Abwendungserklärung fortschreiben
Antrag Stadträtinnen Ulrike Boesser, Bettina Messinger, Heide Rieke und Beatrix Zurek (SPD-Fraktion) vom 19.2.2014
Antwort Sozialreferat:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist.
Sie beantragen, die Stadtverwaltung zu beauftragen, die Erklärung zur Abwendung des gesetzlichen Vorkaufsrechts der Stadt in Erhaltungssatzungsgebieten vor dem Hintergrund des kommunalen Umwandlungs- verbots fortzuschreiben. Dabei sollen insbesondere die Kriterien des „Konzeptionellen Mietwohnbaus“ (KMB) entsprechend angewendet werden.
Die Abgabe der Erklärung zur Abwendung des gesetzlichen Vorkaufsrechts der Stadt in Erhaltungssatzungsgebieten erfolgt im Rahmen des Vollzugs des Baugesetzbuches, für den das Gesetz keine Beschlussfassung durch die Vollversammlung vorschreibt (§ 22 Nr. 30 GeschO). Der Inhalt des Antrages betrifft deshalb grundsätzlich eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22
GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine Änderung der Erklärung zur Abwendung des gesetzlichen Vorkaufsrechts und damit eine Vorlage im Sozialausschuss und in der Vollversammlung ist durch den vorliegenden Antrag nicht veranlasst.
Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag vom 19.2.2014 teile ich Ihnen aber Folgendes mit:
Das Sozialreferat und das Kommunalreferat sind nach Prüfung der neuen Rechtslage zu dem Ergebnis gekommen, dass die bisherige Praxis bei den Erklärungen zur Abwendung des gesetzlichen Vorkaufsrechts in Erhaltungssatzungsgebieten nach § 24 Abs. 1 BauGB fortgeführt werden kann und auch weiterhin in der Abwendungserklärung grundsätzlich ein Verbot der Aufteilung in Wohnungseigentum gefordert werden soll.
Das Vorkaufsrecht ist nach der Konzeption des Baugesetzbuches (BauGB) ein selbständiges Instrument, das die übrigen Steuerungsinstrumente, wie den Genehmigungsvorbehalt für die Begründung von Wohnungs- oder Teileigentum nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB, ergänzt. Da die Ziel-richtung der geschützten Rechtspositionen beim Vorkaufsrecht und beim Umwandlungsverbot unterschiedlich sind, handelt es sich um
eigenständige Regelungen.
Die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum steht aufgrund des damit verbundenen Verdrängungspotentials regelmäßig im Widerspruch zu den Zielen einer Milieuschutzsatzung, so dass zur Sicherung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in den Abwendungserklärun-
gen grundsätzlich auch künftig die Verpflichtung zur Unterlassung der Aufteilung nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) beibehalten
werden kann und soll.
Dadurch ergibt sich ein zeitlich weitgehender Schutz für die betroffenen Mieterinnen und Mieter.
Während der Geltungsdauer der Abwendungserklärung ist eine Aufteilung des Objekts in Wohnungseigentum nach dem Wohnungseigentumsge-
setz nicht zulässig. Nach Ablauf dieser zehn Jahre kann das Objekt zwar in Wohnungseigentum aufgeteilt werden, die Begründung von
Wohnungseigentum unterliegt nach der derzeit geltenden Rechtslage jedoch der Genehmigungspflicht nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB. Die Fälle, in denen dann eine Genehmigung zu erteilen ist, sind gesetzlich bestimmt. Dabei dürfte in der Regel der Tatbestand des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB zur Anwendung kommen, wonach die Genehmigung nur
dann zu erteilen ist, wenn sich die Eigentümerin bzw. der Eigentümer verpflichtet, die Wohnungen innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren ab der Begründung des Wohnungseigentums nur an die Mieterinnen
bzw. Mieter zu veräußern. Erst wenn eine Mieterin bzw. ein Mieter das Eigentum nicht innerhalb der 7-Jahres-Frist erwirbt, kann die Eigentümerin bzw. der Eigentümer das Wohnungseigentum an einen Dritten veräußern.
Die Aufnahme von Kriterien, die im konzeptionellen Mietwohnungsbau Anwendung finden wie zum Beispiel die Begrenzung der Erst- und
Wiedervermietungsmiete als Verpflichtungen in die Erklärung zur Abwendung des gesetzlichen Vorkaufsrechts, stellen dagegen zum einen keine Alternative zu einer Unterlassung der Aufteilung dar und wären auch aus rechtlichen Gründen nicht zulässig.
