Schaffung von Rahmenbedingungen für „Inklusive Taxis“
Antrag Stadtrats-Mitglieder Haimo Liebich und Dr. Constanze Söllner-Schaar (SPD-Fraktion) vom 31.3.2017
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlaube ich mir, Ihren Antrag als Brief zu beantworten.
Die Beantwortung Ihres Antrags innerhalb der geschäftsordnungsgemäßen Frist bis zum 30.6.2017 konnte nicht erfolgen, da die Reaktion des Bezirks Oberbayern zunächst abgewartet wurde und etwaige Unterstützungsmöglichkeiten der Landeshauptstadt München für die Initiative von Münchner Taxifahrerinnen und Taxifahrern geprüft werden mussten.
Für die genehmigte Fristverlängerung bis zum 31.12.2017 bedanke ich mich.
Zu Ihrem Antrag vom 31.3.2017 teile ich Ihnen Folgendes mit:
Das Sozialreferat der Landeshauptstadt München hat am 24. März dieses Jahres zusammen mit dem Behindertenbeirat und den fachlich zuständigen städtischen Dienststellen einen Fachtag zum Thema „Mobilität für alle – wie erreichbar ist die Innenstadt?“ durchgeführt. Dort wurden unter anderem inklusive Taxis vorgestellt. Diese Taxis gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen kurzfristig und flexibel am Leben in der Gemeinschaft teilhaben können und dabei nicht auf spezielle Fahrdienste angewiesen sind.
Die Finanzierung dieser Taxis kann derzeit nur über einen Zuschlag von 15 Euro pro Fahrt sichergestellt werden. Diese Mehrkosten entstehen durch den erforderlichen barrierefreien Umbau der Fahrzeuge und den Verdienstausfall bei Auftragsfahrten und längeren Anfahrtswegen. Derzeit ist die Finanzierung der zusätzlichen Mehrkosten von ca. 15 Euro pro Fahrt nicht gesichert.
Die Initiative der Münchner Taxifahrerinnen und Taxifahrer unter Federführung des Taxiunternehmens SBS-Fahrdienst und der Isarfunk Taxizentrale stellt derzeit drei barrierefreie Fahrzeuge für Taxifahrten in München zur Verfügung. Diese Anzahl ist nicht ausreichend, um Fahrgastanfragen im Münchner Stadtgebiet kurzfristig und für die Taxiunternehmen wirtschaftlich abzudecken.
In Ihrem Antrag fordern Sie die Stadtverwaltung dazu auf, diese Initiative von Münchner Taxifahrern, die Menschen mit Elektrorollstuhl in speziellausgestatteten Fahrzeugen auch außerhalb der üblichen Fahrzeiten wie am Abend und am Wochenende befördern, zu unterstützen.
Dazu soll die Landeshauptstadt München mit dem Bezirk Oberbayern in Verhandlungen treten, um einen Weg für die Finanzierung der Mehrkosten zu finden.
Mit Schreiben vom 27.7.2017 hat das Sozialreferat den Bezirk Oberbayern um Prüfung gebeten, „welche weiteren Maßnahmen und Instrumente dem Bezirk Oberbayern, als zuständigem überörtlichen Sozialhilfeträger, zur Verfügung stehen, um die entstehenden Mehrkosten für Fahrten mit barrierefreien Taxis zu finanzieren.“
Mit Schreiben vom 24.8.2017 teilte der Bezirk Oberbayern dazu mit:
„Der Bezirk Oberbayern begrüßt sehr, dass die Landeshauptstadt München Rahmenbedingungen für die Einrichtung inklusiver Taxis schaffen will und damit einen weiteren Beitrag zur inklusiven Mobilität von Menschen mit Behinderungen leistet.
Wobei die zur Debatte stehende Beteiligung des überörtlichen Sozialhilfeträgers an den Kosten schon wieder dem Grundgedanken der Inklusion entgegensteht, denn eigentlich sollte es in einer inklusiven Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit sein, dass auch mobilitätseingeschränkten Menschen solche Angebote zur Verfügung stehen.
Diese Überlegung bringt mich auch dazu einen größeren Bogen zum Thema Inklusion und deren Umsetzung zu schlagen. Viele andere Leistungsangebote einer Gemeinde sollten unter diesem Gesichtspunkt
betrachtet werden. Inklusive Kindertagesstätten und Horte, Schulen und Hochschulen, Tages- und Begegnungsstätten, Kulturangebote aber auch der öffentliche Personennahverkehr sind in erheblichen Teilen noch weit weg von einer wirklich inklusiven Ausgestaltung und Organisation.
