Hier kommt der literarische Nachwuchs Münchens: Sechs Autorinnen und Autoren und ein Übersetzer werden in diesem Jahr mit einem Literaturstipendium der Stadt (dotiert mit jeweils 6.000 Euro) beziehungsweise mit dem Leonhard und Ida Wolf-Gedächtnispreis (3.000 Euro) ausgezeichnet. Die Stipendien sollen es den – zumeist jungen – Autorinnen und Autoren ermöglichen, ihre literarischen Projekte fertigzustellen und ihnen den Zugang zur Buchveröffentlichung erleichtern. Die Stipendiatinnen und Stipendiaten stellen sich und ihre Texte am kommenden Mittwoch im Literaturhaus in kurzen Lesungen vor: Pierre Jarawan, Sophia Klink, Markus Ostermair, Denijen Pauljevic, Richard Barth (Übersetzung), Silke Kleemann (Jugendbuch) und Jan Reinhardt
(Leonhard und Ida Wolf Gedächtnispreis).
Jurybegründungen (gekürzt): Pierre Jarawan: „Am Ende bleiben die Zedern“
„In seinem Romanprojekt schickt Jarawan seinen jungen Protagonisten, den bestmöglich in der Bundesrepublik integrierten Libanesen Samir, auf eine abenteuerliche, windungsreiche Spurensuche in die Heimat seiner Eltern. Was als biographische Rekonstruktion beginnt, entwickelt sich rasch zu einem berührenden Ineinanderführen der Erinnerungskulturen, zugleich aber auch zu einem bedrückenden Panorama von Repression und Identi- tätsverlust. Ein Text, der vor allem durch seine literarische Dynamik und die erzählerische Wahrhaftigkeit überzeugt, die aus dem Situativen, Vergängli- chen überaus glaubhaft universale Leitlinien von Lebens- und Denkweisen freilegt.“
Sophia Klink:„Kakaoschichten menschlicher Unwissenheit“
„Sophia Klink erzählt von drei Abiturienten, die von zwei Leidenschaften angetrieben werden: Von einer wissenschaftlichen Neugier, die sie zu aus- gefallenen Forschungsprojekten treibt, und von dem dringenden Bedürfnis, andere Menschen für die Schönheit und die Zerbrechlichkeit der Natur zu sensibilisieren. … Eine ungewöhnliche und eigenständige essayistische Prosa mit dem Mut zum Ungesagten, zum Unsagbaren und zum Abstrak- ten. Die Motivwelt aus der Biologie wird von der Autorin außergewöhnlich kundig eingesetzt und lenkt unseren Blick auf Zusammenhänge, die in der Regel unsichtbar für uns sind.“
Markus Ostermair: „Der Sandler“
„Markus Ostermairs Text ist eine Spurensuche mitten unter uns: Karl Maurer lebt sein obdachloses Dasein in München, immer geprägt von der Alkoholabhängigkeit. Neben den kleinen und großen Problemen eines Obdachlosen tippelt er vor allem vor einer Weichenstellung in seinem Le- ben davon: Er hat Schuld an dem Tod eines kleinen Jungen, verließ deshalb Frau und Kind, sein ganzes früheres Leben. Markus Ostermair gelingt es in seinem hervorragend recherchierten und sprachlich überzeugend gestalte- ten Romanprojekt, den Obdachlosen Karl für den Leser zu entanonymi- sieren.“
Denijen Pauljevic:„Mimicria“
„Vor den Häschern der Armee getürmt, kommt der junge Ich-Erzähler aus Belgrad nach München. Er findet Unterkunft in einem Asylheim, in dem auch seine Cousine Bjanka mit ihrer kleinen Tochter lebt. Es ist eine
Gesellschaft der Gestrandeten, unter denen er auch sinistre Koalitionen eingeht, um das Bleiberecht in Deutschland zu erlangen. Denijen Pauljevic nutzt sein Können vom Film, um uns mit einem ungewöhnlich frischen und unsentimentalen Erzählzugriff zu überraschen. Groteske und Humor trans- portieren Schweres auf leichten Bahnen – eine Kunst, die man sich für den Zeitroman nur wünschen kann.“
Silke Kleemann: „Manic Road Movie“ (Jugendbuch)
„Silke Kleemann erzählt in ihrem Buchprojekt auf überzeugende Weise die Selbstfindung des vierzehnjährigen Doug. Geschickt verwebt sie die Geschichte des Jungen mit der seines manisch depressiven Vaters. Was als Besuch bei den Großeltern beginnt, endet für Doug in einem aben- teuerlichen Trip nach Schottland, zu dem der Vater seinen Sohn in einer manischen Hochphase überredet hat: im wahrsten Sinne ein ,Manic Road Movie‘. – Mit sensiblem Gespür für ihre Charaktere setzt Silke Kleemann das Thema Coming-of-Age sprachlich und dramaturgisch gekonnt um.“
Richard Barth: „Bach: Music for the Castle of Heaven“ von John Eliot Gardiner (Übersetzung)
„Gardiners umfangreiches musikwissenschaftliches Werk, das dem Über- setzer Sachverständnis und terminologische Präzision wie auch stilistische Flexibilität abverlangt, analysiert die wichtigsten Werke Bachs mit einem Hauptaugenmerk auf der Vokalmusik. Argumentiert wird durchaus subjek- tiv-interpretierend und zwischen Fach- und Umgangssprache wechselnd. Dies wie auch die metaphernreiche Sprache meistert Barth bravourös und übermittelt so einen schwungvollen und kenntnisreichen Text, dessen Lektüre Vergnügen bereitet.“
Jan Reinhardt:„Elias und Elyathyne“ (Leonhard und Ida Wolf-Gedächtnispreis)
„Beeindruckend souverän erzählt der Autor von dem Jungen Elias, der im Rollstuhl sitzt und genau weiß, was er will, aber eingeengt wird von der Fürsorge der Erwachsenen. – Auf unaufdringliche Weise erzählt Jan Rein- hardt von der einschränkenden Vormundschaft des guten Willens und dem Recht eines jungen Menschen, er selbst zu sein – und von dem Willen, sich diese Freiheit zu nehmen. Das gelingt dem jungen Autor mit großer Stilsicherheit und ohne erzählerischen Rückzug ins Pathetische oder Flos- kelhafte. Der Text ist ironisch und zart an den richtigen Stellen, humorvoll, aber nie klamaukig, und besticht durch seinen erzählerischen Rhythmus.“ Die Literaturstipendien werden am Mittwoch, 21. Oktober, um 19 Uhr im Literaturhaus von Bürgermeister Josef Schmid übergeben. Die Veranstaltung ist öffentlich und ohne Anmeldung zugänglich. Der Eintritt ist frei. Veranstalter ist das Kulturreferat der Landeshauptstadt München. Nähere Informationen zum Preis sowie die Jurybegründungen sind unter www.muenchen.de/kulturfoerderung (Stichwort „Stipendien“) abrufbar. (Siehe auch unter Terminhinweise)