Aggressionen im sportlichen Umfeld?
Anfrage Stadträte Marian Offman und Mario Schmidbauer (CSU-Fraktion) vom 4.12.2012
Antwort Stadtschulrat Rainer Schweppe:
Wir nehmen Bezug auf Ihre Anfrage vom 4.12.2012. Die Verzögerung in der Behandlung bitte ich zu entschuldigen. Dies resultiert aus der Einbindung verschiedener Organisationen (Polizeidienststellen, Bayerischer Fußballverband, Stadtjugendamt, Bayerischer Landes-Sportverband, Deutscher Kinderschutzbund) und dem Wunsch, die Entwicklung über einen längeren Zeitraum zu beobachten und auszuwerten. Dies war auch unschädlich, da schon bei einer Erhebung im Jahr 2007 und in den ersten Gesprächen im Jahr 2012 erkennbar wurde, dass kein akuter Handlungsbedarf besteht.
Frage 1:
Werden im Referat für Bildung und Sport Erhebungen durchgeführt über aggressive und rassistische Übergriffe im sportlichen Umfeld und Münchner Sportvereinen?
Antwort:
Bereits im Jahr 2007 war das Referat für Bildung und Sport, Sportamt mit der o.g. Thematik befasst (s. Beschluss vom 2.10.2007). Es liegen dem RBS keinerlei eigene Erhebungen bzgl. o.g. Begebenheiten vor.
Frage 2:
Werden von den Sportvereinen solche Erhebungen durchgeführt und erfolgt zwischen den Sportvereinen und dem Referat für Bildung und Sport ein Informationsaustausch?
Antwort:
Sportvereine führen in der Regel keine eigenen Erhebungen zu etwaigen Vorkommnissen durch. Lediglich der Bayerische Fußballverband (BFV) erfasst mit Hilfe des Spielberichtsbogens den Verlauf und das Geschehen während eines Spiels.
Das Referat für Bildung und Sport, Sportamt befindet sich im regelmäßigen Austausch mit dem BFV.Frage 3:
Welche Informationen liegen im Referat für Bildung und Sport über aggressive und rassistische Übergriffe in Münchner Sportvereinen und im sportlichen Umfeld bereits vor?
Antwort:
In Anlehnung an die 2007 bereits gesammelten Erkenntnisse hat sich das RBS, Sportamt wiederum an verschiedene Ansprechpartner aufgrund ihrer Expertise und ihrer besonderen fachlichen Zuständigkeit gewandt, um die – aktuelle Situation zu erfassen:
-Polizeipräsidium München,
-Sozialreferat, Stadtjugendamt,
-Bayerischer Fußballverband,
-Münchner Sportjugend im Bayrischen Landes-Sportverband,
-Deutscher Kinderschutzbund, Landesverband Bayern e. V..
Das Polizeipräsidium München (Abteilung Einsatz E 2) hat eine Recherche im polizeilichen Vorgangsverwaltungs- und Einsatzleitsystem durchgeführt. Der Zeitraum wurde auf die Jahre 2010 bis Juli 2013 eingegrenzt. In diesem Zeitfenster wurden 67 Ermittlungsverfahren durchgeführt. Die Tatorte befanden sich in 28 Stadtvierteln. Da die Delikte auch von Angehörigen der Gastmannschaft verursacht sein können, lässt sich daraus nur bedingt eine Verantwortung der in den Vierteln ansässigen Vereine ableiten. Welche Heim- oder Gastvereine beteiligt sind, lässt sich aus dem polizeilichen System nicht recherchieren.
Die Polizei wurde in insgesamt 25 Fällen zur Unterstützung auf einen Sportplatz gerufen,
2010 7 Einsätze
2011 7 Einsätze
2012 8 Einsätze
2013 3 Einsätze.
Aus Sicht des Polizeipräsidiums ist – wie bereits in der Auswertung aus dem Jahre 2007 – festzustellen, dass es in München kein generelles Gewaltproblem in den unteren Spielklassen gibt. Die Anzahl der Einsätze und auch die Anzahl der angezeigten Straftaten bewegen sich angesichts der hohen Anzahl von Fußballspielen im Amateurbereich im unteren Feld.
Der Bayerische Fußballverband (Geschäftsstelle Bezirk Oberbayern) nennt auf der Basis der von den Schiedsrichtern angefertigten Spielberichte folgende Fallzahlen:Im Fußballkreis München wurden von den Sportgerichten im Herrenbereich bei knapp 5.000 Fußballspielen 11 Spielabbrüche bestätigt (0,22%) und 22 Tätlichkeiten gegen Schiedsrichter (0,44%). Im Jugendbereich lediglich eine einzige Tätlichkeit gegen den Schiedsrichter.
Der BFVbelegt mit seinen Fallzahlen, dass gewalttätige Übergriffe im Münchner Amateurfußball nach wie vor im Verhältnis zur Anzahl der Spiele die absolute Ausnahme sind.
Der Münchner Sportjugend imBayerischen Landessportverband liegen keine belastbaren Daten über die Entwicklung in den letzten Jahren vor. Von Grenzverletzungen und Übergriffen mit rassistischer, homophober oder sexualisierter Gewalt ist in den vergangenen Jahren eine erhöhte Sensibilisierung und größere Wahrnehmung in der Öffentlichkeit festzustellen.
Dem Sozialreferat/Stadtjugendamt ist ein Anstieg der Gewalttaten, die von jugendlichen Spielern selbst ausgeht, nicht bekannt.
Aus ihrer Sicht geht Gewalt im Umfeld von Jugendspielen in erster Linie von Zuschauern (auch Eltern), Funktionären, eventuell auch von Trainern aus und weniger von den jugendlichen Spielern. Ein Anstieg der Gewalttaten, die von jugendlichen Spielern selbst ausgeht, ist dem Stadtjugendamt jedoch nicht bekannt.
