Welche Konsequenzen hat die rechtswidrige Abschiebung eines Münchner Uiguren?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Gülseren Demirel, Katrin Habenschaden, Dominik Krause und Dr. Florian Roth (Fraktion Die Grünen – rosa liste) vom 8.8.2018
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
In Ihrer Anfrage vom 8.8.2018 führen Sie Folgendes aus:
„Am 3. April 2018 wurde ein in München lebender Uigure nach China abgeschoben, obwohl er einen Asylfolgeantrag gestellt hatte, der am gleichen Tag bei der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zur Anhörung vorgesehen war. Während dieses Verfahrens hätte die Abschiebung nicht vollzogen werden dürfen. Laut Presseberichten behauptet das Münchner Kreisverwaltungsreferat, ein über den Folgeantrag informierendes Fax des BAMF nicht erhalten zu haben. Die Minderheit der Uiguren ist in China vielfältiger Verfolgung ausgesetzt. Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, hat sich daher gegen Abschiebungen von Uiguren nach China ausgesprochen. Es sei bekannt, ‚wie repressiv die Lage für Uiguren ist, und insbesondere für Uiguren, die im Ausland waren oder Auslandskontakte hatten‘.“
Zu Ihrer Anfrage vom 8.8.2018 nimmt das Kreisverwaltungsreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters wie folgt Stellung:
Frage 1:
Ist zwischen dem BAMF und dem KVR mittlerweile der Verbleib des fraglichen Faxes geklärt?
Antwort:
Das Fax des BAMF, das das KVR über die Asylfolgeantragsstellung informieren sollte, ist im KVR nicht eingegangen. Die Ausländerbehörde forderte zur Aufklärung dieses Umstands vom BAMF das Faxprotokoll für den Versand des Asylfolgeantrags an. Das BAMF versendet seine Telefaxe auf Grundlage des EDV-gestützten Aktenverwaltungssystems „MARIS“. Dieses generierte für den Asylfolgeantrag vom 29.3.2018 einen positiven Sendebericht. Im Sachgebiet Asylangelegenheiten werden die eingehenden Faxe von einem Multifunktionsgerät ausgedruckt. Das Empfangsprotokoll dieses Faxgerätes weist für den 29.3.2018 keinen entsprechenden Faxeingang für den Absender und den in Betracht kommenden Zeitraum aus. Nach wie vor kann das Kreisverwaltungsreferat deshalb den Faxeingang nicht bestätigen. Dennoch überprüft das Kreisverwaltungsreferat geradedie technischen Einzelheiten der Übermittlungswege, um aufzuklären, ob Schwachstellen vorliegen, die bislang trotz Tests nicht ausgemacht werden konnten.
Frage 2:
Wie kann sichergestellt werden, dass sich Fälle wie diese nicht wiederholen und Menschen nicht wegen einer Kommunikationspanne in Lebensgefahr geraten?
Antwort:
Das Kreisverwaltungsreferat ist sich der Notwendigkeit einer Verbesserung der Kommunikation gerade in diesen Fällen bewusst. Am 20.8.2018 fand ein Arbeitstreffen mit dem BAMF statt. Hierbei wurden konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Kommunikation festgelegt, insbesondere in den Fällen, in denen die Frist zur freiwilligen Ausreise abgelaufen ist, der Ablauf unmittelbar bevorsteht oder in denen Duldungen mit einer auflösenden Bedingung versehen sind. In diesen Fällen sollen alle Kommunikationskanäle genutzt werden, um einer Störung durch Ausfall eines Kommunikationsmittels entgegenzuwirken.
Zudem werden wir im Rahmen der regelmäßigen Vorsprachen die Betroffenen und deren Bevollmächtigten künftig nochmals ausdrücklich bitten, uns immer zeitnah über alle Umstände zu informieren, welche Einfluss auf das Aufenthaltsrecht haben könnten.
Frage 3:
Trifft es zu, dass der Geschädigte den vollziehenden Polizisten die Ladung des BAMF vorlegen konnte, dies jedoch ignoriert wurde (vgl. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/abschiebung-anwalt-will-uiguren-aus-china-zurueckholen-lassen-a-1221923.html). Ist ein solches Vorgehen Usus bei Abschiebungen in München?
Antwort des Polizeipräsidiums München:
Das zuständige Polizeipräsidium München teilte zu dieser Frage Folgendes mit:
„Per Fax wurde der Polizeiinspektion 24 – München Perlach am 27.3.2018 mitgeteilt, dass Herr A. am Dienstag, den 3.4.2018 vom Flughafen München aus via Warschau nach China abgeschoben werden soll. Das entsprechende Luftabschiebeersuchen (Az.: KVR-II/331AV) vom 19.3.2018 wurde durch die Landeshauptstadt München gestellt. Das Ersuchen wurde am3.4.2018 vollzogen. Herr A. wurde in seiner Unterkunft angetroffen, zum Flughafen München transportiert und dort der Bundespolizei überstellt. Den eingesetzten Einsatzkräften wurde ein für die Durchführung des Einsatzes relevantes Schriftstück durch Herrn A. nicht vorgezeigt.“
Frage 4:
Wie verfährt das Kreisverwaltungsreferat üblicherweise in Fällen ausreisepflichtiger Uiguren? Werden Uiguren trotz der desaströsen Menschenrechtslage in China abgeschoben?
Antwort:
Die Menschenrechtslage kann vom Kreisverwaltungsreferat nicht eigenständig beurteilt werden. Vielmehr ist es an die Entscheidung des BAMF im Asylverfahren gebunden, das alle zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse und damit die Menschenrechtslage in einem Land prüft. Für die Volksgruppe der Uiguren existierte zum Zeitpunkt der Abschiebung auch kein ministeriell angeordneter Abschiebestopp. Die Ausländerbehörde vollzieht eine Ausreisepflicht dann nicht, wenn Gründe für eine Aussetzung der Abschiebung (Duldung) vorliegen. In diesem Fall lagen seit dem 1.3.2018 keinerlei Duldungsgründe mehr vor, aufgrund derer die Ausländerbehörde von einem Vollzug der Abschiebung hätte absehen können.
Frage 5:
Bemüht sich das KVR um eine Rückholung des zu Unrecht Abgeschobenen? Falls ja, auf welchen Wegen?
Antwort:
Es existieren keine gesetzlichen Regelungen zur Zuständigkeit und zum Verfahren für die Rückholung einer Person, die trotz eines gestellten Asylfolgeantrags abgeschoben wurde. Auch eine Pflicht zur Rückholung ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die Ausländerbehörde steht mit dem Anwalt des Betroffenen und den zuständigen Behörden (BAMF, AA, StMI) in Kontakt, um das weitere Vorgehen abzustimmen und die Möglichkeit einer Rückholung zu klären. Leider konnte bislang trotz vielfältiger Bemühungen keine Kontaktmöglichkeit zu dem Betroffenen ermittelt werden.