Kohleausstieg in München I: Werden der Öffentlichkeit Informationen vorenthalten?
Kohleausstieg in München II: Ausstiegsszenario „GuD-Anlage“ - Irreführung im städtischen Informationsbeiblatt?
Kohleausstieg in München III: Ökologischer Nutzen – Falschaussagen im städtischen Informationsbeiblatt?
Anfragen Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner, Gülseren Demirel, Lydia Dietrich, Katrin Habenschaden, Anna Hanusch, Jutta Koller, Dominik Krause, Sabine Krieger, Hep Monatzeder, Sabine Nallinger, Thomas Niederbühl, Dr. Florian Roth und Oswald Utz (Fraktion Die Grünen/ Rosa Liste) vom 13.9.2017
Antwort Bürgermeister Josef Schmid, Leiter des Referats für Arbeit und Wirtschaft:
Da sich Ihre o.g. Anfragen allesamt mit dem im Feriensenat am 9.8.2017 diskutierten Thema des Kohleausstiegs beim HKW Nord befassen, erlaube ich mir aufgrund des Sachzusammenhangs die Anfragen gesammelt in einem Antwortschreiben zu behandeln.
Begründung zu Anfrage Nr. 14-20 / F 01004 und 01005:
„Aufgrund eines Prüfauftrags des Münchner Stadtrats vom 5.4.2017 haben die Stadtwerke im Juli 2017 in einer nicht-öffentlichen Sitzung des Auf- sichtsrates überraschend ein neues Kohle-Ausstiegsszenario für das vom Bürgerbegehren ‚Raus aus der Steinkohle‘ geforderte Ausstiegsjahr 2022 vorgestellt. Das Ergebnis dieses Prüfauftrags ist – trotz anschließender öffentlicher Behandlung des Themas im Feriensenat am 9.8.2017 – der Öffentlichkeit nach wie vor nicht zugänglich. Gleichzeitig haben CSU und SPD ein städtisches Informationsbeiblatt zum Bürgerentscheid am 5. November 2017 beschlossen, in dem das bisher lediglich nicht-öffentlich vorgestellte Ausstiegsszenario GuD-Anlage komplett ignoriert wird.“
Begründung zu Anfrage Nr. 14-20 / F 01006:
„Die Stadtratsmehrheit aus CSU und SPD hat ein städtisches Beiblatt zum am 5. November 2017 stattfindenden Bürgerentscheid ‚Raus aus der Steinkohle‘ beschlossen. Darin wird der ökologische Nutzen eines Kohleausstiegs in München in Frage gestellt.“
Vorbemerkung:
Für die Behandlung von Angelegenheiten in einem Aufsichtsrat gilt eine umfassende Verschwiegenheitspflicht. Es ist daher nicht möglich, zu Diskussionsverläufen oder zu Diskussionsgegenständen Stellung zu nehmen. Festzuhalten ist, dass nach Ergebnis der Untersuchungen der SWM eine Stilllegung des Blocks II des Heizkraftwerkes Nord und der teilweisen Kompensation durch eine Gas- und Dampfanlage zu einem wirtschaftlichen Verlust von bis zu 270 Millionen Euro führen würde. Unabhängig von der noch ungeklärten technischen Realisierbarkeit wäre eine derartige Kompensation planungs- und genehmigungsrechtlich nach derzeitigem Stand so unwahrscheinlich, dass eine Ausrichtung der weiteren Planungen und Strategie auf Basis dieses Vorschlages nicht seriös wäre. Die von Ihnen erhobenen Behauptungen, das städtische Informationsbeiblatt enthalte unzutreffende Aussagen, entbehrt daher jeder Grundlage.
Neben der nachstehenden Beantwortung Ihrer Fragen darf darauf hingewiesen werden, dass die Stadtwerke München GmbH (SWM) zu den in den o.g. drei Anfragen thematisierten Aspekten, allen voran zu einer in Frage stehenden, eventuellen GuD-Anlage auf HKW-Nord-Gelände, im Rahmen der Debatte im Feriensenat am 09.08.2017 bereits ausführlich Stellung genommen haben.
1. Anfrage Nr. 14-20 / F 01004
Frage 1:
Weshalb wurde das Ergebnis des vom Stadtrat erteilten Prüfauftrags nicht im Feriensenat am 09.08.17 der Öffentlichkeit bekannt gegeben?
