Verspätet mit Rollstuhl und Kinderwagen in öffentlichen Verkehrsmitteln
Antrag Stadtrats-Mitglieder Anja Berger, Paul Bickelbacher, Katrin Habenschaden, Anna Hanusch, Jutta Koller, Angelika Pilz-Strasser, Oswald Utz, Sebastian Weisenburger (Fraktion Die Grünen – rosa liste) vom 18.2.2019
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrem Antrag fordern Sie, die Münchner Verkehrsgesellschaft mbH (MVG) solle Maßnahmen ergreifen, wie verspätete Ankünfte von RollstuhlfahrerInnen und Personen mit Kinderwagen vermieden werden bzw. diese Fahrgäste dann entschädigt werden sollen.
Nach § 60 Abs.9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Das Thema „Rollstühle und Kinderwagen in öffentlichen Verkehrsmitteln“ fällt jedoch nicht in die Zuständigkeit des Stadtrates oder als laufende Angelegenheit in die Zuständigkeit des Oberbürgermeisters, sondern in den operativen Geschäftsbereich der Münchener Verkehrsgesellschaft mbH (MVG). Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich. Daher wird der Antrag im Folgenden als Brief beantwortet.
Wir haben die MVG um Stellungnahme gebeten, die uns Folgendes zum jeweiligen Punkt mitgeteilt hat:
Frage 1:
Die MVG stellt dar, ob individuelle Verspätungen von RollstuhlfahrerInnen und Personen mit Kinderwagen in die MVG Garantie aufgenommen werden können, sofern sie dadurch zu Stande kommen, dass Fahrgästen die Mitnahme in überfüllten Fahrzeugen verweigert wird.
Antwort der MVG:
Die MVG betreibt als städtisches Verkehrsunternehmen mit U-Bahn, Straßenbahn und Stadtbus einen Großteil des Münchner öffentlichen Personen-Nahverkehrs-Angebotes. Grundlage für die Leistungserbringung stellen die Vorgaben des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) sowie die im Nahverkehrsplan der Landeshauptstadt München angestrebten Qualitätsstandards dar. Auf dieser Basis wird gemeinsam mit der Landeshauptstadt München jedes Jahr ein Leistungsprogramm beschlossen, das so entwickelt und konzipiert ist, dass vorhandene Mittel (Personal, Fahrzeuge, Infrastruktur) und Fahrgastnachfrage bestmöglich aufeinander abgestimmt sind. Die MVG ist als städtisches Verkehrsunternehmen gemäß PBefG zudem verpflichtet, ihre Leistungsangebote eigenwirtschaftlich zu betreiben. Leistungen, die von der Landeshauptstadt München gewünscht aber nicht eigenwirtschaftlich erbracht werden können, müssen betraut und von ihr finanziert werden.
Für das im Rahmen des oben beschriebenen Leistungsprogramms vereinbarten ÖPNV-Angebotes gewährt die MVG ihren Kunden als freiwillige Zusatzleistung eine Kundengarantie, wenn es aus betrieblichen Gründen (z.B. Fahrzeugausfall) zu Verspätungen über 20 Minuten kommt oder der letzte Anschluss vor Betriebsende verpasst wird. In diesen Fällen werden gegen Vorlage eines Fahrtnachweises (Ticket, PrintTicket, Zeitkarte, Kundenkarte) der Wert einer Single-Tageskarte (oder beim Verpassen des letzten Anschlusses die Taxikosten von maximal 25 Euro erstattet.
