Öffentlich formulierte Mordabsichten bei Pegida München
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Gülseren Demirel und Dominik Krause (Fraktion Die Grünen/Rosa Liste) vom 7.11.2017
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage vom 7.11.2017 zur Beantwortung überlassen. Für die gewährte Fristverlängerung bedanke ich mich.
Inhaltlich teilen Sie Folgendes mit:
„Auf einer Kundgebung vor dem DGB-Haus am 3.11.2017 hat der Münchner Pegida-Ableger ein Bild auf eine Leinwand projiziert mit dem Wortlaut: ‚Von Wies‘n bis DGB Haus ist‘s nicht weit/Da nimmt sich Paulchen gerne Zeit/Zu Gast heut bei der PEGIDA/erblickt er drüben die Antifa/Und denkt bei sich. ‘Es müsst die Plagen,/doch jetzt der DGB verjagen./Irgendetwas läuft hier schief,/Wie gut, dass man das Paulchen rief!‘/Von jetzt ab, da ist eines klar: Das Paulchen jagt bald Antifa!‘ (sic!) Damit artikuliert Pegida München öffentlich Mordabsichten. Zum einen wird Bezug auf das mutmaßlich von der rechtsradikalen ‚Wehrsportgruppe Hoffmann‘ verübte Oktoberfestattentat genommen. Zum anderen bezieht sich der Text auf das Bekennervideo des NSU. In diesem bekennt sich die rechtsradikale Terrorzelle zu einer Reihe von Mordtaten und Sprengstoffan- schlägen, hinterlegt mit Audio- und Filmsequenzen aus der Serie ‚Der rosarote Panther‘“.
Zur umfassenden Beantwortung Ihrer Fragen habe ich das Polizeipräsidium München, das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz sowie das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr um Stellungnahme gebeten. Zusammenfassend beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:
Frage 1:
Welche strafrechtlichen Konsequenzen hat das Zeigen des oben genannten Textes?
Antwort des Polizeipräsidiums München vom 29.11.2017:
„Seitens des Kriminalfachdezernats 4 des Polizeipräsidiums München wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des hier zugrundeliegenden Sachverhalts eingeleitet. Die zuständige Staatsanwaltschaft München I wurde darüber in Kenntnis gesetzt.“Eine Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft München I sowie beim Amtsgericht München hat ergeben, dass das Strafverfahren weiterhin anhängig und noch nicht abgeschlossen ist.
Frage 2:
Welche versammlungsrechtlichen Konsequenzen hat das Zeigen des oben genannten Textes?
Antwort:
Die Versammlungsbehörde des Kreisverwaltungsreferates beobachtet das Versammlungsgeschehen von Pegida München e.V. umfassend und wertet alle Erkenntnisquellen, insbesondere die Stellungnahmen der beteiligten Sicherheitsbehörden, wie der Polizei und des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, sorgfältig aus.
Es kann festgestellt werden, dass sich das rechtsextremistische Gepräge bei den Versammlungen von Pegida München e.V. manifestiert hat. Diese Feststellung wird durch den Halbjahresbericht des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz für das Jahr 2017 bestätigt. Die Verdrängung des bürgerlich-konservativen Spektrums aus dem Teilnehmerkreis spiegelt sich auch in den sinkenden Teilnehmerzahlen wider.
Das Zeigen des oben genannten Textes hat gleichwohl nicht zur Folge, dass zukünftig Pegida-Versammlungen verboten werden könnten.
Ein präventives Verbot einer Versammlung ist eine Ultima-Ratio-Maßnahme, die nur dann in Betracht kommt, wenn konkrete Tatsachen vorliegen, die die Gefahr begründen, dass die Sicherheit und Ordnung durch die Versammlung zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses unmittelbar gefährdet ist. Vor Erlass eines Verbots sind im Rahmen der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mildere Mittel anzuwenden.
Im vorliegenden Fall müsste bei Annahme eines präventiven Verbots prognostiziert werden, dass die Pegida-Versammlungen ein volksverhetzerisches Gesamtgepräge aufweisen.
Dies ist jedoch nicht der Fall. Allein das Zeigen des oben genannten Textes führt nicht dazu, dass die Versammlungsbehörde ihre Gefahrenprognose auf verfassungsrechtlich hinreichend tragfähige Erwägungen stützen kann. Vor einem Verbot ist vielmehr zunächst gegen den Störer vorzugehen.
Auch nach Beginn der Versammlung sind Maßnahmen nach dem Bayerischen Versammlungsgesetz in nur sehr engen Grenzen möglich. Es obliegt der Polizei als Versammlungsbehörde, während der laufenden Versammlung im Lichte der Versammlungsfreiheit verhältnismäßige Maßnahmen zu treffen.