Frage 4:
Welche präventiven Maßnahmen werden ggf. vom Referat für Bildung und Sport gegen diese Übergriffe vorgenommen? Gibt es eine diesbezügliche Kooperation mit den Sportverbänden?
Antwort:
Die beteiligten Organisationen wurden gebeten, ihre aktuellen Konzepte und Methoden zur Gewaltprävention im Sport darzulegen.
Trotz der relativ geringen Fallzahlen nimmt das Polizeipräsidium München Gewalttaten in den unteren Spielklassen sehr ernst und beteiligt sich an allen Formen der Nachbereitung. Auf Präsidiumsebene besteht regelmäßiger Kontakt zum Referat für Bildung und Sport, Sportamt und zum Bayerischen Fußballverband. Auf örtlicher Ebene nimmt die Polizeiinspektion im Regelfall nach jedem besonderen Ereignis Kontakt mit den Verantwortlichen des betroffenen Vereins auf, um mit diesen zu beraten und gemeinsame Maßnahmen zu erörtern. Eineregelmäßige Präsenz der Polizei bei Spielen in den unteren Spielklassen ist bei keinem Verein erforderlich.
Der Bayerische Fußballverband bekennt sich klar gegen Gewalt, Rassismus, Intoleranz und Diskriminierung. Fußball ist kein wertefreier Sport. Er steht für Fairplay, Respekt, Gewaltfreiheit, Miteinander, Toleranz und Anerkennung. Deshalb verfolgt der BFV bei gewalttätigen Vorfällen eine Null-Toleranz-Politik. Sie ist die Basis für die sportgerichtliche Aufarbeitung aber auch für die präventiven Maßnahmen des Verbandes. Es gibt zahlreiche Aktionen des BFV wie die Anti-Rassismus-Kampagne, die Schiedsrichter-Aktion „Gemeinsam und Fair“ oder die Kampagne „Keine Gewalt im Jugendbereich“, die präventiv eingesetzt werden. Darüber hinaus vermitteln ausgebildete Konfliktmanager bayernweit bei schon vorhandenen Konflikten oder Vorfällen und versuchen so eine Eskalation oder die Wiederholung von Eskalationen zu verhindern.
Die Münchner Sportjugend führt Sozialtrainings zur Gewaltprävention für Münchner Schülerinnen und Schüler als ergänzendes Sport- und Gesprächsangebot zum sozialen Lernen an Grund-, Mittel- und
Förderschulen durch.
Eine der zentralen Aufgaben der Koordinationsstelle Sportsozialarbeit in der Münchner Sportjugend ist die sportartübergreifende Qualifizierung der Münchner JugendleiterInnen im Sport zur Stärkung der Handlungskompetenz auch in schwierigen Situationen.
Weitere präventive Maßnahmen des Bayerischen Landessportverbandes bzw. der Bayerischen Sportjugend und der Fachverbände sind z.B.: -die Aktion „Alkoholfrei Sport genießen“
-der Ju-Jutsu-Verband Bayern bietet seit einigen Jahren eine
sportartübergreifende Übungsleiter B-Lizenz „Gewaltprävention“ an, einige Seminare der MSJ werden hier als Lizenzverlängerungslehrgänge anerkannt.
Der Deutsche Kinderschutzbund Landesverband Bayern e.V. führt das Gewaltpräventionsprojekt „Gemeinsam sind wir stark“ durch. Das Schulungsangebot gibt Instrumente an die Hand, in kritischen Situationen souverän zu reagieren. Ziel der Schulungseinheiten ist es, Trainerinnen und Trainer für Konfliktpotenziale zu sensibilisieren und ihre Wahrnehmung zu schärfen, so dass sie sich ihrer Vorbildfunktion bewusst werden.
Das Sozialreferat/Stadtjugendamt hat in den letzten Jahren eine Vielzahl von Aktionen und Projekten im Umfeld der Jugendarbeit sowieder Jugendsozialarbeit durchgeführt, um im multikulturellen Miteinander FairPlay und Spaß an Spiel und Bewegung positiv zu verstärken. Zu nennen ist hier die Münchner Freizeit-Liga „bunt kickt gut“, „nightball“ (Öffnung von Turnhallen für Kids in 13 Stadtbezirken in den Abendstunden), diverse Sportprojekte und Bolzplatznutzungen im Umfeld der Münchner Freizeitstätten und das städtisch geförderte Fanprojekt (vgl. Beschluss Nr. 02-08/V 10586 von 2007).
Da im Sport viele Potenziale für das gesamtgesellschaftliche Ziel der Integration liegen, wurde vom Referat für Bildung und Sport, Sportamt und der Stelle für interkulturelle Arbeit gemeinsam mit der Münchner Sportjugend (MSJ) und dem Programm „Integration durch Sport“ im Bayerischen Landes-Sportverband (BLSV) die „Qualifizierungsoffensive zur interkulturellen Öffnung im organisierten Sport“ als Modellprojekt konzipiert und im Zeitraum von Mitte 2009 bis Ende 2011 mit zehn teilnehmenden Vereinen durchgeführt. Bestandteil dieses Konzeptes sind ebenso Maßnahmen zu Fair Play und Gewaltprävention.
Aus den Erkenntnissen des Modellprojektes wurde ein Beratungs- und Organisationsentwicklungsprogramm zur interkulturellen Sportvereinsentwicklung erarbeitet, welches seit 2014 dauerhaft angeboten wird. Der Kooperationsverbund bietet in diesem Zusammenhang allen weiteren Münchner Sportvereinen eine umfassende Beratung, fachliche Begleitung und praxisnahe Fortbildungen an.