Oberbürgermeister Dieter Reiter hat in einem Schreiben Bundesinnenminister Horst Seehofer aufgefordert, die rechtlichen Voraussetzungen für einen stadtweiten Genehmigungsvorbehalt bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zu schaffen:
„Ich wende mich mit einer dringenden Bitte im Sinne der Münchner Bürgerinnen und Bürger an Sie.
In der Landeshauptstadt München herrscht ein großer Mangel an Wohnraum. Obwohl in München in den vergangenen Jahren, vor allem durch städtische Wohnungsbaugesellschaften, viele Wohnungen gebaut wurden, kann der steigende Bedarf gerade an dringend benötigtem bezahlbaren und familiengerechten Wohnraum in München bei Weitem nicht gedeckt werden.
Derzeit sind in München ca. 9.000 Personen wohnungslos und alleine 13.600 Haushalte sind beim zuständigen Sozialreferat mit der höchsten Dringlichkeit (Dringlichkeitsstufe 1) für die Vergabe geförderten Wohnraums vorgemerkt.
Demgegenüber können durch die Landeshauptstadt München im laufenden Jahr 2018 nur etwa 2.800 bis 3.000 Wohnungen an entsprechend berechtigte Personen vergeben werden.
Allen Prognosen nach wird sich die Situation in absehbarer Zeit nicht entspannen.
Hinzu kommt erschwerend, dass in der Landeshauptstadt München wie auch in vielen anderen Großstädten in Deutschland der Aspekt der Gentrifizierung eine immer größer werdende Rolle spielt.
Lange Zeit waren in München vornehmlich der Bereich der Innenstadt sowie innenstadtnahe Gebiete – nahezu flächendeckend – von entsprechenden Aufwertungs- und Verdrängungsprozessen bedroht.
Mittlerweile sind hiervon jedoch in München auch Stadtteile außerhalb der zentral gelegenen städtischen Gebiete betroffen.
Zur Verhinderung bzw. Abmilderung der bekannten negativen Auswirkungen von Verdrängungsprozessen in den betroffenen Stadtvierteln nutzt die Landeshauptstadt München konsequent ihr zur Verfügung stehende rechtliche Möglichkeiten.
Ein effektives Instrument zur Verhinderung übertriebener Aufwertungen von Wohnraum ist der Erlass kommunaler Erhaltungssatzungen für entsprechende in Frage kommende Teile des Stadtgebietes. So sind in München bereits seit dem Jahre 1987 Erhaltungssatzungsgebiete nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Baugesetzbuch (BauGB) ausgewiesen.
Derzeit existieren in München 21 Erhaltungssatzungsgebiete, in deren Umgriff rund 262.000 Bürgerinnen und Bürger leben.
Der bayerische Landesgesetzgeber bestimmte zudem auf Grundlage des § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB mittels Rechtsverordnung, dass die Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum für Wohngebäude in Erhaltungssatzungsgebieten einem Genehmigungsvorbehalt unterliegt (sog. Umwandlungsverbot).
Der Genehmigungsvorbehalt zur Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnraum gilt in München bereits seit dem Jahre 2014.
Die derzeitige Rechtsgrundlage für den Genehmigungsvorbehalt (§ 5 der Verordnung zur Durchführung des Wohnungsrechts und des Besonderen Städtebaurechts – DVWoR) läuft am 28.02.2019 ab. Diese wurde bereits von der bayerischen Staatsregierung – unter anderem auf Betreiben der Landeshauptstadt München hin – im Mai diesen Jahres bis zum 28.02.2024 verlängert.
Aus Sicht der Landeshauptstadt München handelt es sich hierbei um ein sehr wichtiges rechtliches Instrument zum Schutz der angestammten Wohnbevölkerung im jeweiligen Stadtviertel.
Bereits die Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum oder von Sondernutzungsrechten an Wohnungen stellt stets eine abstrakte Gefahr für die Zusammensetzung der jeweiligen Wohnbevölkerung dar. Dies gilt erst recht und noch mehr für die Veräußerung von entsprechend aufgeteilten Wohnungen.
Die derzeitige Rechtslage stellt jedoch nur in den von der Landeshauptstadt München ausgewiesenen Erhaltungssatzungsgebieten die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen unter einen Genehmigungsvorbehalt.
Um auch die nicht im Umgriff einer Erhaltungssatzung lebenden, aber trotzdem von Verdrängungsprozessen und einer zunehmenden Gentrifizierung betroffenen Mieterinnen und Mieter vor einer Verdrängung durch Umwandlung in Wohnungseigentum zu schützen, ist ein entsprechender, für das gesamte Stadtgebiet geltender Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von Miet- in Wohnungseigentum erforderlich und notwendig. Bereits im Juni letzten Jahres habe ich daher eine entsprechende Forderung zur Schaffung einer rechtlichen Möglichkeit in einem Schreiben an die seinerzeit zuständige Bundesministerin Dr. Hendricks herangetragen. Über die vorgenannte Thematik hinaus gibt es im Zusammenhang mit dem beschriebenen Genehmigungsvorbehalt auch noch einen weiteren rechtlichen Aspekt, den ich ansprechen möchte.
Nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB ist die Genehmigung (zur Umwandlung) zu erteilen, wenn sich die Eigentümerin bzw. der Eigentümer verpflichtet, innerhalb von 7 Jahren ab der Begründung von Wohnungseigentum nur an Mieterinnen bzw. Mieter zu veräußern.
Danach unterliegen diese Wohnungen keiner entsprechenden Beschränkung mehr, d.h. die Eigentümerin bzw. der Eigentümer ist in der Entscheidung frei, an wen sie bzw. er verkaufen möchte.
Aus Sicht der Landeshauptstadt München ist ein solcher Zeitraum jedoch nicht ausreichend, um die Mieterinnen und Mieter wirksam vor einer Verdrängungsgefahr durch Umwandlung von Wohnraum in Wohneigentum zu schützen.
Gerade im Zusammenhang mit der häufig für einen längeren Zeitraum beabsichtigten Bewirtschaftung und einer mindestens jahrzehntelangen Lebensdauer einer Immobilie erscheint eine siebenjährige Frist, innerhalb derer eine Wohnung nur an die Mieterinnen und Mieter veräußert werden darf, vergleichsweise zu kurz und überschaubar.
Damit fasse ich die Forderungen der Landeshauptstadt München wie folgt zusammen:
1.Es werden die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass ein Genehmigungsvorbehalt für Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnraum nicht nur in Erhaltungssatzungsgebieten, sondern flächendeckend in Kommunen mit erhöhtem Wohnungsbedarf (gem. Art. 5 BayWoBindG) möglich ist.
2.Der oben beschriebene Zeitraum von 7 Jahren, innerhalb dessen im Rahmen der Erteilung einer Genehmigung nur an die Mieterinnen und Mieter verkauft werden darf, wird auf mindestens 15 Jahre erhöht. Sehr geehrter Herr Bundesminister Seehofer, ich bitte Sie, sich bei diesem für viele Menschen so wichtigem Thema für eine entsprechende bundesrechtliche Änderung zur Realisierung der genannten Punkte einzusetzen. Von entsprechenden Regelungen würden neben den Bürgerinnen und Bürgern Münchens auch viele weitere Bürgerinnen und Bürger in anderen Kommunen Deutschlands profitieren.“