Gewalt im Münchner Lokalfußball?
Anfrage Stadtrat Karl Richter (BIA) vom 26.11.2012
Antwort Stadtschulrat Rainer Schweppe:
Wir nehmen Bezug auf Ihre Anfrage vom 26.11.2012. Die Verzögerung in der Behandlung bitte ich zu entschuldigen. Dies resultiert aus der Einbindung verschiedener Organisationen (Polizeidienststellen, Bayerischer Fußballverband, Stadtjugendamt, Bayerischer Landes-Sportverband, Deutscher Kinderschutzbund) und dem Wunsch, die Entwicklung über einen längeren Zeitraum zu beobachten und auszuwerten. Dies war auch unschädlich, da schon bei einer Erhebung im Jahr 2007 und in den ersten Gesprächen im Jahr 2012 erkennbar wurde, dass kein akuter Handlungsbedarf besteht.
Frage 1:
Welche Informationen liegen dem Referat für Bildung und Sport über Gewalt im Münchner Lokal- und Amateurfußball vor? Welche Fallzahlen sind ggf. bekannt?
Antwort:
Bereits im Jahr 2007 war das Referat für Bildung und Sport, Sportamt mit der o.g. Thematik befasst (s. Beschluss vom 2.10.2007). Es liegen dem RBS keinerlei eigene Erhebungen bzgl. o.g. Begebenheiten vor. In Anlehnung an damalige Erkenntnisse hat sich das RBS, Sportamt wiederum an verschiedene Ansprechpartner aufgrund ihrer Expertise und ihrer besonderen fachlichen Zuständigkeit gewandt, um die aktuelle Situation zu erfassen.
Das Polizeipräsidium München (Abteilung Einsatz E 2) hat eine Recherche im polizeilichen Vorgangsverwaltungs- und Einsatzleitsystem durchgeführt. Der Zeitraum wurde auf die Jahre 2010 bis Juli 2013 eingegrenzt. In diesem Zeitfenster wurden 67 Ermittlungsverfahren durchgeführt. Die Tatorte befanden sich in 28 Stadtvierteln. Da die Delikte auch von Angehörigen der Gastmannschaft verursacht sein können, lässt sich daraus nur bedingt eine Verantwortung der in den Vierteln ansässigen Vereine ableiten. Welche Heim- oder Gastvereine beteiligt sind, lässt sich aus dem polizeilichen System nicht recherchieren.
Die Polizei wurde in insgesamt 25 Fällen zur Unterstützung auf einen Sportplatz gerufen,
2010 7 Einsätze
2011 7 Einsätze
2012 8 Einsätze
2013 3 Einsätze.Der Bayerische Fußballverband (Geschäftsstelle Bezirk Oberbayern) nennt auf der Basis der von den Schiedsrichtern angefertigten
Spielberichte folgende Fallzahlen:
Im Fußballkreis München wurden von den Sportgerichten im Herren- bereich bei knapp 5.000 Fußballspielen 11 Spielabbrüche bestätigt (0,22%) und 22 Tätlichkeiten gegen Schiedsrichter (0,44%). Im Jugendbereich lediglich eine einzige Tätlichkeit gegen den Schiedsrichter.
Der Münchner Sportjugend imBayrischen Landessportverband liegen keine belastbaren Daten über die Entwicklung in den letzten Jahren vor. Dem Sozialreferat/Stadtjugendamt ist ein Anstieg der Gewalttaten, die von jugendlichen Spielern selbst ausgeht nicht bekannt.
Frage 2:
Gibt es „Problemvereine“ im Münchner Lokalfußball, die besonders durch gewalttätige Begleiterscheinungen von Spielen auffällig sind?
Antwort:
Dem Referat für Bildung und Sport liegen keinerlei Hinweise zu möglichen „Problemvereinen“ vor.
Frage 3:
Inwieweit sind Personen mit „Migrationshintergrund“ entweder als Spieler oder Fans auch in München überdurchschnittlich häufig an Gewaltausbrüchen am Rande von Fußballspielen beteiligt?
Antwort:
Die These, das Gewalt auf bestimmte soziale Milieus bzw. Merkmale zurückzuführen ist, kann von allen angefragten Fachstellen nicht bestätigt werden.
Die Problematik einer gestiegenen Gewaltbereitschaft generell
in der Gesellschaft – körperlich und vor allem auch verbal – ist ein gesamtgesellschaftliches Problem.
Frage 4:
Welchen speziellen Beitrag leistet die Stadt ggf. gegen Gewalt auf dem Fußballrasen? Gibt es spezielle Programme oder wenigstens Broschüren, Infoblätter o.ä.?
Antwort:
Die beteiligten Organisationen wurden gebeten, ihre aktuellen Konzepte und Methoden zur Gewaltprävention im Sport darzulegen.
