Munitionsfund in Freimann – Stadt und Freistaat stehlen sich aus der Verantwortung?
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Rathaus Umschau 196 / 2017, veröffentlicht am 16.10.2017
Munitionsfund in Freimann – Stadt und Freistaat stehlen sich aus der Verantwortung?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Johann Altmann, Dr. Josef Assal, Eva Caim, Richard Progl und Mario Schmidbauer (Fraktion Bayernpartei) vom 17.3.2017
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Ihre Anfrage vom 17.3.2017 wurde im Auftrag von Herrn Oberbürgermeister Reiter in Federführung dem Kreisverwaltungsreferat zur Beantwortung zugeleitet.
Ihrer Anfrage schicken Sie folgenden Sachverhalt voraus:
„Immer wieder werden z.B. im Zuge von Bauarbeiten auf dem Gebiet der Landeshauptstadt München Relikte aus dem 2. Weltkrieg gefunden, Bomben, Granaten, Waffen, Munition etc. Der jetzige Fund in Freimann ist wegen der riesigen Menge an hochgefährlichen Stoffen sicher besonders schwerwiegend, aber beileibe kein Einzelfall. Dass die Eigentümer für die Beseitigung der Kriegshinterlassenschaften womöglich in den finanziellen Ruin getrieben werden und Freistaat und Landeshauptstadt sich beide ‚wegducken‘ und auf die Verantwortung bzw. die Sondertöpfe für Härte- fälle des jeweils anderen hinweisen, sorgt für Empörung und widerspricht eklatant dem Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung. Auch wenn es nicht den Buchstaben des Gesetzes entspricht, sollte die Landeshauptstadt ihre Einwohner hier nicht im Stich lassen.“
Eingangs erlauben wir uns, zur Beantwortung Ihrer Fragen auf den nichtöffentlichen Beschluss der Vollversammlung des Stadtrates vom 05.04.2017, Munitionsfund Zwergackerweg, Sitzungsvorlage Nr. 14-20/ V 08555, zu verweisen. Die Beschlussvorlage – abgekürzt BV - (Seiten 1 - 21) ist diesem Schreiben beigefügt, eine Veröffentlichung dieser BV ist jedoch aus Datenschutzgründen nicht möglich.
Frage 1:
Aus Medienberichten geht hervor, die Landeshauptstadt München „dürfe“ die Kosten für die Räumung des Munitionsfundes nicht übernehmen. Auf welche gesetzlichen Vorschriften bezieht sich diese Aussage?
Antwort:
Seitens des Kreisverwaltungsreferates wurde eine solche Aussage nicht getätigt. Grundsätzlich ist die Kostentragungspflicht im Rahmen einer Ent-munitionierung folgendermaßen geregelt (Seiten 11, 12 der BV, Punkt 4 und 4.1):
-Der Bund trägt die Beseitigungskosten auf den eigenen Liegenschaften, unabhängig davon, ob es sich um ehemals reichseigene oder ausländische Kampfmittel handelt.
-Der Bund trägt die Beseitigungskosten für ehemals reichseigene Kampfmittel auf nicht bundeseigenen Liegenschaften.
-Die Länder tragen die Beseitigungskosten der von den Alliierten verursachten Kampfmittelbelastung auf allen anderen als im Eigentum des Bundes stehenden Flächen.
-Die Grundstückseigentümer als Zustandsstörer sind für die Beseitigung konkreter Gefahren, die von Kampfmitteln auf ihren Grundstücken ausgehen, verantwortlich.
Im Rahmen der Entmunitionierung am Zwergackerweg 3 entstanden
Aufwendungen durch Kampfmittelräumung, also Kosten für die Bergung der Kampfmittel aus dem Boden, der statisch notwendigen Maßnahmen inklusive der Beauftragung eines statischen Gutachters und etwaige Pegelmessungen sowie für Abtransport und Entsorgung der Kampfmittel und des kontaminierten Erdreiches. Für die Sicherheitsbehörden ergaben sich neben den Verwaltungskosten auch Ausgaben für Absperrmaßnahmen und die Bewachung durch einen Sicherheitsdienst zum Schutz von Personen und Sachwerten. Darüber hinaus entstanden aufgrund der Evakuierung der betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner mit der damit verbundenen Hotelunterbringung weitere finanzielle Belastungen.