Antwort:
Der Prüfauftrag wird bei den SWM bearbeitet. Abschließende Ergebnisse liegen aufgrund der Komplexität der Angelegenheit noch nicht vor. Zudem fordert das Bürgerbegehren den „Block II (Steinkohlekraftwerk) des Heizkraftwerks Nord bis spätestens 31.12.2022“ stillzulegen. Demgegenüber fordert der Prüfauftrag des Stadtrats eine Darstellung zu einem Abschaltdatum in den Jahren 2027 bis 2029.
Frage 2:
Wieso wurde das Ergebnis auch bis jetzt noch immer nicht veröffentlicht?
Antwort:
Hierzu darf auf die Ausführungen zu Frage 1 verwiesen werden.
Frage 3:
Wann soll das Ergebnis der Öffentlichkeit bekannt gegeben werden?
Antwort:
Die SWM beabsichtigen, noch in 2017 eine abschließende Darstellung vorzulegen
2. Anfrage Nr. 14-20 / F 01005
Frage 1:
Bezüglich Punkt 3 des Beiblatts „Der Block 2 ist derzeit noch wichtig für die Sicherheit der Münchner Strom und Fernwärmeversorgung“:
[/italic]a) „Damit ist München im Fall eines Stromausfalls autark.“ Ist im Ausstiegsszenario GuD-Anlage diese Autarkie auch weiterhin gegeben?[/italic]
b) „Vor allem, wenn es im Winter kalt ist, sichert der Kohleblock im HKW Nord die Wärmeversorgung in München.“
Ist in den beiden Ausstiegsszenarien (GuD-Anlage/Heizwerke) die Sicherung der Wärmeversorgung gegeben?
c) „Eine zu schnelle Umstellung wäre nicht nur mit hohen Kosten, sondern auch mit großflächigen Baumaßnahmen in der Innenstadt verbunden, die den Verkehr sehr stark behindern würden.“
Müsste für das Ausstiegsszenario GuD-Anlage die Umstellung des Fernwärmenetzes beschleunigt erfolgen (was oben genannte großflächigen Baumaßnahmen bedingt)?
Antwort der SWM:
Zu a) Das Ausstiegsszenario GuD-Anlage ist derartig unwahrscheinlich, dass eine Weiterverfolgung dieses Vorschlages nicht gerechtfertigt ist. Damit liegen auch keine aussagekräftigen Einschätzungen zu einer möglichen Kompensation der Stromerzeugung vor.
Zu b) Das Ausstiegsszenario GuD-Anlage ist derartig unwahrscheinlich, dass eine Weiterverfolgung dieses Vorschlages nicht gerechtfertigt ist. Damit liegen auch keine aussagekräftigen Einschätzungen zur Sicherung der Wärmeversorgung vor. Eine Wärmeversorgung mit Heizwerken wäre technisch möglich, würde aber aufgrund zu erwartender Widerstände an möglichen Standorten schwer zu realisieren sein. Zudem würde der Aufbau einer konventionellen Wärmeerzeugung den wirtschaftlichen Ausbauder geothermischen Versorgung mindestens gefährden, wenn nicht sogar ausschließen.
Zu c) Das Ausstiegsszenario GuD-Anlage ist derartig unwahrscheinlich, dass eine Weiterverfolgung dieses Vorschlages nicht gerechtfertigt ist. Damit liegen auch keine aussagekräftigen Einschätzungen zu möglichen Auswirkungen auf das Fernwärmenetz vor. Die Umstellung des Fernwärmenetzes von einem Dampfnetz zu einem Heißwassernetz in den noch nicht umgestellten Gebieten ist vor dem Hintergrund der geothermischen Versorgung in München erforderlich. Die Umstellung großer Gebiete der Innenstadt mit den Stadtteilen Schwabing und Haidhausen ist technisch herausfordernd. Sie erfordert zudem eine enge Abstimmung mit den Kundinnen und Kunden, die ihre Heizungsanlagen anpassen müssen. Aufgrund der massiven Baumaßnahmen im öffentlichen Straßenraum ist ein mehrjähriger Ablauf notwendig. Die wiederholt geforderte Beschleunigung des Geothermieausbaus einhergehend mit einer Beschleunigung der Dampfnetzumstellung würde erhebliche Behinderungen für die Bevölkerung bedeuten. Eine Akzeptanz der Münchnerinnen und Münchner würde kaum zu erreichen sein.