Soweit die Tatbestandsverwirklichung wie hier auf Redebeiträge und sonstige Äußerungen gestützt wird, ist von Verfassungs wegen zu berücksichtigen, dass der Inhalt einer Meinungsäußerung, der im Rahmen des Art. 5 GG nicht unterbunden werden darf, nicht zur Rechtfertigung von Maßnahmen herangezogen werden kann, die das Grundrecht des Art. 8 GG beschränken. Meinungen genießen den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, ohne dass es dabei auf deren Begründetheit, Werthaltigkeit oder Richtigkeit ankäme. Geschützt sind – in den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG – selbst rechtsextremistische Meinungen oder Meinungen, die auf eine grundlegende Änderung der politischen Ordnung zielen, unabhängig davon, ob und wie weit sie im Rahmen der grundgesetzlichen Ordnung durchsetzbar sind. Sie verlieren den Grundrechtsschutz auch dann nicht, wenn sie scharf und überzogen geäußert werden.
Das Zeigen des Textes war jedoch mitursächlich dafür, dass mit Bescheid vom 1.2.2018 gegenüber dem bisherigen Versammlungsleiter der Versammlungen des Pegida München e.V. ein erneutes Verbot hinsichtlich der Funktion als Versammlungsleiter bis zum 5.2.2019 ausgesprochen wurde.
Frage 3:
Gibt es seitens der Polizei und des Verfassungsschutzes eine Neueinordnung von Pegida München?
Antwort des Polizeipräsidiums Münchens vom 29.11.2017:
„Die Einstufung einer Gruppierung hinsichtlich einer extremistischen oder verfassungsfeindlichen Ausrichtung erfolgt ausschließlich durch das zuständige Landesamt für Verfassungsschutz.“
Antwort des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz vom 27.11.17:
„Die stationäre Kundgebung am 3.11.2017 korrespondiert mit der sich aus der Beobachtung gemäß Art. 3 BayVSG i. V. m. §§ 3 und 4 BVerfSchG ergebenden rechtsextremistischen Ausrichtung von PEGIDA München. Über die Beobachtung von PEGIDA München wird seit dem Jahre 2015 in den jährlichen bayerischen Verfassungsschutzberichten informiert. Die nach der weiterhin aktuellen Bewertung des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz rechtsextremistische Ausrichtung von PEGIDA München war im Übrigen Gegenstand des Halbjahresberichts für das Jahr 2017.“
Frage 4:
Intensivieren Polizei und Verfassungsschutz die Beobachtung von Pegida München, um diese öffentlich artikulierten Absichten zu verhindern?
Antwort des Polizeipräsidiums Münchens vom 29.11.2017:
„PEGIDA München wird vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz als extremistische Bestrebung beobachtet. Seitens des Polizeipräsidiums München erfolgt auf Grund mangelnder Zuständigkeit keine Beobachtung. Präventivpolizeiliche Maßnahmen, die sich nach Maßgabe des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz – PAG) richten, bleiben davon unberührt.“
Antwort des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz vom 27.11.17:
„Ob gemäß den Mutmaßungen im Sprachgebrauch der schriftlichen Anfrage vom 7.11.2017 ‚öffentlich artikulierte Absichten‘ der PEGIDA-Kundgebung vom 3.11.2017 ‚verhindert‘ werden können, bemisst sich nach dem Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere dem Versammlungsrecht bzw. dem Strafrecht. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz kann mangels Zuständigkeit dazu keine Stellungnahme abgeben. Sollten dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz aber sachdienliche Erkenntnisse bekanntwerden, werden diese gemäß den Übermittlungsregelungen des Art. 25 Abs. 1 und 2 BayVSG den Sicherheitsbehörden mitgeteilt.“
Frage 5:
Prüft das Innenministerium aufgrund der artikulierten Absichten ein Verbot von Pegida München?
Antwort des Polizeipräsidiums Münchens vom 29.11.2017:
Auf die Antwort des Bayerischen Ministeriums des Innern, für Bau und Verkehr wird verwiesen.
Antwort des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 14.12.2017:
„In Bayern wird vom Mittel der Vereinsverbote konsequent Gebrauch gemacht, wenn die vorliegenden Beweismittel ein rechtlich belastbares Vorgehen gegen den Verein rechtfertigen. In Übereinstimmung mit dem Bund und den Ländern lehnt es das Bayer. Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr jedoch ab, sich zu etwaigen Verbotsüberlegungen öffentlich zu äußern, da sich sonst die betroffenen Organisationen rechtzeitig darauf einstellen und die Wirkung solcher Maßnahmen unterlaufen würden.“