In der Ausstellung "München weiterdenken - 125 Jahre Stadtentwicklung" in der Rathausgalerie kann man sich davon überzeugen, dass die Frage nach dem richtigen Baustil die Stadt München über die Jahrzehnte hinweg immer beschäftigte. Konnte Theodor Fischer noch seine Vorstellung von der Stadt und öffentlichen Räumen in einen Generalbebauungsplan fassen und die entsprechenden architektonischen Leitbauten dazu selber entwerfen, stehen Stadtplaner und Architekten heute gemeinsam mit Akteuren der Politik, der Bürgerschaft und mit den Bauträgern in vielfältigen Prozessen. Die Stadt München fordert in vielen Fällen zu Recht Wettbewerbsverfahren aus der Überzeugung heraus ein, dass erst aus der Varianz und Entwurfsdiskussion die beste Lösung für die Aufgabe und den jeweiligen Ort gefunden werden kann. Dafür wirbt die Münchner Stadtplanung mit allen Instrumenten, die ihr zur Verfügung stehen.
Jedes Bauvorhaben ist anders; dies drückt sich in den unterschiedlichsten Formen von Gutachterverfahren, Workshops und Mehrfachbeauftragungen aus, die in München integrierte partizipative Elemente wie neue Formen der Bürgerbeteiligungen beinhalten. Offene Wettbewerbe wurden für die Prinz-Eugen-Kaserne durchgeführt, der Wettbewerb OpenScale richtete sich gezielt an die jüngeren Architekten. Das Planungsreferat stellt seit geraumer Zeit Standards und Regelwerke auf den Prüfstand und engagiert sich bei Bund und Städtetag in den entsprechenden Fachgremien, den Rechtsrahmen zu vereinfachen. Die Einführung des Urbanen Gebietes, die Änderungen im Abstandsflächenrecht sowie die aufgezeigte Reform des Vergaberechts sind darauf zurückzuführen. Zurecht fordert die Münchner Stadtplanung gemeinsam mit den Architekturverbänden eine Standardreduzierung auf Bundesebene ein.
Was kann die Stadt also selbst für gute Architektur tun?
Sie kann den Rahmen setzen, in welchem der Dialog über Architektur und Städtebauqualität geführt wird, und tut dies mit großem Engagement. Eigene städtische Wettbewerbe gehen neue innovative Wege: So wird beim Kreativquartier im Auftrag der Stadt von dem jungen Büro Teleinternetcafé aus Berlin eine ungewöhnliche, offene Konzeption umgesetzt. Beim Nockherberg und in der Bayernkaserne wurden partizipative Elemente bereits in den Wettbewerb mit eingebracht, und in Freiham entsteht von West 8 aus Holland ein innovatives neues städtebauliches Konzept, welches die Freiraumkonzeption und den öffentlichen Raum in den Mittelpunkt stellt. Die Stadt schlägt regelmäßig junge Architekturbüros und sehr unterschiedliche Architektenpersönlichkeiten aus ganz Europa für Wettbewerbe vor. So gewann Nieto Sobejano Arquitectos den ersten Preis für die Bavariatowers, der nun als neues Stadttor Ost am Vogelweideplatz als besondere architektonische Landmark entsteht. Auch der städtische Wettbewerb am Hanns-Seidel-Platz von Delugan Meissl Associated Architects und Helmut, Wien, wagt ein neues innovatives Zeichen für die Mitte in Neuperlach zu setzen.
Mit dem Pilotprojekt Dantebad – Wohnen über dem Parkplatz hat die Stadt in eigener Sache zusammen mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewofag und dem Architekten Florian Nagler ein deutschlandweit bemerkenswertes Pilotprojekt sowohl von der Nutzung als auch von der architektonischen Gestaltung in Rekordzeit umgesetzt. Die Stadt unterstützt Bauherrn bei Wettbewerben oder mit Beratergruppen in den einzelnen Quartieren und ebenso die Stadtgestaltungskommission als ein Gremium, welches die Architekturqualität zum Thema hat.
Gute Architektur braucht Architekten, die bereit sind, für Qualität einzustehen, und gute Bauherren, die sich für die Umsetzung der architektonischen und städtebaulichen Idee engagieren und ins Risiko gehen.
Die Stadt München fördert das genossenschaftliche Bauen, und die Genossenschaften zeigen, worauf es ankommt: großes Engagement und Identifikation mit dem Stadtquartier. Die Wohnanlage von WagnisART im Domagkpark hat dafür den diesjährigen Preis des Deutschen Architekturmuseums (DAM) erhalten, den DGNB Preis „Nachhaltiges Bauen“ und 2016 den Deutschen Städtebaupreis.
Es stellt sich also die Frage, weshalb die guten Projekte so wenig Nachahmer finden.
Hier gilt es, eine kulturelle Auseinandersetzung über das Bauen in München zu wagen. Denn es geht nicht nur um Wettbewerbe und ihre Zusammensetzung oder die Frage nach der Größe der Gremien und ihrer Teilnehmer, sondern vielmehr um den Willen zur Prägnanz und zur Gestalt. Deutlich zu machen ist, dass bei privaten Auslobern die Stadt auf die Auswahl der Architekten und die Art des Verfahrens nur begrenzt Einfluss hat. Es ist bedauerlich, dass viele private Bauträger auf Nummer sicher gehen und sich scheuen, Newcomer oder innovative Büros einzuladen. Gleichzeitig muss gewürdigt werden, dass in München sehr viele Bauherrn sich freiwillig auf ein Wettbewerbsverfahren einlassen. Damit ist es dennoch nicht getan, denn bei der Umsetzung von guten Wettbewerbsergebnissen braucht es den Mut der Bauherrn, die Qualität des ersten Preises umzusetzen. Wir appellieren an die Bauherrenschaft, mehr Mut zur kreativen und experimentellen Umsetzung zu wagen.
Das Instrument des Baurechtes bietet hier zu wenig, um die Qualität in der Baugenehmigung einzufordern. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung ist ständig dabei, Spielräume zu nutzen, stößt aber an Grenzen des Vergaberechtes und anderer gesetzlichen Vorschriften.
Hier ist die Haltung der Stadtgesellschaft und der Politik gefordert, sich dem Nivellieren von Qualität entgegenzustellen. Architektur braucht Unterstützer und nicht lokale Egoismen, die weniger Hoch, weniger Farbe, schlichtweg oft weniger Architektur wollen. Dennoch soll nicht einer Effekthascherei in der Architektur das Wort geredet werden.
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung wird dem Stadtrat vorschlagen, eine stadtgestalterische Studie zu Hochhäusern für München zu beauftragen, um neue Wege zu gehen.
Die Stadtplanung in München fördert gute Architektur und Städtebau mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. Die Frage, ob Qualität überhaupt über demokratische Prozesse in der Architektur erzielt werden kann, darf positiv beantwortet werden: immer dann, wenn architektonische Entwürfe in hoher Qualität zur Entscheidung vorliegen.
Gemeinsames Ziel aller muss also sein, prägnanter und in höherer Qualität die entsprechenden Entscheidungsgremien zu bestücken. Die Wege dahin sind vielfältig: vom offenen Wettbewerb für alle bis hin zur eingeladenen Stararchitektin. Die Diskussion ist eröffnet – Architecture Matters!