Geeigneten Wohnraum für Auszubildende und andere „Zielgruppen der Wohnungspolitik“ schaffen – welche Fortschritte gibt es?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Cetin Oraner und Brigitte Wolf (Die Linke) vom 24.5.2019
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(I) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 24.5.2019 haben Sie gemäß § 68 GeschO eine Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird:
In Ihrer Anfrage führen Sie aus, dass für spezielle Zielgruppen, die sonst kaum Möglichkeiten haben, auf dem freien Wohnungsmarkt eine passende Wohnung zu finden, neue bauliche Lösungen gefunden werden sollen. Im Mittelpunkt steht die Herausforderung, die Voraussetzungen für bezahlbaren Wohnraum im größtmöglichen Umfang zu schaffen, dabei möglichst zweckmäßige und kompakte Grundrisse zu entwickeln, um geplante Projekte zeitnah zu realisieren.
Für die gewährte Fristverlängerung zur Beantwortung möchten wir uns bedanken.
Frage 1:
Gibt es Angaben, wie viele Azubis derzeit in München auf Wohnungssuche sind?
Antwort:
Belastbare Zahlen, wie viele Auszubildende in München auf Wohnungssuche sind, liegen nicht vor. Das Referat für Bildung und Sport hat gemeinsam mit dem Sozialreferat und dem Referat für Arbeit und Wirtschaft im Jahr 2014 an den Münchner Berufsschulen in der Studie „Ausbildung und Wohnen in München“ und im Jahr 2018 in der gleichnamigen Folgestudie an den Münchner Berufsfachschulen u.a. die Wohnsituation der Berufsschülerinnen und Berufsschüler sowie der Berufsfachschülerinnen und Berufsfachschüler untersucht. Die beiden Erhebungen zeigen auf, wie die Auszubildenden wohnen, wie zufrieden sie mit ihrer Wohnsituation sind und wie sie den Münchner Wohnungsmarkt bewerten. Die Ergebnisse der Befragung an den Berufsschulen wurden in der gemeinsamen Sitzung des Bildungs-, des Kinder- und Jugendhilfeausschusses und des Ausschusses für Arbeit und Wirtschaft des Stadtrates am 14.4.2015, Sitzungsvorlagen Nr. 14 - 20/V 02626, bekannt gegeben. Die Ergebnisse der Befragung an den Berufsfachschulen wurden in der gemeinsamen Sitzung des Bildungs-ausschusses, des Ausschusses für Arbeit und Wirtschaft und des Sozialausschusses am 3.7.2019, Sitzungsvorlagen Nr. 14 – 20/V 15088 bekannt gegeben.
Danach wird deutlich, dass viele Auszubildende der Münchner Berufsschulen und Berufsfachschulen gerne von zu Hause ausziehen würden, sich diesen Wunsch angesichts der hohen Mieten in München jedoch nicht erfüllen können. Wie viele Jugendliche aktuell auf Wohnungssuche sind, wurde nicht erhoben. Viele der Befragten sind jedoch zwischen ihrem Ausbildungsbeginn und dem Zeitpunkt der Befragung schon mindestens einmal umgezogen. An den Berufsschulen sind 13,3% einmal, 2,3% zweimal, 1,0% dreimal und 0,3% öfters umgezogen. Die häufigsten drei Gründe für den ersten Umzug bildeten der Wunsch, von den Eltern bzw. einem Elternteil weg zu kommen (21,0%), der Wunsch, näher beim Ausbildungsbetrieb zu wohnen (18,0%) sowie das Zusammenziehen mit der Partnerin bzw. dem Partner (16,7%). An den Berufsfachschulen sind 18,3% einmal, 5,7% zweimal, 2,4% dreimal und 1,2% öfter als dreimal umgezogen. Die häufigsten Gründe für den ersten Umzug waren, dass die bisherige Wohnung zu klein (26,1%) oder zu teuer war (23,1%), die Wohnung näher bei der Berufsfachschule liegen sollte (20,0%) sowie der Zusammenzug mit dem Partner bzw. der Partnerin. Der hohe Anteil der Auszubildenden, die während der Ausbildung umziehen, macht deutlich, dass trotz des hohen Mietniveaus viele Auszubildende Wohnungen nachfragen.