Frage 2:
Besteht die Möglichkeit, in einem extremen Härtefall dennoch die Kosten zu übernehmen?
Antwort:
Der Münchner Stadtrat hat bereits in der Vollversammlung mit Beschluss vom 5.4.2017 von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich in diesem Ausnahmefall, der aufgrund der enormen Menge an gefundenen Sprengmitteln gegeben ist, an der Kostentragung zu beteiligen (Seiten 12 ff BV, Punkt 4.2).
Allerdings ist die genaue Höhe für sämtliche Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Entmunitionierung angefallen sind, und damit auch die Höhe der Beteiligung durch die Stadt München zum jetzigen Zeitpunktnoch nicht bezifferbar. Das Kreisverwaltungsreferat wird zu gegebener Zeit den Stadtrat mit der Frage der endgültigen Kostentragung befassen.
Frage 3:
Was hat die Stadtspitze bisher konkret unternommen, um den Betroffenen helfen zu können?
Wurden Verhandlungen mit dem Freistaat geführt bezüglich des angeblich dort bestehenden Sondertopfes für Härtefälle? Mit welchem Ergebnis?
Antwort:
Wie bereits zu Frage 2 ausgeführt, hat sich der Münchner Stadtrat im Rahmen der Härtefallregelung für die Übernahme der Kosten für den Verwaltungsaufwand, die Beauftragung des Sicherheitsdiensts, die Absperrungen, die Evakuierung der Sperrzone und die behördlich zugewiesenen Hotelunterbringungen der betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner ausgesprochen.
Darüber hinaus verwendete sich Herr Oberbürgermeister Reiter persönlich bei Herrn Kanzleramtsminister Altmaier sowie Herrn Ministerpräsident Seehofer dafür, dass sich der Bund und der Freistaat Bayern in diesem Fall finanziell an der unmittelbaren Räumung der vorgefundenen Kriegsfolgelast beteiligen, für die grundsätzlich die Grundstückseigentümer verantwortlich sind. Die Antwort des Bundes ist bislang noch nicht eingegangen. Der Bayerische Staatsminister des Innern, für Bau und Verkehr, Herr Herrmann, verweist in diesem Zusammenhang auf die Unterstützungsmöglichkeit durch den Freistaat im Rahmen des Haushaltstitels „Zuschüsse zur Milderung besonderer sozialer Härten oder bei Existenzgefährdung durch außergewöhnliche Ereignisse“. Die betroffene Grundstückseigentümerin wurde auf die Existenz des sog. „Härtefallfonds“, der in den Zuständigkeitsbereich des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat fällt, und die mögliche Inanspruchnahme hingewiesen. Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei, Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Sonderaufgaben, Herr Dr. Huber, teilte Herrn Oberbürgermeister Reiter mit, dass er seinen Kollegen, Herrn Staatsminister Dr. Söder, um entsprechende wohlwollende Prüfung hinsichtlich der finanziellen Unterstützung aus dem „Härtefallfonds“ gebeten habe.
Im Übrigen trägt der Freistaat die Kosten für die Kampfmittelbeseitigung durch die Firma Tauber sowie die angefallenen Aufwendungen für den Polizeieinsatz.
Frage 4:
Beim Fund der Schwabinger Fliegerbombe im Jahr 2012 wurden sofort Stimmen laut, man werde die Opfer nicht im Stich lassen. Warum hält sich die Stadtspitze im jetzigen Fall so auffällig zurück?
Antwort:
Zur Beantwortung dieser Frage dürfen wir auf die BV, Seite 14, Punkt 4.2.2.1, verweisen. Es wurde als unbillig angesehen, die aktuelle Grundstückseigentümerin schlechter zu stellen als die Eigentümer im Falle der „Schwabinger Bombe“ (2012). Dort wurden die Kosten der Gefahrenabwehr durch die Sicherheitsbehörde von der Landeshauptstadt München getragen, also den Grundstückseigentümern nicht in Rechnung gestellt. Im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz fand das Ereignis im Jahr 2012 bei der Stadtratsentscheidung am 5.4.2017 Berücksichtigung, auch wenn die Kosten im vorliegenden Fall diejenigen im Fall der Schwabinger Bombe um ein Vielfaches überschreiten.
Ich darf Sie um Kenntnisnahme dieser Ausführungen bitten und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit erledigt ist.