Weitere Messstellen für Stickstoffdioxid an stark befahrenen Straßen in Wohngebieten aufstellen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner, Katrin Habenschaden, Anna Hanusch, Sabine Nallinger und Dr. Florian Roth (Fraktion Die Grünen/Rosa Liste) vom 2.3.2017
Antwort Stephanie Jacobs, Referentin für Gesundheit und Umwelt:
Mit Schreiben vom 2.3.2017 haben Sie den folgenden Antrag gestellt, der im Auftrag des Oberbürgermeisters dem Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) zur Bearbeitung zugeleitet worden ist:
„Die Landeshauptstadt München stellt in Absprache mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt weitere Messstationen für Stickstoffdioxid an stark befahrenen Straßen in Wohngebieten – wie etwa an der Rosenheimer Straße – auf und führt Messungen durch, die den Anforderungen der 39. BImSchV entsprechen.“
Der Inhalt des Antrags betrifft eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt.
Einleitend darf ich auf die grundlegenden Ausführungen zu Luftschadstoffmessungen in meinem Schreiben vom 20.2.2017 zur Beantwortung Ihres Antrags „Solide Stickstoffdioxid-Messungen in München durchführen“ (Antrag Nr. 14-20/A 02520) verweisen.
Im vorliegenden Antrag fordern Sie, u.a. im Hinblick auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes BayVGH) vom 27.2.2017, ein vollständiges Straßenverzeichnis mit Überschreitungen des NO2-Grenzwertes vorzulegen, weitere Messstellen zu installieren. Mit diesem Beschluss wurde der Freistaat u.a. verpflichtet, ein solches Straßenverzeichnis bis 29.6.2017 zu veröffentlichen.
Zuständig für die Erfassung der Luftschadstoffbelastung ist in Bayern das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU). Dieses führt im Rahmen des bayernweiten Messnetzes LÜB (Lufthygienischen Landesüberwachungssystem Bayern) in München derzeit an fünf kontinuierlich registrierenden Stationen Messungen der Konzentrationen relevanter Luftschadstoffe in der für die Beurteilung gemäß der 39. BImSchV erforderlichen Datenqualität durch. Diese Messstationen befinden sich in Johanneskirchen, an der Landshuter Allee, an der Lothstraße, am Stachus und in Allach. Die Messergebnisse werden aktuell im Internet veröffentlicht.Das LfU ist bei der Einrichtung von fest installierten Messstellen an die untere Grenze des rechtlich Erforderlichen gegangen. Diese Thematik wurde ausführlich bei der Behandlung des Antrags Nr. 08-14/A 01099 der Stadtratsfraktion DIE GRÜNEN/RL „Neuer Standort für die Messstelle am Luise-Kiesselbach-Platz“ im Beschluss der Vollversammlung des Stadtrates vom 28.7.2010 (Sitzungsvorlage Nr. 08-14/V 04492) erörtert. In dieser Beschlussvorlage wurde u.a. über die Umsetzung des LÜB-Konzeptes in München berichtet. Dabei wurde auch ausgeführt, dass für Anschaffung und Einrichtung einer Messstation einmalige Kosten von ca. 120.000 Euro und für den Betrieb jährliche Kosten (ohne Personalkosten) von ca. 10.000 Euro anfallen.
Das RGU hat darüber hinaus das LfU um Stellungnahme zum Antrag Nr. 14-20/A 02929 gebeten. Das LfU vertritt bisher die Haltung, dass nur in speziellen, von übergeordnetem fachlichen Interesse oder bei Spezialfällen Messungen auf Wunsch von Kommunen durchgeführt werden. Beispiel dafür ist die Untersuchung der räumlichen Verteilung der NOx-Belastung im Umfeld von vorhandenen, hochbelasteten Luftmessstationen, bei der u.a. im Bereich der Station Landshuter Allee ergänzende Messungen in anderen Bereichen der Landshuter Allee sowie in der Schlör- und Blutenburgstraße durchgeführt wurden.
Sollte sich aus der neuerlichen Abfrage eine veränderte Bewertung in dieser Frage durch das LfU ergeben, wird der Stadtrat im Wege der Beschlussfassung zum Luftreinhalteplan informiert werden.
