Recht auf Information ernst nehmen – Betroffene Frauen umfassend und neutral über Adressen zum Schwangerschaftsabbruch informieren
Antrag Stadtrats-Mitglieder Anja Berger, Gülseren Demirel, Katrin Habenschaden, Anna Hanusch, Jutta Koller, Dominik Krause, Hep Monatzeder und Sabine Nallinger (Fraktion Die Grünen – rosa liste) vom 20.8.2018
Drohendem Versorgungsengpass bei der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen entgegensteuern
Antrag Stadtrats-Mitglieder Anja Berger, Anna Hanusch, Jutta Koller und Thomas Niederbühl (Fraktion Die Grünen – rosa liste) vom 8.11.2018
Antwort Stephanie Jacobs, Referentin für Gesundheit und Umwelt:
Das Direktorium hat mir Ihre im Betreff genannten Anträge zur Bearbeitung zugeleitet.
Gemäß Ihrem Antrag Nr. 14-20 / A 04398 „Recht auf Information ernst nehmen – Betroffene Frauen umfassend und neutral über Adressen zum Schwangerschaftsabbruch informieren“ soll das Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) sicherstellen, dass die staatlich anerkannten Beratungsstellen für Schwangerschaftsfragen in München die Adressen von Ärztinnen und Ärzten und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, zur Verfügung gestellt bekommen. Es wird zudem vorgeschlagen, eine Liste mit den Adressen der Ärztinnen und Ärzte und Kliniken, die einer Veröffentlichung zugestimmt haben, auf der Internetseite des RGU zu veröffentlichen und fortlaufend zu aktualisieren.
Gemäß Ihrem Antrag Nr. 14-20 / A 04634 „Drohendem Versorgungsengpass bei der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen entgegensteuern“ soll das RGU Konzepte entwickeln, „um sicherzustellen, dass Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen wollen, eine entsprechende Einrichtung finden“ und „aufzeigen, welche und wie viele Einrichtungen – ambulant und stationär – in München und Umland Schwangerschaftsabbrüche durchführen, belegt mit Zahlen der Abbrüche sowie Prognosen für die weitere Entwicklung.“
Ihre Anträge berühren Fragestellungen und Aufgaben im Vollzug der Schwangerschaftskonfliktberatung und die Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen nach Paragraf 219 Strafgesetzbuch (StGB)1, die im Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG)2 geregelt sind. Die Zuständigkeit für die Sicherstellung eines ausreichenden Angebots ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen und für die Sicherstellung eines ausreichenden pluralen Angebots wohnortnaher Beratungsstellen für die Schwangerschaftskonfliktberatung liegt beim Freistaat Bayern.
Nach Paragraf 60 Absatz 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Da die Zuständigkeit für die oben genannten Regelungsgegenstände beim Freistaat Bayern liegt, ist eine beschlussmäßige Behandlung nicht zulässig. Daher werden die Anträge im Folgenden mit diesem Schreiben beantwortet.
Die Umsetzung des SchKG ist in Bayern im Bayerischen Schwangerenberatungsgesetz (BaySchwBerG)3 und im Bayerischen Schwangerenhilfeergänzungsgesetz (BaySchwHEG)4 geregelt. Die Auskunftserteilung erfolgt bisher in der im Folgenden dargestellten Form.
Die Auskunftserteilung über Einrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, richtet sich nach Artikel 6 Absatz 3 BaySchwHEG. Danach erteilen die unteren Behörden für Gesundheit, Veterinärwesen, Ernährung und Verbraucherschutz und die gesetzlichen Krankenkassen Auskunft über Bezeichnung und Anschrift der im Regierungsbezirk zugelassenen Einrichtungen, soweit die jeweiligen Träger oder Inhaberinnen eingewilligt haben. Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe erhalten die Gesundheitsämter und gesetzlichen Krankenkassen die erforderlichen Informationen über die Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen und die einer Weitergabe ihrer Daten zugestimmt haben. Diese werden regelmäßig aktualisiert.
