Nahe am Wasser
Antrag Stadtrats-Mitglieder Kristina Frank, Marian Offman und Sebastian Schall (CSU-Fraktion) vom 16.5.2018
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (I) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 16.05.2018 haben Sie beantragt, das Referat für Stadtplanung und Bauordnung zu beauftragen, Grundstücke aufzuzeigen, auf denen ein Potential für Bauen mit Wasserbezug entwickelt werden kann.
Nach Paragraf 60 Absatz 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtrats-Mitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Artikel 37 Absatz 1 GO und Paragraf22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, weil in dieser Angelegenheit – wie nachfolgend noch erläutert wird – das Bau-, Naturschutz- und Wasserrecht weitgehend keinen Handlungsspielraum zulassen und zudem für das Stadtgebiet München auch keine relevanten Entwicklungspotentiale gesehen werden. Darüber hinaus sind entsprechende bauliche Vorhaben am Wasser nicht per se ausgeschlossen beziehungsweise im begründeten Einzelfall möglich; dies ist allerdings individuell im jeweiligen Genehmigungsverfahren zu erörtern und zu prüfen. Eine grundsätzliche Bedeutung wird in dieser Angelegenheit daher nicht erkannt und es sind diesbezüglich auch keine erheblichen Verpflichtungen zu erwarten. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag vom 16.05.2018 teilt Ihnen das Referat für Stadtplanung und Bauordnung unter Einbindung des Referates für Gesundheit und Umwelt Folgendes mit:
Naturräumliche Grundlagen:
Zu den mit dem Antrag angesprochenen topographischen Gegebenheiten möchte ich kurz ausführen, dass das Gebiet der Landeshauptstadt München zum größten Teil auf den Schotterterrassen eiszeitlichen Ursprungs liegt und sich damit durch eine ausgeprägte Armut an natürlichen Oberflächengewässern auszeichnet. In diesen Bereichen verliefen ursprünglich nur die Würm, die Isar und der Hachinger Bach. Die Amper verläuft vollständig außerhalb des Stadtgebietes. Natürlich entstandene Seen fehlen. Lediglich an den Stadträndern im Nordwesten, Norden und Nordosten, in den Über-gangszonen zum Dachauer und zum Erdinger Moos gibt es eine Reihe von natürlichen Bachläufen.
Bis heute sind dann im Zuge der Besiedlung und der wirtschaftlichen Nutzung zusätzlich eine Vielzahl von Gräben, Stadtbächen, Kanälen, Teichen in Grünanlagen und Baggerseen entstanden.
Bedeutung der Gewässer für Erholung und Naturschutz:
Eine gezielte und planmäßige Inanspruchnahme von Gewässerrandbereichen zur Bebauung kommt aus Sicht des Referats für Stadtplanung und Bauordnung aus verschiedenen Gründen nicht in Betracht.
Im eng begrenzten Stadtgebiet der Landeshauptstadt sind die zuvor genannten Strukturelemente, wie beschrieben, vergleichsweise selten. Zielkonflikte mit anderen freiraumbezogenen Bewirtschaftungs-, Entwicklungs- und Nutzungsinteressen sind hingegen besonders häufig. Aus planerischer Sicht sollte dabei in unmittelbarer Nähe von Fließ- und Stillgewässern regelmäßig einer öffentlich zugänglichen und freiraumbezogenen Flächennutzung der Vorrang eingeräumt werden. Beispiele wie der „Isarplan“ zur Entwicklung des südlichen Isarabschnitts im Stadtgebiet sind in ihrer Konzeption und in ihrer Umsetzung gerade deshalb erfolgreich, weil es gelang, verschiedene öffentliche Belange und Anliegen (hier insbesondere Hochwasserschutz, Erholungsflächenvorsorge und Naturschutz) auf engem Raum zu vereinen. Auch wurde hierüber an den Gewässerrändern die Durchlässigkeit gleichwohl für Erholungssuchende wie für Tiere und Pflanzen verbessert. Hält man sich allein dieses Beispiel vor Augen, zeigt sich eindringlich, welche Verluste für die Allgemeinheit sowie für die wichtige grüne bzw. blaue Infrastruktur der Stadt durch eine fiktive Bebauung der Uferbereiche entstanden wären. Die Lebensqualität in München wird ganz wesentlich davon bestimmt, dass hierüber wichtige Freiraum- und Versorgungsfunktionen für die Stadtgesellschaft gewährleistet sind und auch das Grün- und Freiraumstrukturen gut vernetzt werden.
Rechtliche Rahmensetzungen:
Nachfolgend wird im Einzelnen ausgeführt, dass einer Bebauung von Gewässerrandbereichen in der Regel auch mehrere rechtliche Hürden entgegenstehen, vor allem auf Grundlage des Naturschutzes und Wasserrechts.
Bezüglich Ihrer Intention weist das RGU in eigener Zuständigkeit insbesondere vorsorglich darauf hin, dass bei Projekten an Oberflächengewässern in der Regel ein wasserrechtliches Genehmigungsverfahren gemäß Art. 20 BayWG erforderlich wird, wenn sie an Isar oder Würm liegen oder aber anGewässern III. Ordnung, für die die Regierung von Oberbayern eine derartige Genehmigungspflicht begründet hat (z.B. Eisbach, Schwabinger Bach). Dabei wird geklärt, inwiefern Einwirkungen auf das benachbarte Gewässer bestehen und wie diese ausgeglichen oder besser vermieden werden können. Hochbauten, die an Isar, Würm oder am Hachinger Bach liegen, bedürfen einer Ausnahmegenehmigung nach § 78 WHG, wenn sie in einem festgesetzten (Würm/Hachinger Bach) oder vorläufig gesicherten (Isar) Überschwemmungsgebiet liegen. Dabei wird insbesondere überprüft, wie sich das Projekt auf den Abfluss im Gewässer auswirken kann.