Der Auftrag des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (BayVGH) aus seinem Beschluss vom 27.2.2017, ein vollständiges Straßenverzeichnis mit Überschreitungen des NO2-Grenzwertes vorzulegen, kann nicht allein durch Messungen, sondern nur über Modellberechnungen erfüllt werden. In der ersten Maßnahme der sechsten Fortschreibung des Luftreinhalteplans ist die Vergabe eines Gutachtens vorgesehen, das die rechtlichen, verkehrstechnisch und räumlich möglichen Maßnahmen zur Verkehrslenkung und Verkehrssteuerung sowie deren praktische Umsetzbarkeit und die lufthygienische Wirkung insbesondere auf die NO2-Belastung prüfen soll. Im Rahmen dieses im Auftrag des Freistaat Bayern vom LfU vergebenen Gutachtens ist auch die Erstellung eines Straßenverzeichnisses bzw. einer Karte mit Überschreitungen des NO2-Grenzwerts in München enthalten. Dieses Verzeichnis bzw. diese Karte wird ein aktuelles Bild über die Stickstoffdioxidbelastung an den Hauptverkehrsachsen im gesamten Stadtgebiet geben. Die entsprechenden Ergebnisse wurden bisher vom Freistaat Bayern noch nicht veröffentlicht (Stand 10. Juli 2017).Nach Informationen des LfU beruhen die Ergebnisse der beauftragten Karte auf Modellberechnungen, die wiederum auf den Messergebnissen der fünf Münchner LÜB-Stationen des Bayerischen Landesamts für Umwelt, neuesten zur Verfügung stehenden Verkehrszahlen im Stadtgebiet sowie auf dem „Handbuch Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs“ (HBEFA) basieren. Mit einer solchen bundesweit üblichen und fachlich sowie rechtlich anerkannten Modellberechnung ist es möglich, Aussagen zur Luftqualität im gesamten städtischen Straßennetz zu gewinnen.
Vor dem Hintergrund des „Diesel-Skandals“ und der Erkenntnis, dass Diesel-Fahrzeuge mancher Hersteller im realen Fahrbetrieb deutlich mehr Stickstoffdioxid emittieren, wurde im April 2017 eine neue Version des HBEFA (3.3) veröffentlicht. Das vom LfU vergebene Berechnungsmodell für München wurde auf Basis des damaligen Stands der Technik der inzwischen überholten Version 3.2 des HBEFA erstellt. Auch wenn in das beauftragte Berechnungsmodell laut LfU ein korrigierender Faktor einberechnet wurde, so bleibt eine Unschärfe zur real bestehenden Luftsituation auf Münchens Straßen zu vermuten.
Aufgrund der Unschärfen der Modellberechnungen, u.a. wegen der Emissionen der Kfz im realen Fahrbetrieb, aber auch um als Landeshauptstadt München selbst Kenntnis und Datengrundlagen über die Luftsituation bei Stickstoffdioxid zu erhalten, ist es folgerichtig, ergänzende Messungen zu den bestehenden derzeit fünf LÜB-Stationen des LfU in München zu beauftragen.
Zudem sind ergänzende Messungen unerlässlich, um eine fundierte Datenbasis über den Ist-Stand in München zu erhalten und damit die Wirksamkeit zukünftig zu ergreifender Maßnahmen messen zu können. Alternativ dazu müssten die geforderten Messungen vom RGU an externe Ingenieurbüros vergeben werden. Für derartige Messungen fallen pro Messpunkt und Jahr Kosten in Höhe von ca. 9.000 bis 12.000 Euro an. Konkrete Kosten können nur nach Einholung eines Angebotes genannt werden.
Das RGU wird daher dem Stadtrat im Umweltausschuss vom 18.7.2017 und der folgenden Vollversammlung des Stadtrates vom 26.7.2017 einen Vorschlag zur Finanzierung und Durchführung ergänzender Luftschadstoffmessungen zur Entscheidung vorlegen (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 09397).Zu der in der Begründung aufgeführten Rosenheimer Straße ist anzufügen, dass im Zusammenhang mit dem geplanten Verkehrsversuch zu Tempo 30 zur Evaluation dieses Versuches die Vergabe von Luftschadstoff- und Lärmmessungen in der Beschlussvorlage des Kreisverwaltungsreferates, vorgesehen für den Kreisverwaltungsausschuss am 25.7.2017, dem Stadtrat zur Entscheidung vorgeschlagen wird.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.