Compliance bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Veronika Mirlach und Alexander Reissl (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 20.12.2022
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 20.12.2022 haben Sie gemäß §68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird.
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
„Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften, GWG und GEWOFAG stehen gerade ziemlich unter Druck und im Fokus von Politik und Öffentlichkeit. Die beiden rechtlich selbständigen Unternehmen sollen nach dem Willen der Rathauskoalition aus GRÜNEN/Rosa Liste und SPD/Volt zu einem Konzern verschmolzen werden.“
Weiter führen Sie aus, dass sich in beiden Unternehmen unterschiedliche Unternehmenskulturen etabliert hätten. Immer im Mittelpunkt stehen müsse aber ein wertschätzender und gerechter Umgang von Mitarbeitenden und Führungskräften unter- und miteinander.
Da Sie vermehrt anonyme und schwerwiegende Vorwürfe erreichen, nach denen Führungsstrukturen ausgenutzt sowie Verfehlungen und Mängel gedeckt würden, und in der Mitarbeiterschaft ein Klima der Angst herrsche, stellen Sie nachfolgende Fragen.
Wie Ihnen bekannt ist, beauftragte Herr Oberbürgermeister Reiter das Revisionsamt mit der Prüfung von anonym erhobenen Vorwürfen jeglicher Art gegen die GEWOFAG. Der Prüfauftrag umfasste den Zeitraum 2014-2023. Der Bericht sowie die Feststellungen des Revisionsamtes wurden dem Rechnungsprüfungsausschuss in seiner nichtöffentlichen Sitzung am 21.3.2023 vorgelegt und dort beschlossen.
In der Bekanntgabe des Berichtes über die „Prüfung der zum 31.12.2021 erstellten Jahresabschlüsse der Landeshauptstadt München“ (Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 10019) wurden die Prüfungsergebnisse und -empfehlungen der Vollversammlung des Stadtrates am 26.7.2023 vorgestellt (Seiten 330-346 des Band 1 des Berichtes vom 30.5.2023). Die vorliegende Anfrage kann nur im Umfang der öffentlich bekannt gegebenen Prüfungsergebnisse beantwortet werden. Im Übrigen wird auf den Bericht des Revisionsamtes verwiesen. Zudem bitten wir um Entschuldigung, dass die Anfrage nicht in der geschäftsordnungsgemäßen Frist beantwortet wurde.Ihre Fragen können wie folgt beantwortet werden:
Frage 1 und 2:
Gibt es bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften sowie deren Töchtern Regularien und Vorschriften, die das Verhalten und den Umgang der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regeln? Falls ja, bitten wir um Darstellung getrennt nach den Gesellschaften.
Antwort:
Im GEWOFAG-Konzern besteht eine entsprechende Konzernregelung. Einschlägig ist die Konzernregelung „Verhaltenskodex, Anti-Korruptionsregelung und Regelung zu Nebenbeschäftigungen“.
Die GWG München und die Münchner Gesellschaft für Stadterneuerung (MGS) haben ein Regelungssystem aus Managementhandbüchern, Dienstanweisungen und Geschäftsprozessen. Zudem existiert ein Leitbild, das die Grundprinzipien des Handelns gegenüber der Mieterschaft, den Geschäftspartner*innen und den Mitarbeitenden definiert. Arbeitsanweisungen und Formulare konkretisieren die genannten Regelungen weiter.
Frage 3:
Sind dem Oberbürgermeister Fälle bekannt, wo durch Führungskräfte regelwidriges Verhalten an den Tag gelegt wurde?
Antwort:
Derartige Fälle sind nicht bekannt. Durch anonyme Schreiben erhobene Vorwürfe waren dem Oberbürgermeister bekannt.
Frage 4:
Falls ja, wie wurde darauf reagiert bzw. sanktioniert?
Antwort:
Die durch anonyme Schreiben erhobenen Vorwürfe wurden durch das Revisionsamt geprüft. Der Bericht sowie die Feststellungen des Revisionsamtes wurden dem Rechnungsprüfungsausschuss in seiner – nichtöffentlichen – Sitzung am 21.3.2023 vorgelegt und dort beschlossen. In der Bekanntgabe des Berichtes über die „Prüfung der zum 31.12.2021 erstellten Jahresabschlüsse der Landeshauptstadt München“ (Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 10019) wurden die Prüfungsergebnisse und -empfehlungen der Vollversammlung des Stadtrates am 26.7.2023 vorgestellt.
Frage 5:
Gibt bzw. gab es Beförderungen von Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern, die persönliche Beziehungen zu Vorgesetzten haben? Wie wurde in diesen Fällen sichergestellt, dass die Beförderungen ausschließlich aus fachlichen Gründen ausgesprochen wurden?
Antwort:
Der Bericht über die „Prüfung der zum 31.12.2021 erstellten Jahresabschlüsse der Landeshauptstadt München“ (Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 10019) befasst sich ab Seite 337 der Anlage mit dieser Frage. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass der Betriebsrat den Einstellungen und Beförderungen zugestimmt hat, so dass davon auszugehen ist, dass keine sachfremden Erwägungen in die Entscheidungen eingeflossen sind. Zur Vermeidung von Interessenskonflikten erfolgten organisatorische und disziplinarische Anpassungen.