Frage 2:
Bezüglich Punkt 4 des Beiblatts „Die LH München kann über eine Abschaltung des Blocks 2 nicht allein entscheiden.“
[italic]a) Könnte im Ausstiegsszenario GuD-Anlage dieselbe Leistung an Strom erzeugt werden wie momentan im Heizkraftwerk Nord?
b) Ist die gleiche Leistung an Strom nötig, um die Genehmigung zur Abschaltung zu erhalten? Gab und gibt es dazu Gespräche mit der Bundesnetzagentur?[/italic]
c) Welchen Zubau an elektrischer Leistung halten die Stadtwerke München am selben Standort für nötig, um eine Genehmigung der Bundesnetzagentur für die Stilllegung des Kohleblocks des Heizkraftwerks Nord zu bekommen?
Antwort der SWM:
Zu a) Das Ausstiegsszenario GuD-Anlage ist derartig unwahrscheinlich, dass eine Weiterverfolgung dieses Vorschlages nicht gerechtfertigt ist.
Zu b) Das Verfahren gemäß §13 EnWG ist formalisiert. Die Bundesnetzagentur führt keine Gespräche verbindlicher Art zur Abstimmung möglicher Alternativen zu bestehenden Anlagen.
Zu c) Es ist völlig ungewiss, ob die Bundesnetzagentur einen Zubau von Stromerzeugungskapazitäten auf Gasbasis als Kompensation für den Abbau von Stromerzeugungskapazitäten auf Kohlebasis akzeptiert. Eine Abstimmung mit der Bundesnetzagentur ist im EnWG nicht vorgesehen.
Frage 3:
Bezüglich Punkt 5 des Beiblatts „München ökologisch versorgen“ „Eine vorzeitige Abschaltung des Blocks 2 bringt […] Risiken für die Strom und Wärmeversorgung.“
Inwiefern entstehen im Ausstiegsszenario GuD-Anlage, in dem sowohl elektrische als auch thermische Leistung weiterhin direkt in München bereit gestellt werden, solche Risiken?
Antwort der SWM:
Das Ausstiegsszenario GuD-Anlage ist derartig unwahrscheinlich, dass eine Weiterverfolgung dieses Vorschlages nicht gerechtfertigt ist. Vor diesem Hintergrund ist eine fundierte Bewertung zu möglichen Risiken nicht sinnvoll.
Frage 4:
Wieso werden in den oben genannten Punkten 3) und 4) des Beiblatts lediglich Argumente gegen das Ausstiegsszenario Heizwerke genannt, aber nicht erwähnt, dass diese jenseits der Kostenfrage für das Ausstiegsszenario GuD-Anlage nicht zutreffend sind?
Antwort der SWM:
Das Ausstiegsszenario GuD-Anlage ist derartig unwahrscheinlich, dass eine Weiterverfolgung dieses Vorschlages nicht gerechtfertigt ist. Vor diesem Hintergrund wäre eine Bewertung dieses Vorschlages nicht sachgerecht.
3. Anfrage Nr. 14-20 / F 01006
Frage 1:
Bezüglich Punkt 2 „Eine Abschaltung des Blocks 2 bringt fast keine CO2-Einsparung“
[italic]a) „Bei einer Abschaltung von Block 2 würde die wegfallende Stromerzeu- gung derzeit noch von anderen, teilweise älteren Kohle- und Gaskraftwerken an anderen Stellen in Deutschland und Europa ersetzt werden.“ Trifft dies auch für das Ausstiegsszenario GuD-Anlage zu?