Frage 2:
Gibt es ein Nachfolgeprojekt zum Modellversuch „Wohnwerk“, das 2001 gemeinsam von Landeshauptstadt, Arbeitsamt, IHK und HWK, als Agentur zur Wohnungsvermittlung für Azubis initiiert wurde?
Antwort:
Die Agentur Wohnwerk wurde auf Initiative des Arbeitskreises „Jugend, Bildung, Beruf“ eingerichtet und vom 1.7.2001 bis 30.11.2008 zunächst gemeinsam über das Münchner Jugendsonderprogramm des Referats
für Arbeit und Wirtschaft und das Arbeitsamt und ab 1.12.2007 nur noch über das Münchner Jugendsonderprogramm gefördert. Träger des Projekts waren die Anderwerk GmbH und die Wohnforum München gGmbH. Pers-
pektivisch sollte das Projekt die Gründung einer Stiftung vorantreiben, um die Wohnsituation auswärtiger Jugendlicher nachhaltig zu verbessern. Außerdem sollte das Projekt für auswärtige Auszubildende eine Anlaufstelle für alle Fragen rund um die Wohnraumbeschaffung einrichten. Das Projekt sollte in engem Kontakt mit Münchner Wohnheimen zur Verfügung stehende Plätze vermitteln, jugendgerechten Wohnraum neu erschließen und ggf. bewirtschaften sowie Auszubildende in den ersten Monaten nach Ausbildungsbeginn bei praktischen Fragen zum Leben in der Landeshauptstadt München unterstützen.
Trotz einer umfassenden Öffentlichkeitsarbeit sowie der Verteilung von über 3.000 Flyern blieb die Suche nach Zustiftern erfolglos. Da sich das Ziel der Gründung einer Stiftung nicht verwirklichen ließ, obwohl alle angesprochenen Personenkreise den Stiftungsgedanken begrüßten, es aber keine Bereitschaft zur finanziellen Beteiligung gab, wurde der Stiftungsgedanke mit Ablauf des Jahres 2004 fallen gelassen. Nach Wegfall der Stiftungsgründung wurde die Trägerkooperation aufgelöst und ab 2005 führte die Anderwerk GmbH die Agentur Wohnwerk alleine weiter. Das Projekt beschränkte sich seither auf Beratung und Vermittlung für Wohnraumsuchende auswärtige Auszubildende und Münchner Betriebe sowie Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit. Nachdem sich die Agentur für Arbeit aufgrund gesetzlicher Vorgaben nicht mehr in der Lage sah, sich an der Finanzierung des Projekts zu beteiligen, wurde die Agentur Wohnwerk ab 1.12.2007 nur noch durch das Jugendsonderprogramm des Referats für Arbeit und Wirtschaft finanziert.
Die Akquise von Wohnraum erwies sich als zunehmend schwierig. Durch den jahrelangen engen Kontakt mit Vernetzungspartnern wie azuro und dem Jugendinformationszentrum verfügten diese ebenfalls über Wissen zur Wohnraumvermittlung, das im Rahmen ihrer spezifischen Beratungstätigkeit eingesetzt werden konnte. Der Träger Anderwerk GmbH und das Referat für Arbeit und Wirtschaft kamen nach achtjähriger Förderdauer durch das Jugendsonderprogramm einvernehmlich zu dem Entschluss, das Projekt auslaufen zu lassen.
Ein spezifisches Nachfolgeprojekt der Agentur Wohnwerk gibt es nicht. Das Jugendinformationszentrum München bietet jedoch eine allgemeine Wohnberatung für junge Leute bis 26 Jahre und stellt auf seiner Homepage viele Informationen zum Thema Wohnen für junge Menschen in München zur Verfügung. Dazu zählt auch die ursprünglich von der Agentur Wohnwerk erarbeitete Übersicht über Wohnheimplätze in München. Jugendliche können sich bei Fragen zum Wohnen auch an das JiBB (Junge Menschen in Bildung und Beruf) wenden, das als zentrale Anlaufstelle für junge Menschen in allen Fragen rund um Ausbildung, Beruf und Studium fungiert.
Frage 3:
Wie viele Anträge auf „Gewährung von Zuwendungen an Berufsschülerinnen und Berufsschüler zu den Kosten für Unterkunft und Verpflegung bei notwendiger auswärtiger Unterkunft“ sind in den letzten Jahren eingegangen – aufgeschlüsselt nach Ausbildungsberufen?
