vorgeschlagen interessierte Veranstalter in Bezug auf Infomaterial und Unterstützungs- bzw. Hilfeeinrichtungen an die Gleichstellungsstelle, das Sozialreferat oder das Gesundheitsreferat.
Es wird um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit im Hinblick auf die Anträge das Kreisverwaltungsreferat betreffend damit abgeschlossen ist.