b) „Die in München wegfallenden Emissionen würden daher an anderer Stelle neu entstehen, der Nutzen für das Klima wäre sehr gering.“[/italic]i) Auf Seite 30 des Gutachtens von SWM und Ökoinstitut vom 14.9.2016 zum Münchner Kohleausstieg heißt es:
„Wie bereits in der Studie aus dem Jahr 2015 ermittelt, führt eine vorzeitige Stilllegung des HKW Nord 2 zu einer deutlichen Reduktion der CO2-Emissionen in der Stromerzeugung. Dies gilt für alle hier untersuchten Szenarien. Dieses Ergebnis erklärt sich dadurch, dass die Kraftwerke, deren Erzeugung im Strommarkt durch das HKW Nord 2 verdrängt wird, im Jahresdurchschnitt geringere CO2-Emissionen aufweisen als das Münchner HKW. Dabei handelt es sich zum einen um mit Erdgas betriebene Kraftwerke, aber auch um Kohlekraftwerke mit höherem Wirkungsgrad als er im Block Nord 2 erzielt werden kann. Zudem liegen die Emissionen des Münchner Erzeugungsmixes nach einer Stilllegung des HKW Nord 2 deutlich niedriger als vorher. Dies trägt ebenfalls wesentlich zu der insgesamt beobachteten Emissionsreduktion bei.“
Die Aussage im Fachgutachten von SWM und Ökoinstitut widerspricht damit diametral der Aussage des von CSU und SPD beschlossenen städti- schen Beiblatts. Welche Aussage trifft zu?
ii) Die Fachgutachter empfehlen weiterhin auf Seite 31, es „[...]sollte als Maßstab für eine Entscheidung zum HKW Nord 2 in erster Linie der in Tabelle 3 hervorgehobene Kontext auf Deutschland ohne Ausgleich durch den Emissionshandel herangezogen werden.“ Der in der Tabelle angegebene Wert für das Ausstiegsjahr 2023 lautet 6,4 - 8,8 Millionen Tonnen CO2.
Schätzen Stadtverwaltung und Stadtwerke diesen Betrag an CO2-Einsparung als sehr geringen Nutzen für das Klima ein?
Antwort:
Zu a) Das Ausstiegsszenario GuD-Anlage ist nach Einschätzung der SWM derartig unwahrscheinlich, dass eine Weiterverfolgung dieses Vorschlages nicht gerechtfertigt ist. Nachdem Erzeugung und Verbrauch im Stromsystem zu jeder Zeit im Gleichgewicht sein muss, gilt die Aussage laut SWM prinzipiell auch in diesem Fall.
Zu b) Durch eine vorzeitige Abschaltung des Heizkraftwerks Nord 2 wird im geltenden Rahmen des EU-Emissionshandels tatsächlich kein CO2 eingespart, da durch freiwerdende Zertifikate an anderer Stelle in Europa CO2 emittiert werden kann. Dies wird im Gutachten auch an mehreren Stellen klar hervorgehoben und in der Tabelle auf Seite 31 benannt.Tatsächliche Einsparungen können erst im Rahmen eines geordneten, bundesweiten Ausstiegs aus der Braun- und Steinkohleverbrennung entstehen, der die Thematik freiwerdender CO2-Zertifikate adressiert. Dabei müssen die Anlagen mit dem höchsten Ausstoß an klimaschädlichem CO2 als erste abgeschaltet werden. Dies betrifft zunächst die Braunkohlekraftwerke, dann die alten Steinkohlekraftwerke ohne Kraft-Wärme-Kopplung. Beispielsweise emittiert das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde ca. 24 Millionen t CO2 pro Jahr. Demgegenüber emittiert das HKW Nord Block 2 weniger als 2 Millionen t CO2. pro Jahr.
Frage 2:
Bezüglich Punkt 5 des Beiblatts „München ökologisch versorgen“ „Eine vorzeitige Abschaltung des Blocks 2 bringt dagegen keine Verbesserung für den globalen Klimaschutz [...]“
Auf Seite 251 des Klimaschutzgutachtens der Landeshauptstadt München heißt es: „Durch eine Stilllegung des Kohleblocks und die Umstellung der Fernwärmeerzeugung auf Erdgas sowie der Stromerzeugung auf Erdgas-Heizkraftwerke der SWM oder andere Anlagen außerhalb Münchens kann in globaler Betrachtung eine erhebliche Treibhausgas-Reduktion erzielt werden.“
Diese Aussage widerspricht diametral des von CSU und SPD beschlossenen Beiblatts. Welche Aussage trifft zu?
Antwort:
Hierzu darf auf die Ausführungen zu Frage 1 b) verwiesen werden.
Ich hoffe, dass Ihre Fragen hiermit beantwortet werden konnten.