Frage 6:
Gibt es eine unabhängige Stelle, wo Verstöße gemeldet werden können? Wir bitten um Darstellung der Wege zur Kontaktaufnahme und den Umgang mit Beschwerden.
Antwort:
Im GEWOFAG-Konzern ist bereits seit dem Jahr 2011 eine Ombudsstelle eingerichtet, deren Ausübung von einer externen Rechtsanwaltskanzlei unabhängig wahrgenommen wird. Durch die Implementierung einer Meldestelle hat der GEWOFAG-Konzern somit bereits sehr frühzeitig Maßnahmen ergriffen, die durch das Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) zur gesetzlichen Pflicht erhoben wurden. (Das Hinweisgeberschutzgesetz soll Personen schützen, die im Rahmen ihrer Berufstätigkeit Kenntnisse über Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften oder andere verbindliche Regelungen erlangt haben und diese melden, ohne Angst vor Repressalien haben zu müssen.)
Mit der Bestellung eines zugelassenen Rechtsanwalts bzw. einer zugelassenen Rechtsanwältin als Ansprechpartner*in der Ombudsstelle werden neben der fachlichen Qualifikation für die vielfältigen Rechtsfragen des allgemeinen Zivil-, Wirtschafts- und ggf. Strafrechts über die anwaltlichen Berufspflichten die wesentlichen Grundprinzipien einer Ombudsstelle sichergestellt: die Verpflichtung zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Ombudsperson sowie die Pflicht zur Wahrung vertraulicher Meldungen.
Der Hinweis auf die Ombudsstelle sowie deren Kontaktdaten findet sich sowohl auf der GEWOFAG-Homepage (https://www.gewofag.de/web.nsf/id/ombudsstelle-gewofag) als auch für Mitarbeitende des GEWOFAG-Konzerns auf der Intranetseite des Unternehmens.
Die Ombudsstelle ist per Brief, Fax, lE-Mail, Telefon oder persönlich in den Geschäftsräumen der Rechtsanwaltskanzlei, bei vorheriger Vereinbarung auch andernorts erreichbar. Die Bestätigung des Eingangs einer Meldung erfolgt in der Regel innerhalb von 48 Stunden, spätestens jedoch innerhalb der gesetzlichen Frist von sieben Kalendertagen (vgl. §17 Abs.1 Nr.1 Hin-SchG).
Die Ombudsstelle nimmt nachfolgend aufgeführte Kernaufgaben wahr:
- Kontakt zum Hinweisgeber, insbesondere Bestätigung des Eingangs einer Meldung und ggf. Ersuchen weiterer Informationen zur Sachverhaltsaufklärung;
- Rechtliche Erstwürdigung der eingehenden Hinweise im Hinblick auf den sachlichen Anwendungsbereich sowie die Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldung;
- Erarbeitung von Handlungsvorschlägen im Einzelfall in Übereinstimmung mit §17 Abs.1 Nr.6 HinSchG i.V.m. §18 HinSchG;
- Bei Bedarf und nach vorheriger Absprache mit der Geschäftsführung des GEWOFAG-Konzerns: Abstimmung und Informationsaustausch mit
(Strafverfolgungs-) Behörden
- Bei Bedarf und nach vorheriger Absprache mit der Geschäftsführung, sofern hierdurch die Untersuchung der Meldung nicht gefährdet ist: Zusammenarbeit mit den internen Kontrollfunktionen (Konzerninnenrevision, Anti-Korruptionsbeauftragte/-r, Demokratiebeauftragte/-r, Gleichstellungsbeauftragte/-r)
- Daneben meldet die Ombudsstelle eingehende Ombudsfälle unverzüglich an die Ressortleitung Recht bzw. sofern das Ressort Recht selbst betroffen ist, direkt an die Geschäftsführung der GEWOFAG Holding GmbH.
- Ferner berichtet die Ombudsstelle an den Aufsichtsrat der GEWOFAG Holding GmbH über die Anzahl und Art der eingegangenen Meldungen sowie den jeweiligen Stand der Untersuchungen.
- Darüber hinaus steht die Ombudsstelle der Ressortleitung Recht sowie der Geschäftsführung der GEWOFAG Holding GmbH jederzeit für Auskünfte zur Verfügung, soweit dem nicht die Anonymität des/der Hinweisgeber/-in entgegensteht.
Die Ombudsstelle gibt der hinweisgebenden Person spätestens innerhalb von drei Monaten nach der Bestätigung des Eingangs der Meldung eine Rückmeldung zum Prüfungsergebnis sowie ggf. zu geplanten sowie be-reits ergriffenen Maßnahmen, soweit hierdurch die Rechte von Personen, die Gegenstand der Meldung waren oder die in der Meldung genannt waren, nicht beeinträchtigt werden (vgl. §17 Abs.2 HinSchG).
