K.-o.-Tropfen als illegale Droge einstufen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Kathrin Abele, Simone Burger, Haimo Liebich, Dr. Ingo Mittermaier und Birgit Volk (SPD-Fraktion) von 11.11.2016
Antwort Stephanie Jacobs, Referentin für Gesundheit und Umwelt:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Sie beantragen eine Initiative des Herrn Oberbürgermeisters bei der Bundesregierung bzw. beim Bundesministerium für Gesundheit mit dem Ziel, K.o.-Tropfen dem Betäubungsmittelgesetz zu unterstellen und den Bezug über das Internet zu erschweren. Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlaube ich mir, Ihren Antrag als Brief zu beantworten.
Zu Ihrem Antrag vom 11.11.2016 teilen wir Ihnen Folgendes mit:
Als K.o.-Tropfen werden umgangssprachlich Substanzen bezeichnet, die eine stark sedierende Wirkung haben und dazu geeignet sind, eine Person zu betäuben. Diese Substanzen werden als Rauschmittel verwendet, aber auch heimlich verabreicht, um Personen in einen wehrlosen Zustand zu versetzen und diesen für Straftaten auszunutzen, vor allem für Sexualdelikte und Raubtaten.
In der öffentlichen Wahrnehmung und in der Medienberichterstattung werden K.o.-Tropfen oft mit der Substanz Gamma-Butyrolacton (GBL) gleichgesetzt. Auch der Antrag zielt auf den Missbrauch von GBL ab.
Bei GBL handelt es sich um eine Chemikalie, die großtechnisch als Lösungsmittel und als Ausgangsstoff für eine Vielzahl chemischer Produkte verwendet wird. GBL gilt als unersetzlich für die chemische Industrie, da es bislang nicht durch andere Stoffe ersetzt werden kann.
GBL wird auch als Rauschmittel verwendet. Die Wirkung resultiert dabei aus der schnellen Umwandlung von GBL in Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB) im menschlichen Körper. GHB ist seit der Jahrtausendwende in Deutschland als Droge verbreitet und ist dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) unterstellt.
Die Wirkung von GHB ist dosisabhängig mit einer geringen therapeutischen Breite und einem hohen Intoxikationsrisiko. In niedrigen und mittleren Dosierungen wirkt GHB euphorisierend und antriebssteigernd. Höher dosiert kann GHB Bewusstlosigkeit auslösen und zu einer lebensbedrohli-chen Atemdepression führen. Bei dauerhaftem Gebrauch besteht die Gefahr einer Abhängigkeit mit Entzugssymptomen beim Absetzen.
Anders als GHB unterliegt GBL nicht den Bestimmungen des BtMG.
Hauptgrund ist die oben erwähnte große Bedeutung der Substanz für die chemische Industrie. Um den Missbrauch von GBL einzudämmen, wird die Substanz im Monitoring chemischer Substanzen erfasst, einer freiwilligen Kontrolle der Abgabe durch die Vertreiber.
In der Medienberichterstattung haben Meldungen über die Verwendung von K.o.-Tropfen bei Sexualstraftaten zugenommen. Auch hier werden die Tropfen oftmals mit GBL gleichgesetzt. Entgegen dieser weit verbreiteten Wahrnehmung ist jedoch eine Vielzahl von Substanzen als K.o.-Mittel einsetzbar, insbesondere Schlaf- und Beruhigungsmittel können hier missbräuchlich verwendet werden.
Auf Anfrage des RGU berichtete das Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität, dass bei K.o.-Mittel-Verdachtsfällen eine Verabreichung von GBL oder GHB nur äußerst selten festgestellt wurde. Dies könne auf die kurze Nachweisdauer dieser Substanzen zurückzuführen sein, da aufgrund der zum Vorfall meist stark zeitversetzten Probennahme eine Beteiligung oft nicht nachgewiesen, aber auch nicht ausgeschlossen werden könne. Andererseits seien in vielen Verdachtsfällen andere dämpfende Substanzen gefunden worden wie Benzodiazepine und Antihystaminika. Ebenso werde die Wirkung von Alkohol als K.o.-Mittel unterschätzt. Oft böte die Rückrechnung der Blutalkoholkonzentration auf den Vorfallszeitpunkt eine Erklärung für die Symptomatik.
Ein Anstieg der GBL-Vergiftungen am Klinikum rechts der Isar sowie Todesfälle nach der Einnahme von GBL konnten nicht bestätigt werden. Die Abteilung für Klinische Toxikologie am Klinikum rechts der Isar teilte auf Anfrage des RGU mit, dass GBL-Vergiftungen relativ selten vorkämen, die Zahl der Fälle bewege sich stabil auf niedrigem Niveau. Aus den letzten zehn Jahren seien keine Todesfälle bekannt.
In der Vergangenheit gab es sowohl auf Bundesebene wie auch international wiederholt Bestrebungen, ein Verbot von GBL zu erwirken, die aber nicht zu einer Änderung der betäubungsmittelrechtlichen Bestimmungen führten.
Das Bundesministerium für Justiz führt dazu aus: „GBL wurde bislang nicht dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) unterstellt, weil es sich umeine Massenchemikalie handelt, die in sehr großen Mengen von der Industrie hergestellt und verwendet wird (...). Eine Unterstellung wurde daher nicht als geeignet angesehen, Abzweigungen verhältnismäßig geringer Mengen zu verhindern.“ (Antwort auf eine schriftliche Anfrage der Bundestagsabgeordneten Mechthild Rawert (SPD), Drucksache 17/12304 des Deutschen Bundestages 2013)
Ebenso lehnte die Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen (CND) im Jahr 2015 eine Aufnahme von GBL in die Liste der streng kontrollierten Substanzen ab: „Die von der WHO vorgeschlagene Aufnahme der Substanzen GBL und 1,4-Butanediol (BDO) in Schedule 1 der 1971er Konvention wurde im Konsens aller Mitgliedstaaten abgelehnt. Beide Substanzen können zwar als ‚K.o.-Tropfen‘ verwendet werden, doch gibt es für sie eine so breite Palette legaler Nutzung als Grundchemikalien in vielen weltweiten Industriebereichen, dass eine Listung den CND-Mitgliedstaaten unverhältnismäßig erschien.“ (Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung 2016)
Unabhängig einer Unterstellung von GBL unter das BtMG erkennt das RGU an, dass es bzgl. sog. K.o.-Tropfen einen Handlungsbedarf gibt. Vor allem junge Frauen – aber auch andere – befürchten, mit K.o.-Tropfen sediert und vergewaltigt oder ausgeraubt zu werden. Für alle präventiv tätigen Institutionen und Organisationen ist daher die allgemeine und speziell auf die betroffene Zielgruppe ausgerichtete Aufklärung und Sensibilisierung zur Verbesserung des Schutzes möglicher Opfer eine Daueraufgabe.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.