Die 26. Strafkammer des Landgerichts München hat im Rahmen eines Strafverfahrens wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte festgestellt, dass die Auflösung des Hungerstreikes am Rindermarkt im Sommer 2013 nach ihrer Ansicht rechtswidrig gewesen sei.
Diese Entscheidung stößt beim Kreisverwaltungsreferat (KVR) aus mehreren Gründen auf Unverständnis.
Am Samstag, 22. Juni 2013, begann die Dauerversammlung mit dem
Thema „Streik gegen die Asylpolitik“, die ab dem 24. Juni in einen sogenannten „trockenen“ Hungerstreik überging, bei dem die rund 50 - 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch die Aufnahme von Flüssigkeit verweigerten.
Am Samstag, 29. Juni, gab es aufgrund der kontinuierlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der hungerstreikenden Personen insgesamt bereits über 40 Notarzttransporte in Münchner Kliniken.
Am Samstagnachmittag wurde sodann einem vom KVR bestimmten Arzt
verweigert, das Zelt der Hungerstreikenden zu betreten und diese zu untersuchen, obwohl dieser auf die gesundheitliche Gefährdungssituation hingewiesen hatte. Der Arzt verschaffte sich dennoch kurzzeitigen Zutritt und konnte zumindest feststellen, dass 30 - 40 Personen aphatisch herumlagen; eine Person war bewusstlos und wurde sofort ins Krankenhaus eingeliefert.
Darüber hinaus wurde von einem von den Hungerstreikenden eigenständig eingesetztem Arzt geäußert, dass man auch den Tod eines Patienten in Kauf nehmen müsse.
Diese Umstände und die drohende Gefahr, dass es bei einem weiteren Zuwarten zum Tod eines oder mehreren Hungerstreikenden kommen könnte, führten zu der auf oberster politischen Ebene getroffenen Entscheidung, die Versammlung aufzulösen.
Dies geschah in den frühen Morgenstunden des 29. Juni. Hierbei wurden 44 Hungerstreikende in die Kliniken verbracht, eine Person war bei der Räumung des Camps bereits ohnmächtig.
Vor diesem Hintergrund sind die Feststellungen und Aussagen des Landgerichts München, die Auflösung der Versammlung sei formell und materiell rechtswidrig, nicht nachvollziehbar.
Zum einen ist es nicht richtig, dass für derartige Auflösungen allein die Polizei zuständig sei.
Es gibt eine explizite Weisung des Bayerischen Innenministeriums, dass bei auf Dauer angelegten Versammlungen nicht die Polizei, sondern die Kreisverwaltungsbehörden zuständig sind.
Zum anderen trifft auch die Feststellung des Landgerichts nicht zu, dass die medizinische Versorgung in dem Camp als gesichert anzusehen war. Den vom KVR eingesetzten Ärzten wurde teilweise der Zutritt verweigert bzw. erschwert, Untersuchungen wurden nicht zugelassen. Der von den Hungerstreikenden selbst eingesetzte Arzt, der sich dahingehend äußerte, dass auch der Tod eines Patienten in Kauf genommen werden müsse, bot für das KVR nicht mehr die hinreichende Garantie dafür, dass die Gesundheit der hunger- und durststreikenden Menschen tatsächlich sichergestellt ist. Auch der Umstand, dass bereits 40 Notarzteinsätze in Kliniken erfolgten und sich der Gesundheitszustand der seit Tagen keine Flüssigkeit zu sich nehmenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern zunehmend verschlechterte, bewogen das KVR dazu, die Versammlung aufzulösen und auf diese Weise eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes bis hin zum Tod zu vermeiden. Aufgrund dieser Gesamtumstände – und nicht allein im Hinblick auf die Anwesenheit von Medizinern – traf das KVR seine Entscheidung.
Aus Sicht des KVR ist es unverständlich, dass das Landgericht trotz der bestehenden Gefahr für Leib und Leben der Versammlungsteilnehmer zu einem anderen Ergebnis kommt. Dies gilt umso mehr, als sich das Strafgericht mit den konkreten Umständen der Versammlungsauflösung nicht näher befasst hat; das KVR wurde zu den Einzelheiten der Auflösung jedenfalls nicht um Stellungnahme gebeten, wie dies bei einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung der Fall gewesen wäre.
Das Kreisverwaltungsreferat ist überzeugt davon, dass seine Entscheidung einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung standhalten würde.