Antwort:
Nach Angaben des Referats für Bildung und Sport haben im Schuljahr 2016/17 ca. 35.650 Auszubildende, im Schuljahr 2017/18 ca. 36.020 und im Schuljahr 2018/19 insgesamt 36.201 Auszubildende die Berufsschulen in der Landeshauptstadt München besucht. Davon wohnen laut einer Statistik des Referats für Bildung und Sport derzeit ca. 14.800 in München. Von den 36.201 Auszubildenden werden 20.439 in Münchner Betrieben ausgebildet. Eine Aufschlüsselung nach Berufsbildern ist nicht möglich, da es hierzu keine Datenerhebung gibt.
Die Abteilung Gast- und Vertragsschulwesen des Referates für Bildung und Sport ist zuständig für den Kostenersatz der notwendigen auswärtigen Unterbringung von Berufsschülerinnen und -schülern während der Unterrichtszeit gemäß dem Bayerischen Schulfinanzierungsgesetz, (vgl. Art. 10 Abs. 7 BaySchFG). Auf die Schülerin bzw. den Schüler entfällt dabei nur ein Eigenanteil an den Verpflegungskosten von 5,10 Euro pro Unterbringungstag (häusliche Ersparnis). Der Freistaat Bayern übernimmt 9,90 Euro der Kosten pro Unterbringungstag und der Rest wird durch den für die Berufsschule zuständigen Schulaufwandsträger bzw. den Landkreis oder die kreisfreie Gemeinde des Beschäftigungsortes übernommen.
Die Voraussetzungen für diese Kostenübernahme legt die Ausführungsverordnung zum Bayerischen Schulfinanzierungsgesetz, (vgl. § 8 Abs. 1-3 AVBaySchFG), fest. Die Unterbringung ist demnach notwendig, wenn die tägliche Rückkehr zum Ort des gewöhnlichen Aufenthalts nicht zumutbar ist, d.h. die hierfür benötigte Zeit mehr als drei Stunden beträgt oder die Abwesenheitsdauer zwölf Stunden übersteigt.
Die hier beschriebene gesetzliche Regelung nehmen jedes Schuljahr ca. 3.000 auswärtige Berufsschülerinnen und -schüler zum Besuch einer Münchner Berufsschule in Anspruch, diese werden in 14 Vertragsschülerwohnheimen untergebracht.
Frage 4:
Gibt es Planungen für weitere Wohnbauten, mit möglicherweise niedrigerem Standard, aber zweckmäßigen und flexiblen Grundrissen, so dass der Bezug durch Zielgruppen der Wohnungspolitik gem. WiM VI sowohl möglich wäre, als auch zeitnah zu realisieren wäre?
Antwort:
Mit dem größten kommunalen Wohnungsbauprogramm in Deutschland
„Wohnen in München VI“ macht es sich die Landeshauptstadt München unter anderem zum Ziel, 8.500 Wohnungen pro Jahr zu errichten, davon 2.000 geförderte oder preisgedämpfte Wohnungen. Dabei ist es der Landeshauptstadt München ein besonderes Anliegen, zielgerichtet besondere Zielgruppen wie Auszubildende und Studierende, Ältere, Familien bzw. Haushalte mit Kindern, städtische Bedienstete etc. zu fördern. Um dieses Ziel weiter zu verfolgen, werden einzelne speziell zielgruppenorientierte Projekte ausgeschrieben.
Diese Zielgruppen sind in der Regel in vielfältiger Weise bereits Gegenstand der städtischen Förderprogramme. Mit dem „München Modell“ wird den Münchner Haushalten mit mittlerem Einkommen und Familien mit Kindern die Möglichkeit geboten, in der Stadt Wohnungen zu tragbaren Mieten zu finden. Dabei spielen die städtischen Gesellschaften GWG München und GEWOFAG bei der langfristigen Sicherung bezahlbarer Wohnungen eine bedeutsame Rolle. Derartige Wohnungen für große Familien zeichnen sich insbesondere durch flexible und kompakte Grundrisse aus, die nutzerorientiert bei Bedarf verkleinerbar sind.
Frage 5:
Gibt es Planungen zu weiteren modellhaften Bauten wie an der Homerstraße/Dantebad, die auch gemischt belegt werden könnten, u.a. auch mit Wohngemeinschaften für Azubis?
