Auf den Wunsch König Ludwigs I. hin, dass jede Kommune eine Chronik führen sollte, um so das Bewusstsein der Bevölkerung für die eigene Geschichte zu schärfen, entschloss sich 1845 auch München, ein städtisches Tagebuch einzurichten und dieses sogar bis 1818 zurückzuarbeiten, denn seit diesem Jahr gewährte das Gemeindeedikt den bayerischen Kommunen nach der Ära Montgelas wieder mehr Selbständigkeit. Das Medium „Stadtchronik“ erschien daher auch geeignet, langfristig eine systematische Überlieferung anzulegen. 19 Chronisten schrieben bis jetzt die Münchner Stadtchronik weiter. Am 31. Dezember 2017 hat nun aber das Stadtarchiv die Arbeit an der Chronik eingestellt.
Im 21. Jahrhundert kann die seit mehr als 170 Jahren geübte tagebuchartige Chronik-Führung in ihrer herkömmlichen Art kein Mittel mehr für die Dokumentation des Lebens in der bayerischen Landeshauptstadt sein. Das Alltagsgeschehen in der Millionenstadt München lässt sich in seiner ganzen Fülle in einer Stadtchronik nicht mehr erfassen. Angesichts heutiger Informationsflut ist der Inhalt der Chronik mittlerweile zu punktuell und selektiv geworden, um später noch einmal als ernstzunehmende, aussagekräftige Quelle dienen zu können. Auch wegen der viel umfassenderen Recherchemöglichkeiten, die das Internet bietet, müsste ein Weiterführen der Münchner Stadtchronik als Anachronismus gelten.
Wenn die Münchner Stadtchronik mit ihren mittlerweile 74 Regalmetern nun auch ein als abgeschlossen geltender Bestand des Stadtarchivs München ist, so bleibt sie eine außergewöhnlich reiche Quelle zu 200 Jahren Münchner Alltagsleben, wie sie vergleichbar in keiner deutschen Stadt vorhanden ist. Es versteht sich von selbst, dass weiterhin an ihrer Erschließung für die breite Öffentlichkeit gearbeitet wird.
Das Stadtarchiv München wird sich zur Dokumentation des Münchner Alltagsgeschehens in Zukunft stärker auf seine zeitgeschichtlichen Sammlungen konzentrieren und hat dafür bereits ein zeitgemäßes Sammlungsprofil entwickelt, das – neben der kommunalarchivischen Überlieferungsbildung – die Abbildung politischer Prozesse sowie der lokalen Gesellschaft und deren Lebenswirklichkeit vorsieht. Künftig sollen Ereignisse, Phänomene, Strukturen und handelnde Personen im Großen wie im Kleinen sowie – und darin sieht das Stadtarchiv München eine besondere Verpflichtung – die jüdische Geschichte Münchens sowie die migrantischen Lebenswelten und die Auswirkungen des politischen, sozialen und kulturellen Wandels der Stadtgesellschaft seit dem 19. Jahrhundert durch die verstärkte Übernahme von Unterlagen nichtstädtischer Provenienz dokumentiert werden. In diesem Sinne arbeitet auch das bereits bestehende Projekt „Migration bewegt die Stadt“.