Umgang mit Wildtieren im Zirkus
Anfrage Stadträtinnen Verena Dietl, Bettina Messinger und Beatrix Zurek (SPD-Fraktion) vom 18.4.2016
Antwort Oberbürgermeister Dieter Reiter:
Auf Ihre Anfrage vom 18.4.2016 nehme ich Bezug. Für die Beantwortung Ihrer Anfrage war die Einholung von Stellungnahmen verschiedener Referate erforderlich. Um sämtliche Stellungnahmen berücksichtigen zu können, haben Sie zwei Mal die von D-R beantragte Verlängerung der geschäftsordnungsgemäßen Beantwortungsfrist genehmigt. Dafür bedanke ich mich.
In Ihrer Anfrage haben Sie folgenden Sachverhalt vorausgeschickt:
„Mit einer Entschließung bittet der Bundesrat erneut die Bundesregierung, eine Verordnung zu erarbeiten, dass Affen, Elefanten, Großbären, Giraffen, Nashörner und Flusspferde künftig nicht mehr im Zirkus zur Schau gestellt werden dürfen. Des Weiteren möchte er Übergangsfristen sowie feste Quartiere regeln und Anforderungen an die Haltung solcher Tiere aufstel- len, für die das Verbot nicht gelte.
Der Bundesrat stellt zu Recht fest: ‚Es hat sich nicht zuletzt auf Grund von Vorkommnissen aus dem letzten Jahr um die Haltung eines Zirkuselefan- ten und Bären gezeigt, dass es beim Zurschaustellen von Elefanten, Bären und anderen großen Wildtieren an wechselnden Orten nicht nur gehäuft zu Verstößen kommt, sondern dass die aktuellen Erkenntnisse erneut deut- lich gemacht haben, dass Tiere dieser Tierarten auch bei einer Haltung, wie sie etwa durch die Zirkusleitlinien vorgeschrieben sind, erhebliche Schäden entwickeln, die sich in chronischen (organischen) Erkrankungen z.B. des Skelettsystems zeigen und dass die Tiere darüber hinaus erhebliche Lei- den aufweisen, die sich in gravierenderen Verhaltensstörungen äußern. Im reisenden Gewerbe gibt es keine Alternativen, die geeignet sind, die fest- gestellten erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden der Tiere bei der Haltung und beim Transport wirksam zu beheben.‘ (Bundesrat Drucksache 78/16 vom 18.3.2016)
In 18 EU-Ländern ist die Haltung von Wildtieren im Zirkus entweder ganz verboten oder nur stark eingeschränkt zulässig. Verboten ist sie zum Bei- spiel in Österreich, Belgien oder auch Griechenland. In Bayern hat z.B. Für- stenfeldbruck und Erlangen beschlossen, an Zirkusse mit Wildtieren keine städtischen Plätze zu vermieten.Bereits im Januar 2011 hat der Münchner Stadtrat beschlossen, dass bei Anmietung städtischer Flächen durch Zirkusunternehmen Platzüberlas- sungsverträge nur unter der Voraussetzung des Verzichts auf Wildtierauf- führungen geschlossen werden.“
Sie bitten um eine Darstellung, wie dieser Stadtratsbeschluss gewirkt hat.
Dazu kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Die Rechtsabteilung des Direktoriums hat bei den mit der Platzvergabe bzw. der Platzvermietung an Zirkusse befassten städtischen Referaten folgende Stellungnahmen eingeholt:
1. Stellungnahme des Kreisverwaltungsreferats
a) Allgemeine Voraussetzungen:
Grundsätzlich muss jeder Betrieb, der Tiere gewerbsmäßig zur Schau stellt, im Besitz einer Erlaubnis nach § 11 Tierschutzgesetz (TierSchG) sein. Diese ist einem Unternehmen zu erteilen, wenn alle Voraussetzungen, die im § 11 gefordert sind, erfüllt werden. Der Behörde steht hier kein Ermessensspielraum zur Verfügung. Ein Ausschluss bestimmter Tierarten ist durch § 11 TierSchG grundsätzlich nicht vorgesehen, es sei denn, die geforderten Haltungsvoraussetzungen sind nicht gegeben oder die verantwortlichen Personen sind nicht sachkundig bzw. zuverlässig.
Im Regelfall wird die Erlaubnis von der Behörde erteilt, wo sich der Betriebssitz des Unternehmens befindet. Sobald ein Gastzirkus eine Veranstaltung auf dem Gebiet der Landeshauptstadt anmeldet, wird er gebeten, vorab die gültige Erlaubnis vorzulegen. Die Kontrolle des Betriebes erfolgt auch auf Grundlage dieser.
Sofern keine oder eine ungültige Erlaubnis (z.B. verfristet) vorgelegt wird, ist vor Ort durch das Veterinäramt zu prüfen, inwiefern dem Zirkus eine befristete (für die Dauer des Gastspiels) Erlaubnis mit Auflagen zur Tierhaltung erteilt werden kann.
Im Fall, dass eine Erlaubnis als unzureichend erachtet wird, können ggf. zusätzliche Auflagen im Rahmen einer Anordnung erlassen werden.