Antwort:
Mit dem Beschluss des Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung vom 13.3.2013, Sitzungsvorlagen Nr. 08-14/ V 11131 hat die städtische Wohnungsbaugesellschaft GEWOFAG das erste Modellprojekt für Auszubildende an der Grafinger Straße/Innsbrucker Ring verwirklicht, wonach 91 Einzel- und Doppelapartments entstanden sind.
In Anlehnung an das erste Pilotprojekt wird im südlichen Bereich des Hanns-Seidel-Platzes entlang der Von-Knoeringen-Straße erneut in Zusammenarbeit mit der GEWOFAG ein zweites Pilotprojekt „Azubi-Wohnen“ realisiert. Grundlage dieses Projektes ist der Beschluss der Vollversammlung des Stadtrates vom 24.7.2019, Sitzungsvorlagen Nr. 14-20/V 15445. Der Neubau am Hanns-Seidel-Platz wird über 221 Apartments für Studierende,Auszubildende und Personal in Mangelberufen mit besonderem Wohnbedarf verfügen.
Frage 6:
Gibt es Planungen zu ähnlichen Überbauungen von Parkplätzen wie beim Projekt in der Homerstraße? Welche Parkplätze kämen in Frage, gibt es geeignete Parkplätze auf städtischem Grund?
Antwort:
Das Wohnbauvorhaben auf dem Reinmarplatz wird analog zu dem Pilotprojekt am benachbarten Dantebad an der Homerstraße nach dem gleichen baulichen Konzept der Parkplatzüberbauung als Stelzenbau in Systembauweise verwirklicht. Dies bietet eine effiziente Nutzungsmöglichkeit des städtischen Grundstücks als ebenerdigen Parkplatz, der ein darüber befindliches Bauvorhaben beinhaltet. Basis dieses Projektes ist der Beschluss des Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung vom 18.7.2019, Sitzungsvorlagen Nr. 14-20/V 15548.
Im Rahmen eines Antrags der SPD-Stadtratsfraktion vom 9.3.2018 wurde die Lokalbaukommission hinsichtlich der Zulassung der Überbauung von Stellplätzen mit Wohngebäude an weiteren vier Standorten um Prüfung und Stellungnahme gebeten. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden im Rahmen einer Beschlussvorlage voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte bekannt gegeben.
Frage 7:
Gibt es Planungen, derartige Unterkünfte auch in gesunder und nachhaltiger Holz-Bauweise zu errichten, wie beim Modellprojekt der GWG im Prinz-Eugen-Park?
Antwort:
Zahlreiche Projekte in der Ökologischen Mustersiedlung, neben der GWG, im Prinz-Eugen-Park werden in nachhaltiger Holzhybridbauweise errichtet. Damit möchte die Landeshauptstadt München den modernen Holzbau etablieren und einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Für die dadurch entstehenden Mehrkosten beschloss der Münchner Stadtrat, ein spezielles Zuschussprogramm mit einem Volumen von bis zu 13,6 Millionen Euro einzurichten, welches die im Gebäude verbaute Masse Holz (in Kilogramm) fördert.
Die Ökologische Mustersiedlung ist mit 566 Wohnungen, davon 452 Mietwohnungen, die derzeit größte zusammenhängende Holzbausiedlung inDeutschland und beinhaltet Gebäude in Holzbauweise vom verdichteten Flachbau bis zum siebengeschossigen Geschosswohnungsbau.
Die Systematik der Holzbauweise lässt sich gut übertragen. Aus diesem Grund beabsichtigt die Landeshauptstadt München, die Holzbauweise bei ausgewählten städtischen Grundstücken als Auswahlkriterium in der Konzeptausschreibung aufzunehmen.
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung unterstützt den Bau von neuen, zeitgemäßen Holzbausiedlungen und schlägt als weiteren Standort für eine Holzbausiedlung den zweiten Realisierungsabschnitt Freiham Nord vor. Zur Sicherung der Flächen für die Holzbauweise wird das Referat für Stadtplanung und Bauordnung Ende 2020 den Stadtrat befassen. In diesem Zusammenhang wird der Stadtrat auch um Fortführung des Zuschussprogramms für die Holzbauweise gebeten.