Keinen Garantiefall stellen Verspätungen dar, die nicht betrieblich bedingt sind und nicht in der Verantwortung der MVG liegen bzw. auf die diese keinen Einfluss hat. Hierzu gehören Verzögerungen bei angekündigten Maßnahmen, bei Veranstaltungen oder Verspätungen durch Stau, Falschparker, Unfall, Streik. Auch Verspätungen durch sehr hohes Fahrgastaufkommen oder das Zurückweisen von Fahrgästen stellen keinen Garantiefall dar. Dies gilt für alle Fahrgäste gleichermaßen. Gemäß § 15 des MVV-Gemeinschaftstarifes begründen „Abweichungen von Fahrplänen durch Verkehrsbehinderungen, Betriebsstörungen oder -unterbrechungen sowie Platzmangel“ keine Ersatzansprüche.
Die MVG sieht deshalb mit Verweis auf das vereinbarte Leistungsangebot, dem Gebot der Eigenwirtschaftlichkeit und den geltenden Beförderungsbestimmungen keine Möglichkeit, Fahrgäste im Rahmen der freiwilligen Kundengarantie zu entschädigen, wenn diese aufgrund des hohen Fahrgastaufkommens auf nachfolgende Fahrzeuge verwiesen werden müssen. Dies gilt für alle Fahrgäste gleichermaßen.
Auch wenn wir dem Antrag zu Punkt eins aus benannten Gründen nicht entsprechen können, ist uns bekannt und bewusst, dass es bei hohem Verkehrsaufkommen häufig die Rollstuhlfahrer sind, die zurückbleiben müssen, während sich andere Fahrgäste mit und ohne Kinderwagen noch schnell ins Fahrzeug „mogeln“ können. Wir werden deshalb versuchen, mit noch mehr weichen Maßnahmen (z.B. entsprechenden Hinweisen, Fahrgastfernsehen Münchner Kindl, Fahrerschulungen) auf ein rücksichtsvolles Miteinander hinzuwirken.
Frage 2:
Die MVG erfasst künftig die Fälle, in denen RollstuhlfahrerInnen/Personen mit Kinderwagen die Mitnahme in überfüllten Fahrzeugen verweigert wird und erstellt hierüber eine Statistik.
Antwort MVG:
Das Fahrpersonal muss gerade bei hohem Verkehrs- und Fahrgastaufkommen auf viele Dinge achten und schwierige Anforderungen erfüllen. Gerade in diesen Situationen, in denen das Fahrpersonal oftmals auch regulierend eingreifen muss, sollten diesem nicht noch zusätzliche Anforderungen und Vorgaben auferlegt werden. Zudem beinhalten diese Art der Statistiken den Nachteil, dass sie nicht auf Richtigkeit bzw. auf Vollständigkeit der eigentlich zu erfassenden Fälle überprüft werden können.
Die MVG schlägt deshalb alternativ vor, eingehende Beschwerden von Fahrgästen, die zurückbleiben müssen, zu erfassen und auszuwerten. Fahrgäste können sich hierzu grundsätzlich über den Kundendialog oder auch einfach telefonisch über die Kundenhotline unter Angabe von Linie, Uhrzeit und Abfahrtshaltestelle an die MVG wenden. Das genaue Vorgehen und auch die Auswertung hierfür kann sehr gerne im Rahmen des AK Barrierefrei zwischen der MVG und den Behindertenverbänden abgestimmt werden.
Antwort Behindertenbeirat der Landeshauptstadt München:
Es ist aus Sicht des Facharbeitskreis Mobilität sinnvoll, die Fälle statistisch zu erfassen, in denen Rollstuhlfahrer/Personen mit Kinderwagen die Mitnahme in überfüllten Fahrzeugen verweigert wird.