Werden bei Kontrollen Mängel bzw. Verstöße festgestellt, hat das Kreisverwaltungsreferat die Möglichkeit, Belehrungen oder in gravierenderen Fällen Anordnungen (z.B. Auflagen, Untersagungen, Wegnahmen etc.) auszusprechen, um diese unverzüglich abzustellen. Zudem können Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren eingeleitet werden.In Bayern ist zudem eine sicherheitsrechtliche Erlaubnis nach dem Landesstraf- und Verordnungsgesetz notwendig, sofern gefährliche Tiere einer wildlebenden Art gehalten werden. Zur Orientierung, welche Tiere darunter fallen, gibt es eine Beispielliste vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz.
Zirkusse, die ihren Betriebssitz in München bzw. Bayern haben, müssen grundsätzlich im Besitz einer solchen Erlaubnis sein. Zirkussen aus anderen Bundesländern ist – sofern die Voraussetzungen vorliegen – eine befristete Erlaubnis (für die Dauer des Gastspiels in Bayern) zu erteilen. Die Erlaubnis wird im Regelfall mit Auflagen (z.B. sichere Verwahrung; Kontaktverbot zu unberechtigten Dritten etc.) versehen.
Mängeln bzw. Verstößen kann ebenfalls mit o.g. Maßnahmen begegnet werden.
b) Zulassung von Zirkussen auf städtischen Grünflächen
Das Kreisverwaltungsreferat ist außerdem zuständig für die Überlassung von Standplätzen an Gastzirkusse auf städtischen Grünflächen. Es erteilt dafür eine Ausnahmegenehmigung nach § 2 Abs. 2, § 3 Abs. 1 der städtischen Grünanlagensatzung. Üblicherweise werden auf den vorgesehenen Flächen pro Jahr zwei Zirkusse zugelassen, um die Böden nicht übermäßig zu beanspruchen.
c) Genehmigung von Gastspielen auf privaten Flächen, die nicht im Eigentum der LHM stehen
Mietet ein Zirkusbetrieb eine private Fläche an, so hat er sich die Veranstaltung von der LHM als Gastspiel-Kommune genehmigen zu lassen bzw. muss die Veranstaltung dort anzeigen.
d) Resümee
In der Praxis hat sich gezeigt, dass ein Teil der Gastzirkusse keine aktuelle bzw. nur eine unzureichende (z.B. keine Auflagen zur Tierhaltung) tierschutzrechtliche Erlaubnis besitzen und auch (länderbedingt) über keine sicherheitsrechtliche Erlaubnis verfügen. Ist dies der Fall, so werden, wie im Allgemeinen Teil bereits beschrieben, die rechtlichen Maßnahmen veranlasst. Die Einhaltung der Erlaubnisvorgaben wird vom Veterinäramt kontrolliert. Die Kontrollen finden grundsätzlich unangekündigt statt.
Wie viele Zirkusse insgesamt (sei es auf privaten Flächen Dritter oder sei es auf städtischen öffentlich-rechtlich gewidmeten Grünflächen) Wildtiere im Sinne des ‚Heidelberger Modells‘ mit sich geführt haben, kann nicht gesagt werden, da entsprechende Daten nicht erhoben worden sind; (hinsichtlich der fiskalischen städtischen Flächen siehe die nachfolgende Stellungnahme des Kommunalreferates).2. Stellungnahme des Kommunalreferats
Im Kommunalreferat wird bei der Vermietung an Zirkusse folgende Vorgehensweise verfolgt:
Bei jeder Zirkusvermietung wird beim jeweiligen Mietinteressenten die konkrete Nutzung abgefragt und als Mietzweck im Vertrag festgehalten.
Sofern die Vermietung mit Zweck eines Zirkusbetriebs mit Wildtieren geplant ist, findet grundsätzlich keine Vermietung statt. Nach Abschluss eines Platzüberlassungsvertrags meldet das Kommunalreferat die Information an das Kreisverwaltungsreferat zur weiteren Überprüfung.
Eine Grundstücksüberlassung an Kleinzirkusse findet derzeit nur in wenigen Fällen statt.
In einem Fall wurde 2014 und 2016 einer Vermietung an einen Zirkus mit Wildtieren zugestimmt. 2014 erfolgte die Vermietung nach vorheriger positiver Abstimmung mit dem Kreisverwaltungsreferat hinsichtlich amtstierärztlicher und tierschutzrechtlicher Belange und 2016, weil eine kurzfristige Absage den Zirkus unter Umständen in eine existenzbedrohende Notlage gebracht hätte. So hat der Zirkus jedenfalls gegenüber den Bürgermeisterbüros argumentiert, die sich daraufhin für die Vermietung ausgesprochen haben.
Künftig wird eine Vermietung an den betreffenden Zirkus nicht mehr genehmigt werden, zumal dieser in seiner Werbung ausdrücklich auf die mitgeführten Wildtiere verweist.
3. Stellungnahme des Referats für Arbeit und Wirtschaft
Das Referat für Arbeit und Wirtschaft ist für die Vergabe von Standplätzen für Zirkusse auf der Theresienwiese zuständig. Diese Vergabe wird dem Stadtrat jährlich bekannt gegeben oder von ihm beschlossen. Seit 2011 hat auf der Theresienwiese zwei Mal der Circus Krone gastiert (2011 und 2015), dem nach Rechtsmeinung des Direktoriums-Rechtsabteilung die Platzüberlassung nicht zu versagen war. Die Gastspiele wurden von den für das Tierwohl zuständigen städtischen Dienststellen geprüft. Einmal gastierte der Cirque du Soleil, der keine Tiere im Programm hat.
4. Baureferat
Das Baureferat hat mitgeteilt, dass es dort keine Zuständigkeit im Zusammenhang mit Wildtieren in Zirkussen gibt.