Wir würden uns sehr freuen, wenn wir uns zu diesem Thema in einem gemeinsamen Gespräch austauschen könnten. In diesem Zusammenhang könnten wir dann auch das Thema der ‚inklusiven Taxis‘ besprechen.“
Das Sozialreferat – Amt für Soziale Sicherung wird das Gesprächsangebot des Bezirks Oberbayern zum Thema „inklusive Taxis“ wahrnehmen. Zu den weiteren benannten Themenbereichen im Umgriff der städtischen Zuständigkeit, wie die Gestaltung von Kindertagesstätten, Schulen oder Hochschulen sowie Kultureinrichtungen, sind der Bezirk Oberbayern sowiedie zuständigen städtischen Referate eingeladen, sich im Rahmen der Erstellung des 2. Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zu beteiligen und Vertretungen zu entsenden.
Um weitere Unterstützungsmöglichkeiten der Landeshauptstadt München für die Initiative von Münchner Taxifahrern für „inklusive Taxis“ zu eruieren, ist das Sozialreferat mit Schreiben vom 27.7.2017 an das Kreisverwaltungsreferat, als zuständiges Referat für gewerblichen Kraftverkehr, herangetreten.
Mit Schreiben vom 14.8.2017 teilte das Kreisverwaltungsreferat dazu mit:
Zu Frage 1:
Welche Instrumente stehen dem KVR zur Verfügung, um die Anzahl barrierefreier Taxis in München zu erhöhen?
Antwort:
Das Personenbeförderungsgesetz beinhaltet keine Ermächtigungsnorm, welche Möglichkeiten eröffnen würde, Vorgaben zur Beschaffenheit eines Taxis durch das Kreisverwaltungsreferat zu treffen. Die Anforderungen an ein Taxi werden ausschließlich durch die Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr (BOKraft) bestimmt. Diese beruht auf dem PbefG und gilt bundeseinheitlich. Es wird also auf Bundesebene vorgegeben, wie ein Taxi beschaffen und ausgerüstet sein muss. Die Anforderungen an ein Taxi sind in den §§ 25 bis 31 BOKraft geregelt. Die Eignung zum Transport mit Rollstuhlfahrern ist nicht vorgesehen. Sofern ein Unternehmer, der alle anderen Voraussetzungen zum Betrieb eines Taxis erfüllt, mit einem Fahrzeug mit gültiger Hauptuntersuchung (§§ 41, 42 BOKraft) seinen Betrieb aufnehmen will, kann ihm dies nicht verweigert werden.
Sollte der Bundesgesetzgeber es wünschen, dass nur noch behindertengerechte Taxis zugelassen werden, müsste er die BOKraft ändern. Bis zum Eintritt einer etwaigen Änderung kann keinem Unternehmer vorgeschrieben werden, mit welchem Fahrzeug er den Betrieb aufnehmen muss.
Auch Bestimmungen bzgl. einer vorgegebenen Menge bzw. Quote wären dort aufzunehmen. In einer städtischen Verordnung kann dies mangels Ermächtigungsgrundlage nicht geregelt werden. Dies hätte auch in der Praxis zur Folge, dass bundesweit nur noch geeignete Fahrzeuge mit Liftvorrichtungen bzw. Anfahrtsrampen zugelassen werden dürfen.
Es bedarf also einer Änderung des Bundesrechts, um dem Kreisverwaltungsreferat Instrumente an die Hand zu geben, die es ermöglichen, die Anzahl barrierefreier Taxis zu erhöhen.
Zu Frage 2:
Welche Möglichkeiten für eine Finanzierung der entstehenden Mehrkosten für inklusive Taxis gibt es aus Ihrer Sicht?
Antwort:
Dem Kreisverwaltungsreferat sind keine Finanzierungsmöglichkeiten bekannt, die aus betriebswirtschaftlicher Sicht den durch einen Umbau von Fahrzeugen entstehenden finanziellen Mehraufwand refinanzieren könnten.
Zu Frage 3:
Welche Anreize können aus Ihrer Sicht geschaffen werden, um mehr Taxiunternehmen dazu zu bewegen, ihre Fahrzeuge barrierefrei umzubauen (z.B. über die Knüpfung bestimmter Bedingungen an die Vergabe von Konzessionen)?
Antwort:
Das Kreisverwaltungsreferat ist, wie bei Antwort 1 erläutert, an die bundeseinheitlichen Rechtsvorschriften gebunden. Diese eröffnen keine Möglichkeiten, um Taxiunternehmen Anreize zur Beschaffung bestimmter Fahrzeuge oder Ausstattungen zu gewähren.
Zu Frage 4:
Die Neufassung der Taxitarifordnung vom 18.10.2016 lässt die Beförderung von Menschen mit Behinderungen im Rahmen von Sondervereinbarungen zu. Darüber können die 15 Euro Mehrkostenpauschale pro Fahrt abgerechnet werden. Diese Sondervereinbarungen können nach unserem Kenntnisstand nur mit einem abgeschlossenen Personenkreis festgelegt werden. Kann die Personengruppe der Menschen mit Schwerbehindertenausweis und dem Merkzeichen ‚aG‘ als abgeschlossener Personenkreis definiert werden?