Voraussetzung für eine entsprechende Auflage ist, dass mit der Begrenzung der Erst- und Wiedervermietungsmiete die Verdrängungsgefahr für die gefährdete Wohnbevölkerung wirksam bekämpft werden kann. Allein die Aufteilung eines Anwesens in Wohnungs- und Teileigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz führt bereits zu einer Verunsicherung der Bewohnerinnen und Bewohner und damit zu einem potentiellen
Verdrängungseffekt bei der betroffenen Wohnbevölkerung. Eine Miet-preisbegrenzung o. ä. kann diesen Effekt, der durch die Gefahr von Eigenbedarfskündigungen entsteht, nicht verhindern. Allerdings würde eine Mietpreisbegrenzung einen Schutz vor Verdrängung durch Mieterhöhungen erzeugen, die von der angestammten Bevölkerung nicht geleistet werden können.
Für den Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung und damit der Verpflichtungen in einer Abwendungserklärung ist zu berücksichtigen, dass die Abwendungserklärung kein Instrument des individuellen
Mieterschutzes sein kann, sondern die angestammte Bevölkerung in den Erhaltungssatzungsgebieten vor Verdrängung schützen soll. Die Anwendung erfordert demnach eine potentielle Verdrängungsgefahr und dafür einen verdrängungsgefährdeten Personenkreis.
Auf Grund des Erfordernisses eines verdrängungsgefährdeten Personenkreises kommt eine weitgehende Anlehnung an die Bindungen des Konzeptionellen Mietwohnungsbaus („KMB“) nicht in Betracht. Die Ausgangssituation bei dem KMB unterscheidet sich wesentlich von der des § 172 BauGB, da im Rahmen des KMB der begünstigte Personenkreis wesentlich weiter gefasst ist und sich nicht am Milieu im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung orientiert.
Außerdem gibt es im KMB keine Einkommensgrenzen, an denen sich die Verpflichtungen in der Abwendungserklärung orientieren könnte.
Im Übrigen begegnen Auflagen zur Begrenzung der Miethöhe in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zum Vollzug der Erhaltungssatzungen stets Bedenken, wenn dadurch verhindert wird, dass die zur Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungsstandards aufgewendeten Modernisierungskosten im Rahmen des nach den mietrechtlichen Vorschriften Zulässigen nicht umgelegt werden können. Dieses Ergebnis wird vom Schutzzweck der Erhaltungssatzung nicht gedeckt. Eine Mietbegrenzung wäre daher nur gegen einen entsprechenden Ausgleich
möglich.
Das Kommunalreferat und das Sozialreferat suchen aber weiter nach einer Möglichkeit, wie eine Begrenzung der Miethöhe im Rahmen des Vorkaufsrechts umgesetzt werden kann.
Eine Bindung hinsichtlich der Miethöhe ist rechtlich voraussichtlich möglich, wenn sichergestellt ist, dass die Mietpreisbegrenzung nur dem geschützten Personenkreis zugute kommt und es sich entweder bei dem Maßstab um einen geeigneten Indikator für die Beschreibung der Gefahr eines Verdrängungsprozesses handelt oder für die entstehenden wirtschaftlichen Nachteile, die nach der Rechtsprechung vom Schutzzweck der Erhaltungssatzung nicht gedeckt werden (s. o.), eine Gegenleistungdurch einen finanziellen Ausgleich erfolgt, z. B. durch einen Zuschuss oder Förderbetrag.
Ein entsprechendes Modell könnte sich an den Vorschlag in dem Beschluss des Kommunalausschusses vom 25.9.2014 („Reprivatisierungspraxis in Erhaltungssatzungsgebieten“) zur (freiwillig) verlängerten Bindungsdauer bei Reprivatisierungsanwesen anlehnen, wobei dies eine deutlich ver- mehrte Ausübung des Vorkaufsrechts und damit auch einen erhöhten Finanz- und Personaleinsatz verursachen würde.
Die bisherigen Prüfungen haben jedoch ergeben, dass die vorhandenen Fördermodelle dafür nicht bzw. nur bedingt geeignet sind und eine eingehende Klärung der Sachlage erforderlich ist. Das Sozialreferat beabsichtigt daher die Behandlung dieses Themas im Rahmen und als
Bestandteil von „Wohnen in München VI“. Dabei soll in Zusammenarbeit mit dem Kommunalreferat, dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung und der Kämmerei geklärt werden, ob eine Förderung in Anlehnung an das „München-Modell“ möglich oder die Entwicklung eines neuen Fördermodells erforderlich ist. Die Entwicklung eines passenden neuen Fördermodells ist erst im Rahmen von „Wohnen in München VI“ möglich.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.