München geht voran: Sicherheit und Schutz der Jugend stärken – Modellkommune zur Abgabe von Cannabis werden
Antrag Stadtrats-Mitglieder Kathrin Abele, Christian Köning, Barbara Likus, Lena Odell, Klaus Peter Rupp, Julia Schönfeld-Knor, Andreas Schuster, Felix Sproll, Christian Vorländer (SPD/Volt-Fraktion) und Anja Berger, Beppo Brem, Mona Fuchs, Hannah Gerstenkorn, Anna Hanusch, Marion Lüttig, Thomas Niederbühl, Angelika Pilz-Strasser, Sybille Stöhr (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) vom 19.4.2023
Antwort Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek:
Sie beantragen eine Bewerbung der Landeshauptstadt München als Modellkommune für die geplante kontrollierte Abgabe von Cannabis und entsprechende Vorbereitungen durch das Gesundheitsreferat. Des Weiteren soll eine Bevölkerungsbefragung zum Thema Cannabis und der geplanten gesetzlichen Neuregelung durchgeführt werden, mit dem Ziel, entsprechende Informations- und Hilfeangebote so weiterzuentwickeln, dass sie den Bedarfen und Erwartungen der Bürger*innen entsprechen. Besondere Beachtung soll dabei dem Schutz der Konsument*innen und vor allem Jugendlichen gewidmet werden.
Zunächst bedanke ich mich für die gewährte Fristverlängerung.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt erlaube ich mir, Ihren Antrag vom 19.4.2023 als Brief zu beantworten und teile Ihnen auf diesem Wege Folgendes mit:
Die Bundesregierung beabsichtigt die Einführung einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken. Dazu hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf „zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (Cannabisgesetz) vorgelegt.
Der Gesetzentwurf basiert auf dem im April 2023 vorgestellten 2-Säulen-Eckpunktepapier der Bundesregierung. Danach soll in einem ersten Schritt der Anbau in nicht-kommerziellen Vereinigungen und der private Eigenanbau ermöglicht werden. Die Vereinigungen müssen Auflagen zu Jugendschutz und Prävention erfüllen. So besteht die Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit den Suchtpräventions- und Beratungseinrichtungen vor Ort. In einem zweiten Schritt soll in ausgewählten Regionen ein Modellvorhaben umgesetzt werden, bei dem lizensierten und staatlich kontrollierten Unternehmen die Produktion, der Vertrieb und die Abgabe von Cannabis ermöglicht wird.Das Cannabisgesetz sollte ursprünglich am 1. Januar 2024 im Bundestag verabschiedet werden. Aktuell wird der 1. April 2024 kommuniziert. Mit Verabschiedung des Gesetzes wäre der Anbau, Besitz und Konsum von Cannabis für Erwachsene mit gewissen Einschränkungen straffrei. Der gemeinsame Anbau soll in Cannabisanbauvereinigungen ermöglicht werden.
Die Planung von Modellkommunen ist ein Vorhaben, das der sog. zweiten Säule des Vorhabens der Bundesregierung zur Liberalisierung von Cannabis zugeordnet ist. Diese zweite Säule ist bisher noch nicht über einen Referentenentwurf detaillierter beschrieben. Dieser Teil des Gesamtvorhabens ist voraussichtlich weiterhin notifizierungspflichtig, somit ist die Abstimmung mit der EU-Kommission abzuwarten sowie die angekündigte enge Abstimmung mit verschiedenen europäischen Partnern. Deshalb bestehen aktuell noch keine konkreten Vorgaben für die Bewerbung als Modellkommune bzw. für die Umsetzung einer Modellkommune.
Frau 3. Bürgermeisterin Verena Dietl hat sich am 7.7.2023 mit einem Schreiben an den Bundesdrogenbeauftragten Herrn Burkard Blienert gewandt, um das Interesse der Landeshauptstadt München an einer Bewerbung als Modellkommune zu signalisieren und informiert zu werden, sobald konkretere Vorgaben zur Umsetzung der Modellkommunen und zur Bewerbung vorliegen.
Eine Bevölkerungsbefragung mit dem Ziel, die Bedarfe und Erwartungen der Münchner Bürger*innen an Informations- und Hilfeangebote zu erfassen, ist mit einem hohem Ressourcenaufwand verbunden. Aufgrund des zu erwartenden Umfangs kann eine solche Erhebung nicht durch das Gesundheitsreferat durchgeführt werden. Für eine fachlich fundierte Untersuchung ist die Vergabe an ein sozialwissenschaftliches Institut erforderlich, was mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden wäre. Zudem sind die meisten Suchthilfeangebote in München nicht in der Steuerung durch die Landeshauptstadt München, sodass eine direkte Einflussnahme auf die Konzepte und Leistungen nicht möglich ist.