Antwort:
Die Neufassung der Taxitarifordnung trug dazu bei, die Genehmigung von Sondervereinbarungen, auch über die Krankenbeförderung hinaus, zu ermöglichen. Eine Beförderung von Menschen mit Behinderung und insbesondere auch nicht umsetzbare Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer war auch ohne die Änderung der Taxitarifordnung möglich.
Sondervereinbarungen für den Pflichtfahrbereich sind nach § 51 Abs. 4 PbefG nur zulässig wenn,
1.ein bestimmter Zeitraum, eine Mindestfahrtenzahl oder ein Mindestumsatz im Monat festgelegt wird,
2.eine Ordnung des Verkehrsmarktes nicht gestört wird,
3.die Beförderungsentgelte und -bedingungen schriftlich vereinbart sind und
4.in der Rechtsverordnung eine Pflicht zur Genehmigung oder Anzeige vorgesehen ist.
Nur wenn alle Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, kann eine Sondervereinbarung genehmigt werden.
Sondervereinbarungen sind Verträge zwischen dem örtlichen Taxigewerbe und Großkunden und können nur abgeschlossen werden, wenn auf der Taxiseite die Mehrheit des öffentlichen Gewerbes vertreten ist. Dies kann eine Taxizentrale oder Gewerbeorganisation sein/vgl. Fielitz/Grätz, Personenbeförderungsgesetz, § 51 Rn. 10).
Dieses Vertragsverhältnis ist, soweit es durch die Behörde genehmigt ist, jedoch nur für die beiden Vertragspartner bindend. Die Sondervereinbarung, die für den Fall geschlossen wird, dass eine im Rollstuhl sitzende Person ein sog. Rollstuhl-Taxi bestellt, dann einen Zuschlag von 15 Euro zahlen muss, gilt somit nur zwischen den Vertragspartnern. Andere RollstuhlfahrerInnen können nicht in das Vertragsverhältnis einbezogen werden. Dies würde einen Vertrag zu Lasten Dritter darstellen und ein solcher ist im deutschen Recht nicht vorgesehen und wäre dementsprechend nichtig.
Der Behindertenbeirat der Landeshauptstadt München hat in seiner Arbeitsgruppe „inklusive Taxis“ verschiedene Ansätze zur Bereitstellung barrierefreier Taxis in München erarbeitet. In seiner Stellungnahme vom 5.4.2017 führt der Behindertenbeirat folgende Ideen zur Finanzierung der Mehrkosten an:
-„Erhöhung der individuellen Mobilitätshilfe des Bezirks Oberbayern. Da die Leistung allerdings einkommens- und vermögensabhängig ist, kann hiervon nur ein Teil des Personenkreises, der das Taxi nutzen kann, profitieren.
-Die Stadt München übernimmt im Rahmen der Daseinsvorsorge die
Mehrkosten.
-Über einen städtischen Fonds zur Sicherung der inklusiven Taximobilität werden die Mehrkosten finanziert.
-Durch eine Umlage im allgemeinen Taxitarif werden die Mehrkosten für Anbieter mit speziellen Beförderungsmöglichkeiten finanziert. Beispielweise könnte man den Mindestfahrpreis um 5 Cent erhöhen, um mit diesen 5 Cent die Mehrkosten für ‚Sonderanbieter‘ sicherzustellen.“
Der Behindertenbeirat wünscht sich „unter Federführung der Taxikommission des Kreisverwaltungsreferats eine Arbeitsgruppe, die als Experten Problemlösungen erarbeitet. Mitglieder (…) des Behindertenbeirats sollten einbezogen werden.“
Mit Beschluss der Vollversammlung des Münchner Stadtrats vom 24.7.2013 (Sitzungsvorlage Nr. 08-14/V 12112) ist die Stadtverwaltung mit der Umsetzung des 1. Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in München beauftragt worden.
Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichtet die Vertragsstaaten dazu, „wirksame Maßnahmen“ zu treffen, „um für Menschen mit Behinderungen persönliche Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen, indem sie unter anderem a) die persönliche Mobilität von Menschen mit Behinderungen in der Art und Weise und zum Zeitpunkt ihrer Wahl und zu erschwinglichen Kosten erleichtern;(...)“ (Artikel 20, „Persönliche Mobilität“).
Im 1. Aktionsplan war eine Finanzierung in Form von Zuschüssen oder Anschubfinanzierungen für inklusive Taxis nicht vorgesehen. Derzeit wird der 2. Aktionsplan erarbeitet, der dem Stadtrat Ende 2018 vorgelegt wird. Das Thema wird bei der Erstellung des 2. Aktionsplans einbezogen. Das Sozialreferat sieht die Möglichkeit, für die Umrüstung bestehender Taxis zu barrierefreien Fahrzeugen Zuschussmittel zur Verfügung zu stellen. Sollte eine entsprechende Maßnahme im 2. Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention Berücksichtigung finden, wird der Stadtrat im Rahmen dieser Vorlage erneut befasst.
Ich hoffe, auf Ihr Anliegen hinreichend eingegangen zu sein. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.