Pädagogik vor Vergaberecht
Antrag Stadtrats-Mitglieder Gülseren Demirel, Jutta Koller und Oswald Utz (Fraktion Die Grünen/Rosa Liste) vom 29.4.2015
Antwort Bürgermeisterin Christine Strobl:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, weshalb eine beschlussmäßige Behandlung im Stadtrat rechtlich nicht möglich ist.
Sie beantragen für die städtischen Kinderheime jeweils ein Budget für Kleinanschaffungen, über welches das jeweilige Heim selbstständig verfügen kann. Nach der Begründung des Stadtratsantrages ließe die bei der Stadt übliche Vergabepraxis hierfür keinen Spielraum.
Zu Ihrem Antrag vom 29.04.2015 teile ich Ihnen Folgendes mit:
Die Stadt ist als öffentlicher Auftraggeber verpflichtet, das Vergaberecht anzuwenden. Die Rechtsabteilung des Direktoriums hat daher geprüft, ob die städtischen Kinder- und Jugendheime, nämlich die drei Stiftungsheime Münchner Waisenhaus, Münchner-Kindl-Heim und Marie-Mattfeld-Haus sowie der stadteigene Jugendhilfeverbund Just M ebenfalls Adressaten des Vergaberechts sind.
Bei der „Waisenhausstiftung München“ handelt es sich um eine rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts, die gemeinnützige und mildtätige Zwecke durch den Betrieb und die Unterhaltung des Waisenhauses in München verfolgt. Die Stadt verwaltet und vertritt die Waisenhausstiftung nach den Vorschriften des Bayerischen Stiftungsgesetzes, der Gemeindeordnung und den sonstigen Verwaltungsvorschriften, u. a. nach den Vorschriften über die Gemeindewirtschaft. Die Waisenhausstiftung ist als juristische Person des öffentlichen Rechts öffentlicher Auftraggeber und daher bei der Vergabe von Aufträgen und dem Abschluss von Verträgen an die Vergabegrundsätze und das Vergaberecht gebunden. Die Stiftungsaufsicht wird von der Regierung von Oberbayern wahrgenommen.
Bei der „Münchner-Kindl-Heim-Stiftung“ handelt es sich um eine rechtlich unselbstständige Stiftung, die gemeinnützige und mildtätige Zwecke durch den Betrieb und die Unterhaltung des Münchner-Kindl-Heims in Münchenverfolgt. Nach der Stiftungssatzung wird die Münchner-Kindl-Heim-Stiftung von der Stadt nach den kommunalrechtlichen Vorschriften verwaltet und vertreten. Die Münchner-Kindl-Heim-Stiftung ist ein rechtlich unselbstständiges Sondervermögen der Stadt. Beschaffungstätigkeiten werden somit nicht von der Stiftung, sondern von der Stadt, durchgeführt.
Die „Marie-Mattfeld-Hänsel- und Gretlheim-Stiftung“ ist eine nicht rechtsfähige, öffentliche Stiftung. Stiftungszweck ist die Förderung der Kinder- und Jugendhilfe. Die Marie-Mattfeld-Hänsel- und Gretlheim-Stiftung betreibt das Kinderheim Marie-Mattfeld-Haus in Oberammergau. Auch die Marie-Mattfeld-Hänsel- und Gretlheim-Stiftung ist ein rechtlich unselbstständiges Sondervermögen der Stadt. Beschaffungstätigkeiten werden daher von der Stadt, nicht von der Stiftung, durchgeführt.
Der stadteigene Jugendhilfeverbund „Just M“ ist ein Teil der Stadtverwaltung, also eine ihrer Dienststellen. Beschaffungstätigkeiten werden deshalb von der Stadt durchgeführt.
Im Ergebnis hat die rechtliche Prüfung gezeigt, dass die drei Stiftungsheime Münchner Waisenhaus, Münchner-Kindl-Heim und Marie-Matt-
feld-Haus sowie der stadteigene Jugendhilfeverbund Just M bei Beschaffungstätigkeiten das Vergaberecht beachten müssen.
Das Vergaberecht bietet der Stadt die Möglichkeit, Rahmenverträge abzuschließen. Rahmenverträge decken den Allgemeinbedarf der Dienststellen und bieten für die Bedarfsstellen den Vorteil, dass sie unmittelbar bei den Vertragspartnern Leistungen abrufen können. Liegt für den benötigten Bedarf kein Rahmenvertrag vor, kann die Dienststelle in eigener Zuständigkeit, bzw. über eine der städtischen Vergabestellen, unter Beachtung des Vergaberechts, die Beschaffung durchführen.
Für Kleinanschaffungen, also Beschaffung mit einem geringen Auftragswert, gelten vereinfachte Verfahrensvorschriften. Die Dienststelle macht lediglich einen formlosen Preisvergleich. Die Einholung von Angeboten entfällt. Die Wertgrenze für Beschaffungen mit einem geringen Auftragswert beträgt 2.000 Euro (ohne Mehrwertsteuer). Bei Beschaffungen bis zu einem Auftragswert von 500 Euro (ohne Mehrwertsteuer) entfällt auch der Preisvergleich, wenn an der Dienststelle Marktkenntnis vorhanden ist (Direktkauf).
Die Bedarfsfestlegung liegt bei den Bedarfsstellen. Will ein städtisches Kinder- und Jugendheim oder der stadteigene Jugendhilfeverbund z. B. einSofa kaufen, können bei der Festlegung von Größe, Funktion, Farbe, Material, Ausführung etc. die Kinder und Jugendlichen einbezogen werden.
Welche Verfahrensvorschriften bei der Beschaffung des Sofas einzuhalten sind, richtet sich nach dem geschätzten Auftragswert. Bleibt der Preis des Sofas unter 2.000 Euro (ohne Mehrwertsteuer), ist ein formloser Preisvergleich ausreichend. Rahmenverträge für Sofas hat die Stadt nicht abgeschlossen.
Insofern bestehen bereits heute Spielräume, sowohl in vergaberechtlicher als auch in pädagogischer bzw. gestalterischer Sicht.
Von den vorstehenden Ausführungen bitte ich Kenntnis zu nehmen und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.