Das Drogenreferat der Stadt Frankfurt am Main hat eine repräsentative Befragung der Frankfurter Bevölkerung zum Thema Cannabis durchgeführt, deren Ergebnisse das Gesundheitsreferat (GSR) für die Überlegungen zum Bedarf in München einbezieht. Von 2.607 erwachsenen Befragten aus der Frankfurter Bevölkerung stimmen etwa zwei Drittel der Befragten einer kontrollierten Abgabe von Cannabis uneingeschränkt oder eher zu. Dabei spricht sich eine große Mehrheit für umfassende Präventionsmaßnahmen und die Beachtung des Jugendschutzes aus. Das Suchthilfeangebot Frankfurts stößt auf hohe Akzeptanz bei den Bürger*innen, der Bekannt-heitsgrad sollte aber noch gesteigert werden. Zudem sollen Ärztinnen und Ärzte fortgebildet und Safer-Use-Möglichkeiten vermittelt werden.
Zur Konsumhäufigkeit bei legalisiertem Zugang zu Cannabis gaben 61% der Befragten an, weiterhin kein Cannabis zu gebrauchen, 11,7% würden weiterhin so konsumieren wie aktuell, 8,2% würden Cannabis nach langer Abstinenz mal wieder konsumieren und 3,6% würden Cannabis erstmalig probieren. 1,4% der Befragten gaben an, mehr Cannabis konsumieren zu wollen als bisher.
Die vollständige Befragung steht zum Download bereit unter https://frankfurt.de/service-und-rathaus/verwaltung/aemter-und-institutionen/drogenreferat/aktuell/drogenmonitoring-in-frankfurter-konsumrumen.
Da eine Befragung der Bevölkerung zur Anpassung bestehender Präventions- und Hilfsangebote auch deshalb nicht zielführend erscheint, weil diese oft in ihrer Konzeption nicht entsprechend bekannt sind, hat das GSR im November 2023 stattdessen ein erstes Gespräch mit Expert*innen der Suchtprävention und der Frühintervention durchgeführt, um den Bedarf an Modifizierung bzw. Ergänzung bestehender Angebote oder an zusätzlichen Angeboten zu erheben.
Als Ausweitung des bisherigen Angebots sehen das GSR, das Sozialreferat sowie die befragten Expert*innen freier Träger eine Jugendsuchtberatung als erforderlich an. Eine Konkretisierung wird geprüft. Zudem sind die Angebote zur Frühintervention aufzustocken, auf die konsumierende Jugendliche verwiesen werden sollen. Die erforderlichen Kapazitäten sind aktuell noch nicht abschätzbar.
Zudem sehen die Expert*innen Bedarf an verstärkter fachlicher und konzeptioneller Auseinandersetzung mit dem Thema Cannabiskonsum, etwa durch Fortbildungen für pädagogisches Personal, insbesondere in der Jugendhilfe und an den Schulen. Gleiches gilt für Mitarbeiter*innen der Bezirkssozialarbeit aufgrund der Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung bei wiederholten Aufgriffen Jugendlicher und für die Entwicklung von Standards und Verfahren zwischen Polizei und Jugendamt. Bedarf besteht möglicherweise auch in der Jugendgerichtshilfe und anderen relevanten Bereichen. Auch sind Konzepte in Jugendarbeit, Jugendhilfe und Bildungswesen sowie Einrichtungen der Suchthilfe zu überarbeiten und stärker auf den Umgang mit Cannabis konsumierenden Minderjährigen und jungen Erwachsenen anzupassen.Neben Kindern und Jugendlichen sind auch andere vulnerable Gruppen zu adressieren wie junge Erwachsene, psychisch Erkrankte, Schwangere und ältere Menschen. Hinsichtlich Cannabis konsumierender Eltern sind Inhalte, Materialien und Formate zu entwickeln, wie Anbau, Aufbewahrung und Konsum in Familien mit Minderjährigen gestaltet werden sollten.
Das GSR wird das Gesetzgebungsverfahren sowie die weitere Entwicklung des Legalisierungsvorhabens und seiner Wirkungen aktiv verfolgen und die Teilnahme an einem Modellvorhaben prüfen, sobald die rechtlichen Vorgaben dazu vorliegen. Ebenso werden die möglichen Anpassungen von Präventionsmaßnahmen weiterhin thematisiert und begleitet. Ein weiteres Expert*innengespräch zur Suchtprävention ist für den Sommer 2024 geplant.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.