Kann eine Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) nach Baugesetzbuch §§ 165 ff. und einer rechtzeitig erlassenen „Satzung über ein besonderes Vorkaufsrecht“ nach § 25 BauGB tatsächlich private und gewerbliche Spekulationsgewinne verhindern?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herber Danner, Katrin Habenschaden, Anna Hanusch und Angelika Pilz-Strasser (Fraktion Die Grünen – rosa liste) vom 22.1.2019
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(I) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 22.1.2019 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird.
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
Es besteht die Befürchtung, dass das städtische Vorkaufsrecht durch die Gründung von privaten GmbHs, über die die Liegenschaften der Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer sukzessive als GmbH-Anteile an gewerbliche Unternehmen übertragen werden können, umgangen werden kann.
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung nimmt hierzu wie folgt Stellung:
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung weist darauf hin, dass die im Nordosten erlassene Satzung über ein besonderes Vorkaufsrecht und eine bisher nicht beschlossene Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme grundsätzlich voneinander zu trennen sind. Der Vorkaufssatzung liegt zwar die städtische Planungsabsicht in Form von vorbereitenden Untersuchungen zugrunde. Die vorbereitenden Untersuchungen dürfen jedoch nicht mit einer förmlichen Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme verwechselt werden. Diese wird erst mittels Stadtratsbeschluss als Satzung festgelegt. Erst ab diesem Zeitpunkt gelten die unterschiedlichen gesetzlichen Rechtsfolgen, insbesondere auch ein gesetzliches Vorkaufsrecht.
Dagegen soll die derzeit geltende Vorkaufssatzung der Stadt bereits im Rahmen der vorbereitenden Untersuchungen einen Erwerb von Flächen ermöglichen. Eine Spekulation kann dadurch aber nicht endgültig unterbunden werden, zumal hier der jeweils zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Kaufpreis maßgeblich ist. Nur für den Fall, dass der vereinbarte Kaufpreis den Verkehrswert deutlich überschreitet, besteht die Möglichkeit, den zu zahlenden Kaufpreis nach dem Verkehrswert zu bestimmen.Ab Erlass einer Entwicklungssatzung ist die Sachlage eine andere:
Ab diesem Zeitpunkt ist insbesondere der entwicklungsunbeeinflusste Anfangswert relevant. Letztlich trägt dann derjenige, der einen spekulativ überhöhten Preis gezahlt hat, ein erhebliches Verlustrisiko, denn grundsätzlich darf die Stadt nur zum entwicklungsunbeeinflussten Bodenwert erwerben.
Zu den das Vorkaufsrecht betreffenden Fragen hat das Kommunalreferat, als für die Ausübung der Vorkaufsrechte zuständiges Referat, Stellung genommen:
Frage 1:
Ist das oben geschilderte Szenario ein realistisches Szenario?
Antwort:
Ja, es besteht die theoretische Möglichkeit, dass das gemeindliche Vorkaufsrecht bei Share Deals weitestgehend ins Leere läuft.
Frage 2:
Wenn ja, kann dieser Praxis von Spekulationen wirksam entgegengewirkt werden?
Antwort:
Für die Fälle, in welchen ein Share Deal als Umgehungsgeschäft genutzt wird, ist die Auslösung des Vorkaufsfalls nicht vollkommen ausgeschlossen. Ein Umgehungsgeschäft hat allein den Zweck, das gemeindliche Vorkaufsrecht zu unterlaufen und wird daher dem Verkauf eines Grundstücks gleichgestellt. Diese Verträge werden als kaufvertragsähnliche Verträge bezeichnet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen des Deutschen Bundestags, Wissenschaftliche Dienste, Das gemeindliche Vorkaufsrecht beim Share Deal, Az.: WD 7 – 3000 – 177/18, Veröffentlichung vom 27.8.2018, verwiesen (abrufbar unter https://www.bundestag.de/analysen, Zugriff am 31.1.2019).
Notare sind gehalten, erkennbar offenkundige Umgehungsgeschäfte auch der Kommune vorzulegen, damit eine Vorkaufsrechtsausübung ermöglicht werden kann.
Frage 3:
Sind dem Planungsreferat und/oder dem Kommunalreferat weitere juristische Schlupflöcher bekannt, die letztendlich das Instrument einer SEM mit kommunaler Vorkaufssatzung großflächig vollkommen außer Kraft setzen können und weiterhin Spekulationskäufe ermöglichen?
Antwort:
Es ist bereits Kraft Gesetzes vorgesehen, dass der Gemeinde nicht bei jedem Übertragungsakt ein Vorkaufsrecht zusteht. Um ein Erwerbsrecht bei jedem Akt der Übertragung durchsetzen zu können, bedarf es einer Gesetzesänderung auf Bundesebene.