Für die Flüsse Isar, Würm und Hachinger Bach sowie den Würmkanal wurden und werden Überschwemmungsgebiete festgesetzt bzw. vorläufig gesichert, in denen das Bauen nur eingeschränkt möglich ist beziehungsweise Kompensationsmaßnahmen für verlorengehende Funktionen (Rückhaltefunktion, Versickerungsfunktion, Hochwasserabfluss) erforderlich sind. Außerdem beinhaltet die europäische Wasserrahmenrichtlinie die Verpflichtung, die Gewässer in einen günstigen ökologischen Zustand zu versetzen. Dies beinhaltet häufig, dass vorhandene Uferbefestigungen entfernt werden und Fließgewässer möglichst frei in ihrem Bett fließen sollen. Dies steht in vielen Fällen im Widerspruch zu einer sehr ufernahen Bebauung, die vor Hochwasserereignissen geschützt werden muss.
Bauliche Anlagen in Gewässernähe haben in München in vielen Fällen auch unmittelbare Auswirkungen auf das Grundwasser und sind dann auch vor diesem Hintergrund wasserrechtlich zu beurteilen.
Nach Artikel 141 Abs. 3 Satz 3 der Bayerischen Verfassung sind Staat und Gemeinde berechtigt und verpflichtet, der Allgemeinheit die Zugänge zu Bergen, Seen, Flüssen und sonstigen landschaftlichen Schönheiten freizuhalten und allenfalls durch Einschränkungen des Eigentumsrechtes freizumachen sowie Wanderwege und Erholungsparks anzulegen. Das Bayerische Naturschutzgesetz regelt diesen Verfassungsauftrag näher und legt in Art. 27 Abs. 1 unter anderem fest, dass alle Teile der freien Natur, darunter Uferstreifen von jedermann unentgeltlich betreten werden können. Bei der Ausübung dieses Rechts ist auf die Belange der Grundstückseigentümer und Nutzungsberechtigten Rücksicht zu nehmen (Art. 26 Abs 2 Satz 2 Bayerisches Naturschutzgesetz).
Die Landeshauptstadt München ist diesem gesetzlichen Auftrag bereits früh durch die Ausweisung von Landschaftsschutzgebieten nachgekommen. Außerdem wird bei der Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts stets geprüft, ob eine Zugänglichkeit der Allgemeinheit zur freien Natur beziehungsweise zu Gewässerufern sinnvoll verwirklicht werden kann.Die Flüsse Isar und Würm sowie der größte Teil ihrer Nebengewässer liegen innerhalb von Landschaftsschutzgebieten. In diesen Gebieten sind Neubauten von baulichen Anlagen und Straßen auf Grundlage der jeweiligen Schutzverordnungen nicht möglich. An der Würm gibt es im Gegensatz zur Isar allerdings auch Bereiche, die nach § 34 BauGB zu beurteilen sind. Zusätzliche Gebäude in Landschaftsschutzgebieten, insbesondere auch für gastronomische Nutzungen können in der Regel daher nicht oder nur schwierig mit naturschutzrechtlichen Schutzgütern vereinbart werden.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist das Potential für zusätzliches gewässernahes Bauen in München an den o.g. Gewässern derzeit eher gering bzw. nicht vorhanden.
Sehr wenig Möglichkeiten gibt es auch an den stehenden Gewässern in München, da es sich entweder um Teiche und Seen in öffentlichen Grünanlagen sowie Friedhöfen handelt oder um in Erholungsgebieten gelegene Badeseen.
Stadtbäche:
Es gibt nur sehr wenige Einzelbeispiele – insbesondere an Stadtbächen – für so eine Konstellation. Zum Beispiel sind aus der historischen Entwicklung heraus die Ufer des Auer Mühlbachs und von anderen Stadtbächen bebaut.
Auch in aktuellen wenigen Beispielen von Bebauungsplanungen an solchen Stadtbächen werden regelmäßig auch die Gesichtspunkte der Erholungsnutzung und der ökologischen Verbesserung von Gewässern berücksichtigt, so zum Beispiel am Maria-Einsiedel-Mühlbach (ehemaliges Gelände des Thalkirchner Bahnhofs) oder – ganz aktuell in der Planung am Garchinger Mühlbach (Freisinger Landstraße, ehemaliges Floriansmühlbad).
Dabei können natürlich auch gastronomische Nutzungen zusammen mit der Bebauung an solchen Stadtbachsituationen umgesetzt werden.
Die Freilegung von Stadtbächen liegt in der Zuständigkeit des Baureferates und wird von diesem im Einzelfall geprüft. Auch hier können verschiedene technische und rechtliche Hürden einer baulichen Realisierung entgegenstehen. Von Seiten des Referates für Stadtplanung und Bauordnung ist die Prüfung weiterer Möglichkeiten zur Öffnung von Stadtbächen grundsätzlich aus Sicht des Städtebaus, der Grünplanung und des Naturschutzes zu begrüßen.
Mit entsprechenden Stadtbachprojekten in den stark versiegelten Innenstadtbereichen kann das Leitthema Freiraum und Verdichtung der Konzep-tion „Freiraum M 2030“ qualitätvoll und attraktiv konkretisiert werden. Übergeordnetes Ziel ist es dabei, wie schon zuvor beschrieben, die Aufenthaltsqualität an Gewässern in München für die Allgemeinheit zu verbessern.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.