Unstreitig kann die gegenwärtige Situation allein durch eine dichtere Taktung des jeweiligen Verkehrsmittels und/oder einer Einrichtung von mehr Rollstuhlplätzen entspannt werden. Dazu ist aber zunächst die Kenntnis erforderlich, auf welchen Strecken dies in welchem Umfang erforderlich ist. Entschieden abzulehnen hingegen ist die von der MVG vorgeschlagene statistische Erhebung, indem die sich beschwerenden zurückgelassenen Fahrgäste erfasst werden. Ein solchermaßen entstehendes Bild ist nicht repräsentativ und von einer Vielzahl von Zufällen abhängig. Auch ist kein Grund ersichtlich, weshalb eine der MVG obliegende Verpflichtung zur Erstellung einer Statistik auf Fahrgäste abgewälzt werden soll, zumal damit ein erheblicher Zeitaufwand für letztere verbunden wäre. Die MVG bleibt daher aufgefordert, ein geeignetes, von ihr selbst durchzuführendes Verfahren zur statistischen Erfassung dieser Fälle zu erarbeiten.
Antwort Referat für Arbeit und Wirtschaft:
Das Referat teilt die Auffassung des Behindertenbeirates und bittet die MVG um Erstellung eines geeigneten Verfahrens zur Erfassung der oben genannten Fälle.
Frage 3:
Die MVG legt in einem Aktionsplan dar, wie sie Fälle, in denen eine verspätete Ankunft von Rollstuhlfahrern, Personen mit Kinderwagen dadurch zustande kommt, dass ihnen die Mitfahrt verweigert wird, künftig vermeiden möchte.
Antwort MVG:
Wie unter erstens dargelegt, erstellt die MVG jedes Jahr ein Leistungsprogramm, mit dem vorhandene Mittel und Fahrzeuge so eingesetzt werden, dass der Fahrgastnachfrage bestmöglich Rechnung getragen und möglichst keine Fahrgäste zurückgelassen werden müssen. Zudem reagiert die MVG auch bei ihren Fahrzeugbeschaffungen auf die sich ändernden Anforderungen. Deshalb werden z.B. Busse heute ausschließlich mit vergrößerten Multifunktionsbereichen und mindestens zwei Rollstuhlplätzen bestellt.
Auch der Einsatz von längeren Fahrzeugen wie dem Buszug oder längeren Straßenbahnen sowie neue Innenraumkonzepte bei künftigen U-Bahnbeschaffungen sollen dazu beitragen, dass mehr Fahrgäste mit und ohne Mobilitätshilfen oder Kinderwagen befördert werden können. Das gleiche gilt für den barrierefreien Ausbau der Haltestelleninfrastruktur. Sowohl beim barrierefreien Infrastrukturausbau als auch bei der Beschaffung neuer Fahrzeuge werden die Behindertenverbände schon heute eng mit einbezogen und beteiligt. Des Weiteren wird im Rahmen des fortzuschreibenden Nahverkehrsplanes festzulegen sein, welche Maßnahmen und Ausbaumaßnahmen in München ergriffen werden sollen, um die barrierefreie Zugänglichkeit des ÖPNVs herzustellen bzw. weiter zu verbessern. Alle diese Maßnahmen werden in Gänze dazu beitragen, dass Fahrgästen mit Einschränkungen und Mobilitätshilfen die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel vereinfacht und möglich gemacht wird.
Antwort Behindertenbeirat der Landeshauptstadt München:
Der FAK Mobilität würdigt durchaus die von der MVG dargestellten Verbesserungen und Bemühungen mit dem Ziel, einem barrierefreien ÖPNV näherzukommen. Dies ändert aber nichts daran, dass erst nach Vorliegen der unter Ziffer zwei geforderten statistischen Daten die daraus resultierenden Maßnahmen ersehen werden können. Diese werden sich keineswegs auf die skizzierten Punkte beschränken und sollten zweckmäßigerweise in dem geforderten Aktionsplan zusammengefasst werden.
Antwort Referat für Arbeit und Wirtschaft:
Das Referat hat daher die MVG aufgefordert, in Abstimmung mit dem Behindertenbeirat einen entsprechenden Aktionsplan zu erstellen.
Ich bitte Sie, von den vorstehenden Ausführungen Kenntnis zu nehmen, und hoffe, dass Ihr Antrag zufriedenstellend beantwortet ist und als erledigt gelten darf.