Bei der GWG München gibt es zwei Wege, Verstöße zu melden:
- Einen externen Meldeweg Ombudsservice:
Diesen Service übernimmt die externe Anwaltskanzlei Baker Tilly München. Die Kontaktdaten sind im Intranet veröffentlicht und für die Mitarbeitenden jederzeit zugänglich. Kontakt kann telefonisch oder per E-Mail aufgenommen werden. Der Ombudsmann ist telefonisch Mo-Fr von
8.00-18.00 Uhr erreichbar, persönliche Termine nach Vereinbarung.
- Den internen Meldeweg Direkte*r Vorgesetzte*r oder Geschäftsführung oder Compliance-Beauftragte*r:
Dies wird in der Onboarding-Schulung kommuniziert. Die Kontaktdaten von Compliance-Beauftragten sind im Intranet veröffentlicht und für die Mitarbeiter jederzeit zugänglich. Kontakt kann telefonisch oder per E-Mail aufgenommen werden.
Der Umgang mit Beschwerden stellt sich bei der GWG München wie folgt dar:
Die Verfahrensschritte nach dem Eingang eines Hinweises auf Verstoß sind in der Richtlinie Ombudsservice erläutert. Die Richtlinie ist im Intranet ver-öffentlicht.
Nach dem Eingang des Hinweises (Beschwerde) wird der Fall auf die Stichhaltigkeit geprüft. Sollte die Stichhaltigkeit bejaht werden, wird eine Prüfung durchgeführt, um etwaige Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Verhalten festzustellen. Die weiteren Verfahrensschritte ergeben sich in Abhängigkeit des Prüfungsergebnisses.
Frage 7:
Welche Firmen bzw. Kanzleien haben die Geschäftsführung bzw. das Unternehmen in den letzten fünf Jahren beraten? Welche Kosten entstanden hierdurch im Detail? Erfolgte in jedem Fall eine Ausschreibung? Falls nicht, warum?
Antwort:
Beratungsleistungen werden durch den GEWOFAG-Konzern nach den Regeln des Vergaberechts für öffentliche Auftraggeber vergeben. Die GEWO-FAG nimmt rechtliche und auch sonstige unternehmerische Beratungsleistungen in Anspruch.
Die in den letzten 5 Jahren hierdurch entstandenen Kosten (ohne Ombudsstelle) beliefen sich auf durchschnittlich 128.882,17 Euro p.a.Ebenso wie die GEWOFAG hat sich auch das Unternehmen der GWG
München in den letzten fünf Jahren themen- bzw. fallbezogen durch verschiedene Verbände und Unternehmen beraten lassen. Im Durchschnitt der letzten fünf Jahre hat die GWG München jährlich rund 1,5 Mio. Euro an Beratungs-, Anwalts- und Prüfkosten aufgewendet. Dabei sind an reinen Beratungskosten im Durchschnitt 0,6 Mio. Euro p.a. angefallen. Der Gesellschaftsvertrag, die Geschäfts- und Kompetenzordnung sowie die entsprechenden Dienstanweisungen und Geschäftsprozesse geben dabei klare Vorgaben für eine Beauftragung vor, wie beispielsweisewelche Gremien vor einer Beauftragung zu befassen sind, welche Kompetenzen bzw. Grenzwerte für eine (Direkt-)Vergabe gelten, ob eine EU-weite oder nationale Vergabe zu erfolgen hat und was bei einem Vertragsabschluss zu beachten ist.
Frage 8:
In wie vielen Fällen wurden in den letzten 5 Jahren bei ausscheidenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Abfindungen gezahlt? Wie hoch war hier die Gesamtsumme der Abfindungen? Wie wurde kontrolliert, dass die Abfindungen angemessen und nicht zu hoch ausfielen?
Antwort:
In den angefragten Jahren 2018 bis 2022 hat die GEWOFAG an insgesamt 55 ausscheidende Mitarbeitende Abfindungszahlungen geleistet.
Der Bericht über die „Prüfung der zum 31.12.2021 erstellten Jahresabschlüsse der Landeshauptstadt München“ (Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 10019) befasst sich ab Seite 331 der Anlage mit dieser Frage. Demnach wurden im Zeitraum 01/2014-12/2023 in insgesamt 121 Fällen im gesamten Konzern Abfindungszahlungen (laut Sozialplan sowie nach streitigen Auseinandersetzungen) in einer Gesamthöhe von rund 7,3 Mio. Euro ausbezahlt.
Die Geschäftsführung und der Gesamtbetriebsrat der GEWOFAG schlossen die Betriebsvereinbarungen Interessenausgleich und Sozialplan an. Soweit es sich um Abfindungen in Folge freiwilliger Aufhebungsvereinbarungen handelt, basieren diese auf dem Sozialplan.
Bei der Vereinbarung der Höhe von anderen Abfindungen besteht für die GEWOFAG Privatautonomie; bei der Beendigung der Arbeitsverhältnisse wurde die GEWOFAG von Fachanwälten beraten.
Bei der GWG München wurden in den Jahren von 2018 bis 2022 an insgesamt 9 Beschäftigte Abfindungszahlungen geleistet.