Trotz der relativ geringen Fallzahlen nimmt das Polizeipräsidium München Gewalttaten in den unteren Spielklassen sehr ernst und beteiligt sich an allen Formen der Nachbereitung. Auf Präsidiumsebene besteht regelmäßiger Kontakt zum Referat für Bildung und Sport, Sportamt und zum Bayrischen Fußballverband. Auf örtlicher Ebene nimmt die Polizeiinspektion im Regelfall nach jedem besonderen Ereignis Kontakt mit den Verantwortlichen des betroffenen Vereins auf, um mit diesen zu beraten und gemeinsame Maßnahmen zu erörtern. Eine regelmäßige Präsenz der Polizei bei Spielen in den unteren Spielklassen ist bei keinem Verein erforderlich.
Der Bayerische Fußballverband bekennt sich klar gegen Gewalt, Rassismus, Intoleranz und Diskriminierung. Fußball ist kein wertefreier Sport. Er steht für Fairplay, Respekt, Gewaltfreiheit, Miteinander, Toleranz und Anerkennung. Deshalb verfolgt der BFV bei gewalttätigen Vorfällen eine Null-Toleranz-Politik. Sie ist die Basis für die sportgerichtliche Auf- arbeitung aber auch für die präventiven Maßnahmen des Verbandes. Es gibt zahlreiche Aktionen des BFV wie die Anti-Rassismus-Kampagne, die Schiedsrichter-Aktion „Gemeinsam und Fair“ oder die Kampagne „Keine Gewalt im Jugendbereich“, die präventiv eingesetzt werden. Darüber hinaus vermitteln ausgebildete Konfliktmanager bayernweit bei schon vorhandenen Konflikten oder Vorfällen und versuchen so eine Eskalation oder die Wiederholung von Eskalationen zu verhindern.
Die Münchner Sportjugend führt Sozialtrainings zur Gewaltprävention für Münchner Schülerinnen und Schüler als ergänzendes Sport- und Gesprächsangebot zum sozialen Lernen an Grund-, Mittel- und Förder- schulen durch.
Eine der zentralen Aufgaben der Koordinationsstelle Sportsozialarbeit in der Münchner Sportjugend ist die sportartübergreifende Qualifizierung der Münchner JugendleiterInnen im Sport zur Stärkung der Handlungs- kompetenz auch in schwierigen Situationen.
Weitere präventive Maßnahmen des Bayrischen Landessportverbandes bzw. der Bayrischen Sportjugend und der Fachverbände sind z.B.:
die Aktion „Alkoholfrei Sport genießen“ der Ju-Jutsu-Verband Bayern bietet seit einigen Jahren eine sportartübergreifende Übungsleiter B-Lizenz „Gewaltprävention“ an, einige Seminare der MSJ werden hier als Lizenzverlängerungslehrgänge anerkannt.
Der Deutsche Kinderschutzbund Landesverband Bayern e.V. führt das Gewaltpräventionsprojekt „Gemeinsam sind wir stark“ durch. Das Schulungsangebot gibt Instrumente an die Hand, in kritischen Situationen souverän zu reagieren. Ziel der Schulungseinheiten ist es, Trainerinnen undTrainer für Konfliktpotenziale zu sensibilisieren und ihre Wahrnehmung zu schärfen, so dass sie sich ihrer Vorbildfunktion bewusst werden.
Das Sozialreferat/Stadtjugendamt hat in den letzten Jahren eine Vielzahl von Aktionen und Projekten im Umfeld der Jugendarbeit sowie der Jugendsozialarbeit den Sport methodisch aufgegriffen, um im
multikulturellen Miteinander FairPlay und Spaß an Spiel und Bewegung positiv zu verstärken.
Zu nennen ist hier die Münchner Freizeit-Liga „bunt kickt gut“, „nightball“ (Öffnung von Turnhallen für Kids in 13 Stadtbezirken in den Abendstunden), diverse Sportprojekte und Bolzplatznutzungen im Umfeld der Münchner Freizeitstätten und das städtisch geförderte Fanprojekt (vgl. Beschluss Nr. 02-08/V 10586 von 2007).
Vom Referat für Bildung und Sport, Sportamt und der Stelle für interkul- turelle Arbeit gemeinsam mit der Münchner Sportjugend (MSJ) und dem Programm „Integration durch Sport“ im Bayerischen Landes-Sportverband (BLSV) wurde die „Qualifizierungsoffensive zur interkulturellen Öffnung im organisierten Sport“ als Modellprojekt konzipiert und im Zeitraum von Mitte 2009 bis Ende 2011 mit zehn teilnehmenden Vereinen durchgeführt. Bestandteil dieses Konzeptes sind ebenso Maßnahmen zu Fair Play und Gewaltprävention.
Aus den Erkenntnissen des Modellprojektes wurde ein dauerhaftes
Beratungs- und Organisationsentwicklungsprogramm zur interkulturellen Vereinsentwicklung erarbeitet. Seit 2014 bietet der Kooperationsverbund in diesem Zusammenhang allen weiteren Münchner Sportvereinen eine umfassende Beratung, fachliche Begleitung und praxisnahe Fortbildungen an.