Interkulturelle Öffnung der Jobcenter
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Cetin Oraner und Brigitte Wolf (Die Linke) vom 16.4.2015
Antwort Sozialreferentin Brigitte Meier:
In Ihrer Anfrage vom 16.4.2015 führen Sie Folgendes aus:
„In letzter Zeit häufen sich die Beschwerden, dass die Jobcenter Men- schen auf Grund fehlender Deutsch-Kenntnissen eine Antragstellung auf SGB-Leistungen verwehrt. Dies widerspricht jedoch verschiedenen Anti- Diskriminierungsvorgaben der Stadt und ist auch mit der Rechtslage nicht zu vereinbaren.“
Zu Ihrer Anfrage vom 16.4.2015 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
Gibt es Menschen, denen die Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II in München verwehrt wird, weil sie nicht Deutsch sprechen?
Antwort:
Das Jobcenter München verwehrt keiner Bürgerin und keinem Bürger die Antragstellung. Jede Person, unabhängig von ihrer Herkunft und ihren Deutschkenntnissen, kann einen Antrag auf Leistungen nach
dem zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) stellen. Für bestimmte Personen ausländischer Herkunft besteht jedoch ein Ausschluss von SGB II-Leistungen. Grundsätzlich sind alle Personen ausländischer Herkunft innerhalb der ersten 3 Monate nach ihrer Einreise vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Ausnahmen gibt es zum Beispiel für erwerbstätige und selbständige Personen oder wenn diese einen Aufenthaltsstatus aus humanitären Gründen haben.
Frage 2:
Werden Menschen aus anderen Ländern der Europäischen Union auch Antragsformulare in den jeweiligen Sprachen der Antragsteller ausgehändigt?
Antwort:
Das Antragsformular ist nur in deutscher Sprache verfügbar. Es stehen jedoch Ausfüllhinweise in 14 Sprachen (Englisch, Französisch, Türkisch, Arabisch, Griechisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Polnisch,Rumänisch, Serbisch, Kroatisch, Russisch, Bulgarisch) zur Verfügung, die bei Bedarf ausgehändigt werden.
Aus Sicht der Stelle für interkulturelle Arbeit ist es nicht sinnvoll, Antrags- formulare in anderen Sprachen als in Deutsch auszuhändigen.
Generell gilt für Übersetzungen, dass ein klar und einfach formulierter deutscher Text die bessere Alternative zur aufwendigen Übersetzung ist. Übersetzte Formulare führen dazu, dass die Antworten in der jeweiligen Muttersprache eingefügt werden. Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter müssten dann in der Lage sein, die in einer anderen als der deutschen Sprache ausgefüllten Formulare zu lesen und zu übersetzen.
Zudem erschließen sich Fachtermini – beispielsweise „unterhaltsver- pflichteter Angehöriger“ – nicht (immer) durch eine Übersetzung, da es die Systematik des deutschen Angebotes und Unterstützungssystems in anderen Ländern nicht oder in anderer Form gibt und daher die jeweiligen Fachbegriffe oftmals nicht existieren. Ein Beiblatt, das die erfragten Sachverhalte so verständlich und einfach wie möglich formuliert, ist sinnvoller.
Frage 3:
Werden die Möglichkeiten der Nutzung der Übersetzer der Landes- hauptstadt auch in den Jobcentern genutzt und bei Bedarf auch bei Neuanträgen sofort angefragt?
Antwort:
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jobcenters können entweder auf die Sprachmittlerinnen und Sprachmittler des Amtes für Wohnen und Migration oder auf die Dolmetscherinnen und Dolmetscher des Zentrums für Transkulturelle Medizin zurückgreifen. Bei Neuanträgen werden die Sprachmittlerinnen und Sprachmittler in Anspruch genommen.
Soweit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst über eine entsprechende Fremdsprache verfügen, nutzen sie diese auch im Beratungsgespräch. Häufig bringen die ausländischen Bürgerinnen und Bürger jedoch eine eigene Dolmetscherin bzw. einen eigenen Dolmetscher aus dem Familien- oder Bekanntenkreis mit.
Für den Einsatz der Sprachmittlerinnen und Sprachmittler bzw. Dolmet- scherinnen und Dolmetscher gilt die Dienstanweisung, in der geregelt ist, wann diese eingesetzt werden, worauf beim Dolmetschen zu achten ist und wie die Leistungen abgerechnet werden.
Mit dem Dolmetscherdienst des Zentrums für Transkulturelle Medizinbesteht ein Rahmenvertrag mit dem Sozialreferat. Die Leistungen werden dem Jobcenter in Rechnung gestellt.
Frage 4:
Wie läuft das Verfahren der Antragstellung bei Menschen ohne festen Wohnsitz?
Antwort:
Für Menschen ohne festen Wohnsitz ist in München die Zentrale
Wohnungslosenhilfe (ZEW) zuständig. Die Antragstellung für
Hilfen zum Lebensunterhalt unterscheidet sich nicht von der in den Sozialbürgerhäusern. Es besteht eine enge Zusammenarbeit mit dem Amt für Wohnen und Migration, da dies für die ggf. notwendige Zuweisung von Pensionszimmern oder anderen Unterkünften notwendig ist. Die Integrationsfachkräfte und die Leistungssachbearbeitung arbeiten ausschließlich mit Terminvereinbarung. Kundinnen und Kunden,
die bereits betreut werden, können sich auch ohne Termin an den Bearbeitungsservice ähnlich den Eingangszonen der Sozialbürgerhäuser wenden.
Frage 5:
Wie ist der aktuelle Stand der Besetzung der beschlossenen Poolstellen für das Jobcenter?
Antwort:
Eine Anfrage am 23.4.2015 beim Jobcenter München ergab, dass
der Personalpool in der Leistungssachbearbeitung aktuell mit 23
Vollzeitäquivalenten (VZÄ) besetzt ist, vorausschauend zum 1.7.2015 aber die beschlossene Höchstausstattung von 30 VZÄ erreichen wird.
Frage 6:
Wie sieht die aktuelle Stellen-Fall-Relation in den einzelnen Sozialbürger- häusern bei der Sachbearbeitung aus?
Antwort:
Nach Information aus der Trägerversammlung des Jobcenter München vom 17.4.2015 liegt die Fallzahl in der Leistungssachbearbeitung zum 1.4.2015 gemäß den einschlägigen Vorgaben der Kooperationsvereinbarung, unter Zugrundelegung von 40.374 Bedarfsgemeinschaften, bei 1:106 (Durchschnitt Jobcenter gesamt). Die tatsächliche Fallzahl liegt höher, da in die Berechnung Einheiten wie beispielsweise die Unterhaltsbearbeitung oder die Eingangszonen eingerechnet werden.