Bauen wie in Hamburg?
Antrag Stadtrat Marian Offman (CSU-Fraktion) vom 6.9.2018
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(I) Elisabeth Merk:
Am 6.9.2018 haben Sie den o.g. Antrag gestellt, der zum Ziel hat, das 8-Euro-Modellvorhaben aus Hamburg in der Landeshauptstadt München umzusetzen. Es sollte dargestellt werden, inwiefern dieses Projekt auf die Bauprojekte in der Landeshauptstadt München übertragbar wäre.
Der Intention Ihres o.g. Antrages wurde bereits mit Beschluss zu dem „Hamburger Modellvorhaben – 8 Euro-Wohnungen“ im Ausschuss für Stadtplanung und Bauordnung am 9.5.2018 (Sitzungsvorlagen Nr. 14-20/V 11381) entsprochen.
Zu Ihrem Antrag darf Ihnen das Referat für Stadtplanung und Bauordnung Folgendes mitteilen:
Das Wohnungsbauobjekt im Neubaugebiet Vogelkamp, in Hamburg-Neugraben-Fischbek, ist ein von einem privaten Investor geplanter viergeschossiger Wohnungsbau. Geplant sind rund 44 Wohnungen, die in Holzrahmenbauweise, in zwei Gebäudezeilen mit sechs aneinandergereihten Zweispännertypen und ohne Keller errichtet werden. Im Erdgeschoss sollen sich neben einer Kindertagesstätte und Gewerbeflächen drei 2-Zimmer und drei 3-Zimmer-Wohnungen befinden. Eine Gebäudezeile ist rollstuhlgerecht geplant. Im 1. und 2. OG der Zweispännertypen wurde ein 4-Zimmerwohnungstyp mit ca.105 m² Wohnfläche (Wfl.) für 4 bis 6 Personen vorgesehen, der insgesamt zwölf mal pro Geschoss wiederholt wird. Die zwölf Wohnungen im Terrassengeschoss (3. OG) sollen teilweise etwas kleiner sein. Die Haustechnik ist gebündelt geplant und auf ein Mindestmaß reduziert. Die Gebäude sehen gewendelte Treppen und keinen Aufzug vor. Die Wohnungen in den Obergeschossen wären nicht barrierefrei erreichbar, was nach § 37 Abs. 4 der Hamburgischen Bauordnung bei viergeschossigen Bauten auch nicht erforderlich ist. Die Anlage im Baugebiet Vogelkamp in Neugraben-Fischbek soll nach Pressemitteilungen im 2. Quartal 2019 bezugsfertig werden.
Das Grundstück am Bramfelder Dorfgraben, in einem Neubaugebiet am Stadtrand von Hamburg gelegen, wurde von der Hansestadt Hamburg vergünstigt an eine Bietergemeinschaft unter der Vorgabe vergeben, in den ersten fünf Jahren die Eingangsmiete von 8 Euro pro m² Wfl. netto/ kalt nicht zu erhöhen. Nach Ablauf dieser Frist gelten die Regelungen zurErhöhung der Miete nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Auch sind 15 Jahre lang keine Staffelmietverträge abzuschließen und ein Verkauf als Eigentumswohnungen ist nicht möglich. Die Bezugsfertigkeit ist zum Jahreswechsel 2019/2020 geplant.
Das Bauvorhaben wird nicht gefördert. Vielmehr musste die Bietergemeinschaft nachweisen, dass die Baukosten tatsächlich niedrig liegen und eine vertraglich fixierte Vermietung zu 8 Euro pro m² Wfl. gewährleistet werden kann. Sollten Baukostenerhöhungen oder Aufwendungen eintreten, so geht dies zu Lasten der Bietergemeinschaft.
Ein Grund für die von der Bietergemeinschaft erwartete kostengünstige Erstellung der Wohngebäude sind die optimierten Grundrisse, die minimalistisch organisierte Haustechnik, der Verzicht auf Unterkellerung, der Verzicht auf Aufzüge, die seriell vorgefertigten Installationen sowie der Verzicht auf Behandlung der Wandoberflächen außen wie innen. Entscheidend für Kosteneinsparungen ist aber auch das Wohnungsgemenge. In der Wohnanlage sind, wie aus den publizierten Planungen ersichtlich, ca. 57% der Wohnungen große Familienwohnungen, mit 4 bis 6 Personen belegbar, und ca. 36% Familienwohnungen für 4 Personen. Der Anteil an Kleinwohnungen für eine Person liegt bei lediglich 7%.
