Biotop im Perlacher/Truderinger Wald als Naherholungsgebiet
erhalten
Antrag Stadtrats-Mitglieder Johann Altmann, Dr. Josef Assal, Eva Caim, Richard Progl und Mario Schmidbauer (Fraktion Bayernpartei) vom
22.2.2017
Antwort Kommunalreferat:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine „laufende“ Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, weshalb eine Behandlung auf diesem Wege erfolgt.
In Ihrem o.g. Antrag fordern Sie, dass die „Landeshauptstadt München sich mit den Eigentümern des Biotops im Perlacher/Truderinger Wald ins Benehmen setzt, um von diesen das Grundstück der ehemaligen Kiesgrube zu erwerben und als Naherholungsgebiet für die Münchner Bevölkerung zu erhalten“.
Zum Antrag wird wie folgt Stellung genommen:
Das o.g. Gelände gehört zu der sog. Kiesgrube Roth, die von der Fritz-Roth Quetschwerk GmbH & Co. KG betrieben wurde. Die Kiesgrube liegt nicht nur in einem Landschaftsschutzgebiet, sondern auch in der weiteren Schutzzone des Wasserschutzgebietes Trudering/Putzbrunn und außerdem im Bannwald. Ein Ausbau zu einem Naherholungsgebiet ist aus den unten näher dargestellten Gründen des Natur- und Trinkwasserschutzes nicht möglich.
Die historische Entwicklung des Geländes stellt sich wie folgt dar: Bereits in den 30er Jahren wurden baurechtliche Genehmigungen zum Kiesabbau erteilt, denen in den 50er Jahren wasserrechtliche Erlaubnisse zum Kiesabbau (bis in 11 m Tiefe) und zur Verfüllung folgten, da mit zunehmenden Kiesabbau Grundwasser freigelegt wurde. Die Entkiesung des insgesamt 22 ha umfassenden Geländes war in den 80er Jahren abgeschlossen. Die Verfüllung erfolgte nur langsam, da an das Verfüllmaterial hohe Qualitätsansprüche gestellt werden. Entsprechendes Material war und ist im Raum München knapp. Mitte der 80er Jahre wurden sowohl die wasserrechtlichen als auch die baurechtlichen Gestattungen zum Kiesabbau und zur Verfüllung widerrufen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat diebehördlichen Entscheidungen als rechtmäßig bestätigt. Zurück blieb daher auf dem rund 6 ha großen Grundstück in einer Tiefe von ca. 20 m unter Gelände ein Grundwassersee und auf der teilweise verfüllten Restfläche des Grundstücks ein Biotop, das unter M-241 kartiert ist. Die Grundstückseigentümer haben in Kooperation mit der Unteren Naturschutzbehörde für die Fläche ein Pflege- und Entwicklungskonzept zum Erhalt dieser wertvollen Biotopfläche sowie zur geregelten Freizeitnutzung entwickelt.
Im Arten- und Biotopschutzprogramm München Stadt ist die Kiesgrube Roth als landesweit bedeutsamer Lebensraum ausgewiesen, u.a. brüten dort verschiedene gefährdete Vogelarten. Des Weiteren nutzen die bayernweit gefährdeten und europarechtlich geschützten Laubfrösche den Weiher als Laichgewässer. Für das Teilgrundstück mit dem Grundwassersee wurde 2014 eine artenschutzrechtliche Erfassung durchgeführt. Diese bestätigte die hohe Bedeutung der aufgelassenen Kiesgrube. Das Gewässer sowie seine Umgebung stellen außerdem einen sehr bedeutsamen Lebensraum für einige gefährdete und streng geschützte Fledermausarten dar. Darüber hinaus engagieren sich Naturschutzorganisationen in der Kiesgrube u.a. mit Biotoppflegemaßnahmen und Nistplätzen für Wildbienen, die dort mit etlichen besonders naturschutzbedeutsamen Arten vertreten sind.
