Altersbestimmung von Flüchtlingen Was spricht für, was gegen den Einsatz einer in den USA entwickelten DNS-Analyse?
Anfrage Stadträte Fritz Schmude und Andre Wächter (Liberal-Konservative Reformer) vom 18.1.2018
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
In Ihrer Anfrage vom 18.1.2018 führen Sie Folgendes aus:
„Politiker wie Bundesinnenminister Thomas de Maiziére und SPD-Fraktionschefin Andreas Nahles forderten in den vergangenen Tagen bundeseinheitliche Tests bei Flüchtlingen, über deren Alter Zweifel bestehen. (...)
Nun ist die Diskussion über die Altersfeststellung erneut hochgekocht, als letzte Woche der Fall des Afghanen Abdul D. durch die Presse ging, der im pfälzischen Kandel seine 15-jährige Ex-Freundin Mia erstochen haben soll. Eigenen Angaben zufolge ist Abdul D. ebenfalls 15 Jahre alt, doch mittlerweile gibt es auch daran Zweifel. Sollten also alle jugendlichen Flüchtlinge geröntgt werden, um ihre Altersangaben zu überprüfen? (...)
Der Landkreis Hildesheim hat vor einigen Monaten ein neues, in den USA entwickeltes Verfahren zur Altersbestimmung eingesetzt: die DNA-Analyse.
(…)
Für die DNA-Methode ist lediglich eine Probe aus Speichel oder Blut notwendig, anhand derer die so genannte Methylierung der Genbausteine analysiert wird, da sich daran altersbedingt chemische Veränderungen feststellen lassen.
Die Methode könnte die Diskussion um die Altersbestimmung von Flüchtlingen in Deutschland weiter befeuern. Allerdings verbietet es die deutsche Strafprozessordnung bislang, derart weitgehende DNA-Analysen in Strafprozessen durchzuführen. Außerhalb eines Strafverfahrens gelten andere Regeln: Wollen Jugendämter und Auslandsbehörden das Alter von mutmaßlich minderjährigen Flüchtlingen feststellen, gilt das Sozialgesetzbuch, das ‚ärztliche Untersuchungen‘ erlaubt.
(Quelle Stern
https://www.stern.de/tv/muss-eine-medizinische-altersfeststellung-fuer-jun-ge-fluechtlinge-pflicht-werden—7815176.html)“
Zu Ihrer Anfrage vom 18.1.2018 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
Was spricht für, was gegen den Einsatz des oben genannten Verfahrens zur Altersbestimmung durch DNA-Analyse?
Antwort:
In dem von Ihnen genannten Verfahren zur Altersfeststellung werden zwar Genbausteine untersucht, an denen sich altersbedingt chemische Veränderungen nachweisen lassen, so dass durch diese Veränderungen Rückschlüsse auf das biologische Alter eines Menschen gezogen werden können. Das tatsächliche rechnerische Alter lässt sich durch diese Methode jedoch nur auf 2,5 Jahre genau bestimmen. Da es bei der Altersfeststellung durch das Röntgen des Handwurzelknochens lediglich zu Abweichungen von bis zu 1,54 Jahren kommt, ist diese Vorgehensweise zuverlässiger als das von Ihnen dargestellte Verfahren.
Eine Röntgenuntersuchung in einem Altersfestsetzungsverfahren ist durch den Beschluss der Vollversammlung des Stadtrates vom 27.9.2017 immer dann erforderlich, wenn es sich um einen Zweifelsfall im Sinne des § 42f SGB VIII handelt und die im Antragspunkt 1 dargestellten Voraussetzungen vorliegen. Ferner hat das Stadtjugendamt von Amts wegen das Alter zu ermitteln, aber nicht per Radiologie (§ 20 und § 21 SGB X).
Zudem können unbegleitete Minderjährige nach der Registrierung im Young Refugee Center gem. § 42a SGB VIII nur während eines vierwöchigen Zeitraums verlegt werden. Ein DNA-Test nimmt einen Zeitraum von zwei bis zu sechs Monaten in Anspruch. Damit wäre die Frist überschritten und eine bundesweite Verlegung nicht mehr möglich.
Zudem fallen mit einer Altersfeststellung durch einen DNA-Test Kosten in Höhe von 3.000 Euro an. Damit ist dieses Verfahren teurer als das Röntgen des Handwurzelknochens, welches 1.100 Euro kostet.
Frage 2:
Darf der Stadtrat die Verwendung der DNA-Analyse zur Altersfeststellung beschließen?
Antwort:
Grundsätzlich kann der Stadtrat die regelhafte Verwendung von DNA-Analysen weder als flächendeckende Maßnahme zur Altersfeststellung noch als generelle Maßnahme zur Klärung von Zweifelsfällen beschließen. Er könnte lediglich sein grundsätzliches Einverständnis damit erklären, dass zukünftig im Rahmen gesetzlich notwendiger Altersfestsetzungen DNS-Analysen unter den Voraussetzungen durchgeführt werden, dass eine Ablehnung der Inobhutnahme aufgrund des Zweifels an der Minderjährigkeit konkret im Raum steht, die Betroffenen hierin einwilligen undinsbesondere, dass die untersuchenden Ärztinnen und Ärzte dies für die Altersbestimmung für erforderlich halten. Einer solchen Beschlussfassung stehen die in Antwort 1 dargestellten Nachteile einer DNA-Analyse gegenüber einer Röntgenuntersuchung entgegen.