Die Haustechnik, wie sie in Küchen und Bädern vorhanden ist, löst einen erheblichen Anteil an den reinen Baukosten aus. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, wie groß der Anteil an Kleinwohnungen, in denen dieselben Kosten für Küchen und Bäder entstehen wie in großen Wohnungen, im Bauvorhaben ist. In der Landeshauptstadt München sind über 50% der Haushalte Single-Haushalte, quer durch alle Bevölkerungsschichten, in jedem Alter und mit verschiedenen finanziellen Möglichkeiten. Insofern ist der Bedarf an bezahlbaren Kleinwohnungen groß. Im geförderten Wohnungsbau nehmen die Wohnungen für 1 bis 2 Personen einen Anteil von ca. 45% ein. Der Anteil der Kosten für den technischen Ausbau ist somit erheblich größer. Ein weiterer Aspekt ist, dass Familienwohnungen nur über einen begrenzten Zeitraum voll belegt sind. Nach Auszug der Kinder sind auch große Familienwohnungen meist nur noch von 2 Personen bewohnt und stehen dem Wohnungsmarkt als Familienwohnung längere Zeit nicht mehr zur Verfügung.
Die in Hamburg geplanten Wohnungen basieren auf einem Achsmaß von ca. 2,80 m, das die Breite der Individualräume, die nebeneinander aufgereiht sind, vorgibt. Im geförderten Wohnungsbau in Bayern wird die Barrierefreiheit der Gebäude und Wohnungen nach DIN 18040 Teil 2 Abschnitt5 vorausgesetzt. Diese erfordert eine gewisse Flexibilität in der Breite der Individualräume. Bei standardisierten Raumbreiten wie in Hamburg dürfte der Nachweis der erforderlichen Bewegungsflächen in den Individualräumen nicht immer möglich sein.
Wohnungsbauten in standardisierter Bauweise sind zur Linderung der angespannten Wohnraumsituation in der Landeshauptstadt München auch von den städtischen Wohnungsbaugesellschaften GWG München und GEWOFAG, bereits realisiert worden. Die serielle Vorfertigung standardisierter Grundrisstypen zum Beispiel in Form von Modulen in Holzbauweise ermöglichte sehr kurze Bauzeiten und eine relativ schnelle Montage der einzelnen Module.
Die Modulbauweise bot viele Möglichkeiten um auf variablen Wohnraumbedarf zu reagieren. Verschiedene Wohnungsaufteilungsschlüssel konnten durch Zusammenlegung oder Teilung von Wohnungen umgesetzt werden. Allerdings mussten teilweise zumindest im geförderten Wohnungsbau vertretbare Abweichungen von den gewohnten Standards bei den einzelnen Bauvorhaben toleriert werden, um eine modulare und kostengünstige Bauweise realisieren zu können. Je öfter dieselben Module verwendet werden, desto günstiger können sie produziert werden. Voraussetzung für den effizienten und wiederholten Einsatz von Modulen sind aber Bauflächen, die die wirtschaftliche Aneinanderreihung von gleichen Modulen zulassen.
Diese zu finden, ist in der Landeshauptstadt München nicht einfach, da innerstädtisch oft nur noch aufwändige Bauflächen oder Baulücken, die mittels Aufstockung und Ergänzung vorhandener Wohngebäude oder Umnutzung bereits bestehender Wohngebäude geschlossen werden können, vorhanden sind.
Außerdem soll eine Bebauung in serieller Bauweise sich in die bestehende Umgebungsbebauung einpassen, auch um von der angestammten Bevölkerung akzeptiert zu werden. Für die modulare Bauweise geeigneter sind Flächen in Neubaugebieten, wie es auch in Hamburg der Fall ist. Denn bei dem Bramfelder Dorfgraben handelt es sich um eine 70 Hektar große Baufläche.
Das serielle Bauen mit standardisierten Grundrissen ist eine Bauweise, die in Anbetracht des Mangels an günstigen Wohnungen in Ballungsräumen wie München zukünftig sicherlich vermehrt zum Einsatz kommen wird. In der letzten Zeit wird diese Bauweise auch von privaten Investoren im Bereich von Boardinghäusern und Studentenwohnheimen angewandt.Dennoch wird das Pilot-Projekt der Hansestadt Hamburg laut Presseberichten als kritisch betrachtet. Nach einer Pressemitteilung der Hamburger Bau- und Ausbauwirtschaft (hbaw) müsste die monatliche Nettoanfangskaltmiete im Hinblick auf die zukünftigen Projekte bei einem freifinanzierten Wohnungsbau aufgrund gestiegener und steigender Baukosten und Kapitalmarktzinsen wohl zwischen 9 und 10 Euro pro m² Wfl. liegen, um eine rentierliche Projektfinanzierung erreichen zu können.
Aus der Sicht des Referats für Stadtplanung und Bauordnung kann aber zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Bewertung vorgenommen werden, da Erfahrungswerte zu den besagten Vorhaben bislang nicht vorliegen. Nach Fertigstellung und Auswertung der beiden Wohnungsbauprojekte werden wir Sie über die Entwicklungen in Hamburg selbstverständlich umgehend unterrichten.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.