Durch den zunehmenden Freizeitdruck auf das Gelände, insbesondere im genannten östlichen Grubenteil mit offener Wasserfläche, ergeben sich Konflikte mit dem Trinkwasserschutz aufgrund der Lage des Grundstücks in der weiteren Schutzzone des Wasserschutzgebietes Trudering/Putzbrunn. Entsprechend der Grundwasserfließrichtung (von Süd nach Nord) fließt das dort offen gelegte Wasser den Versorgungsbrunnen zu. Das Förderwerk Trudering trägt zu 1% der jährlichen Trinkwasserversorgung der Stadt München bei. Für eine schnelle Grundversorgung der östlichen Stadtteile mit Trinkwasser in Extremsituationen (Trockenheit, Versorgungsprobleme anderer Förderwerke) ist das Förderwerk Trudering unentbehrlich, da es direkt in die Versorgungsleitungen einspeisen kann. Außerdem ist es das einzige Förderwerk im Stadtgebiet, das München mit Trinkwasser versorgt. Da die Grundstückseigentümer das Haftungsrisiko einer Trinkwasserverunreinigung nicht länger tragen wollten, verfolgten sie seit 2013 die Zielsetzung den Baggersee verfüllen zu dürfen und stellten entsprechende Anträge. Der Grundstückseigentümer würde als Zustandsstörer haften, sofern ein Verursacher einer Umweltverschmutzung auf dem Gelände bzw. des „Grundwassersees“ nicht ermittelt werden könnte. Eine rechtlich fundierte Bewertung, wie hoch dieses Risiko tatsächlich ist, liegt jedoch nicht vor. In den mehr als 30 Jahren, seit dem das Grundwasser unveränderthier frei liegt, ergaben sich allerdings keine relevanten Ereignisse, die ein hohes Gefährdungsrisiko für die Trinkwasserversorgung erwarten lassen.
Um die von den Grundstückseigentümern ursprünglich beantragte Verfüllung des offenen Teilgeländes durchführen zu können, müsste eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung von der Regierung von Oberbayern (Höhere Naturschutzbehörde) von den Zugriffsverboten des besonderen Artenschutzes auf streng geschützte Tierarten (z.B. Tötung, Zerstörung von Fortpflanzungsstätten) erteilt werden. Gleichzeitig müsste ein Ersatzhabitat geschaffen werden. Die Eigentümer haben den Antrag auf Verfüllung zwischenzeitlich zurückgezogen.
Als Alternative wurde im Zuge des Verfahrensverlaufs bereits der Erwerb der Teilfläche durch die SWM München (Wasserversorger) oder die Landeshauptstadt München (Kommunalreferat) diskutiert. Aufgrund der diversen Problemstellungen, insbesondere wegen des Haftungsrisikos und des hohen Pflege- und Verkehrssicherungsaufwandes, wurde der Erwerb des Teilgeländes jedoch bislang stets abgelehnt. Das Baureferat führt dazu u.a. Folgendes aus: Ein Privateigentümer ist mit seinem Eigentum der Einhaltung der Naturschutzgesetzgebung genauso verpflichtet wie es die Stadt nach einem Erwerb wäre. Falls die Stadt dennoch die Fläche erwerben sollte, warnt das Baureferat ausdrücklich vor der Schaffung eines Bezugsfalles. Schließlich gibt es zahlreiche Biotopflächen, die nicht im Eigentum der Stadt sind und durch Private gepflegt werden müssen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass aus den dargestellten Gründen des Naturschutzes bzw. des Trinkwasserschutzes ein Ausbau zu einem Naherholungsgebiet nicht möglich ist. Zudem wird der Erwerb der Kiesgrube durch die Stadt als Biotopfläche, wie bereits oben ausgeführt, aufgrund des bestehenden Haftungsrisikos und kostspieligen Aufwands abgelehnt. Die Schaffung eines Bezugsfalles soll vermieden werden.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten; damit ist die Angelegenheit abgeschlossen.