Sie sind ein Blickfang auf dem Westfriedhof: die beiden Glasmosaiken, die jetzt im nordöstlichen Teil an der Dachauer Straße stehen. Zirka 246.000 erdfarbene, schwarze, violette, blaue und grüne Smalten – das sind kleine Glassteine – schimmern im Tageslicht. Die Glasmosaiken sind Teil der Mosaikgärten – einer Urnengemeinschaftsanlage, die im ers- ten Bauabschnitt Platz für 1.600 Urnenplätze bieten wird. Gestern ist der erste von zwei Bauabschnitten von Joachim Lorenz, Referent für Gesundheit und Umwelt, nach über zweijähriger Planungs- und Bauzeit eröffnet worden. Gesegnet wurde die Anlage von Dekan Dr. Christoph Jahnel vom Evangelisch-Lutherischen Dekanat München und Dekan Wendelin Lechner, Pfarrverbandsleiter für die Katholische Gemeinde. Das Besondere an den Mosaikgärten: Die Besucherinnen und Besucher müssen sich nicht um die Grabpflege kümmern. Sie wird im Auftrag der Städtischen Friedhöfe München durchgeführt.
13 Steinmetzbetriebe, größtenteils Mitglieder der Innung München-Oberbayern, haben im Auftrag der Städtischen Friedhöfe München Stelen und Grabplatten handwerklich gestaltet. Verwendet wurden ausschließlich bayerische Natursteine. „Die Verwendung heimischer Steine trägt dem ethischen Anspruch, dem sich die Städtischen Friedhöfe München verschrieben haben, Rechnung. Wir bevorzugen Steine, die ohne ausbeuterische Kinderarbeit entstanden sind auf unseren Friedhöfen“, betonte Lorenz. „Die Schönheit der Mosaikgärten liegt damit nicht nur im künstlerischen, sondern auch im sozial-ethischen Detail.“
Gärtnerische Pflege der Mosaikgärten
Grabbepflanzung, Grabsteine und Grabpflege sind für die Münchner Bürgerinnen und Bürger bei allen Bestattungsplätzen in den Mosaikgärten inbegriffen. „Sie können sich einen bereits fertig angelegten und hochwertig gestalteten Grabplatz aussuchen“, sagte Lorenz. Das trägt auch der heutigen Friedhofs- und Bestattungskultur Rechnung. Bundesweit nehmen die Urnenbestattungen zu. In München liegt das Verhältnis inzwischen bei 62 Prozent Urnenbeisetzungen zu 38 Prozent Sargbestattungen. „Es werden aber nicht nur vermehrt Urnengräber nachgefragt, auch der Wunsch nach Gräbern, die von den Städtischen Friedhöfen München gepflegt werden, wird immer wieder geäußert“, so Lorenz. „Mit den Mosaikgärten begegnen wir den Wünschen der Münchnerinnen und Münchner. Die ersten Nachfragen für einen Grabkauf sind bereits schon vor der Eröffnung an uns herangetragen worden. „Acht Bestattungsarten werden in der Urnengemeinschaftsanlage angeboten, darunter sind 576 Bestattungsplätze unter Bäumen. Das Gelände ist liebevoll gestaltet und bepflanzt. Der zweite Bauabschnitt ist in den Grundzügen jetzt schon angelegt und wird nach Belegung der Gräber im ersten Bauabschnitt bei Bedarf eröffnet.
Glasmosaiken als Herzstück der Anlage
Herzstück der neuen Anlage sind die Mosaiken: mit zirka 246.000 Glassmalten wurden zwei Urnenwände und zwei Brunnen gestaltet. Über sieben Meter lang und jeweils zirka 150 Kilogramm schwer sind die Smalten der beiden Glasmosaiken an den Urnenwänden. Mehr als 100 von schwarz über braun ins Violette, Grüne und Blaue changierende Farbtöne wurden verarbeitet und in Handarbeit in Mosaik- und Glaswerkstätten Gustav van Treeckk nach einem Entwurf des Münchner Künstlers Christoph Brech zusammengesetzt. Die Smalten stammen aus Venedig, wo das Glas in Handarbeit hergestellt und gebrochen wird. Lediglich einen Zentimeter lang und breit sind die Einzelteile, die über Wochen hinweg zum Gesamtbild gelegt worden sind. Das Motiv: eine Brücke. „Für einen Friedhof ein eindrückliches Symbol – für den Übergang von Leben zu Tod, zur Überbrückung von Schmerz und Trauer und als Weg zu neuer Hoffnung“, meint Lorenz. Mit dem Material Glas hat der Künstler Christoph Brech bereits gearbeitet, es sind aber seine beiden ersten Mosaiken. Eigentlich befasst sich Brech mit Videokunst, Fotografie und Installation. Grundlage des Motivs ist denn auch ein von Brech in Florenz gefilmtes Video. Es zeigt die Spiegelung der Ponte alla Caraia im Arno. Anfangs, wegen der durch Strömung und Wind aufgerauten Wasseroberfläche eher abstrahiert, im Verlauf des Videos jedoch immer klarer und deutlicher werdend. Zwei Stills aus diesem Video dienen als Vorlage für die Mosaiken. „Wenn man Video-Stills vergrößert sieht man die Pixel aus denen die digitalen Bilder zusammengesetzt sind. Mosaiken und Video-Stills haben also einen verwandten Bildaufbau. Das Still kann 1:1 in Glassmalten übertragen werden“ so der Künstler. „Für mich war es besonders reizvoll, das ephemere Material des Video-Films in eine Technik zu übersetzen, die bereits seit dem 5. Jahrhundert vor Christus angewandt wird.“
Finanziert werden die Glasmosaike aus einer Erbschaft zugunsten der Gestaltung des Westfriedhofs. Die Gesamtkosten der Anlage belaufen sich in etwa auf 1,2 Millionen Euro. Ein Grab in den Mosaikgärten kann für mindestens 15 Jahre erworben werden. Die Gebühren liegen zwischen 79,50 und 283,50 Euro jährlich je nach Grabart. Der Graberwerb kann voraussichtlich ab Mitte Juni starten. Mit immer wieder kurzfristigen Sperrungen der Mosaikgärten muss für den Grundausbau des zweiten Bauabschnittes noch bis Ende Juni 2015 gerechnet werden.
Über den Westfriedhof
Der Westfriedhof ist rund 50 Hektar groß. Nach der Eröffnung 1900 erfolgte 1902 die komplette Fertigstellung. Stadtbaurat Hans Grässel legte beim Bau des Westfriedhofs großen Wert auf die harmonische Gestaltung der heute denkmalgeschützten Friedhofsgebäude – sie sollten sich in die Gesamtanlage des Friedhofs einfügen. Lorenz: „Ich bin mir sicher, die Erweiterung des Westfriedhofs um die Mosaikgärten ist im Sinne Grässels.“