In der Landeshauptstadt München nimmt das RGU als zuständige untere Behörde diese Aufgabe wahr. Wie in den meisten Gesundheitsämtern in Bayern wird diese Aufgabe von der dort zuständigen staatlich anerkannten Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen übernommen. Die Auskunft wird auf Ersuchen der Frauen erteilt, die eine Schwangerschaftskonfliktberatung nach Paragraf 219 StGB oder die schriftliche Feststellung des Arztes über das Vorliegen der Voraussetzungen des Paragraf 218 a Absatz 2 oder 3 StGB nachweisen.
Ein Bereitstellen von Listen im Internet ist aber nach Auskunft der Regierung von Oberbayern nicht mit der gesetzlichen Vorschrift des Artikel 6 Absatz 3 BaySchwHEG vereinbar. Die Regierung von Oberbayern führt in einer Stellungnahme vom 09.11.2018 aus (Anlage 1), „dass in Artikel 6 Absatz 3 geregelt ist, dass Auskünfte auf Ersuchen nur denjenigen Frauen erteilt werden, die eine Schwangerenkonfliktberatung (…) nachweisen.Dies beinhaltet dem Wortlaut nach ein entsprechendes Aufsuchen einer Stelle und Beratung durch diese Stelle. Das zur Verfügungstellen der Information im Internet an einen unbestimmten Personenkreis gewährleistet dies gerade nicht. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, dem Schutz ungeborenen Lebens Rechnung zu tragen, weshalb gewisse Hürden geschaffen wurden und nicht umgangen werden sollen. Auch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege stimmt diesen Ausführungen zu. Die Bekanntgabe der relevanten Informationen an betroffene Frauen darf nur nach Maßgabe des Artikel 6 Abs. 3 BaySchwHEG erfolgen. Dessen Wortlaut ist insoweit eindeutig, dass keine Listen im Internet veröffentlicht werden dürfen.“
Auch eine Weitergabe an andere staatlich anerkannten Beratungsstellen ist nicht zulässig.
Nach Auffassung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege ist ein Kopieren oder Abfotografieren dieser Liste unzulässig.
Die von der Gleichstellungsstelle für Frauen geäußerte Befürchtung, dass die Frauen nur drei Adressen aus der Liste abschreiben dürften, kann so nicht bestätigt werden: Die Mitarbeiterinnen der städtischen Beratungsstelle empfehlen den Klientinnen mindestens drei Adressen abzuschreiben. Nach oben sind keine Grenzen gesetzt. Hierzu gibt es keine Vorgaben der Regierung von Oberbayern.
Auf die Frage der Gleichstellungsstelle für Frauen, inwieweit eine Beratung für Frauen mit mangelnden Deutschkenntnissen sichergestellt ist, erlaube ich mir den Verweis auf die Möglichkeit der RGU-Dienststellen, auf den Dolmetscherdienst zuzugreifen.
Die Personalkapazitäten der städtischen Beratungsstelle mit drei (nicht 2,5 wie von der Gleichstellungsstelle angenommen) Vollzeitstellen sind für eine qualifizierte Beratung ausreichend. Die in München insgesamt in den staatlich anerkannten Beratungsstellen für Schwangerschaftsfragen vorhandenen Personalstellen orientieren sich an dem vom Landesgesetz (Artikel 3 Absatz 5 BaySchwberG) vorgegebenen Schlüssel.
Nachdem der Bundestag am 21.02.2019 über das Gesetz zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch abgestimmt hat, hat auch der Bundesrat am 15.03.2019 dem Gesetzentwurf zugestimmt5. Mit dem neuen Gesetz wird Paragraf 219 a StGB ergänzt und das SchKG geändert. Das Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft. Nach Inkrafttreten des Gesetzes dürfen Ärztinnen und Ärzte, Krankenhäuser und Einrichtungen zukünftig darüber informieren, dass sieSchwangerschaftsabbrüche durchführen. Darüber hinaus sind im Gesetz Stellen benannt, die weitere Informationen über einen Schwangerschaftsabbruch geben dürfen. Ärztinnen und Ärzte, Krankenhäuser und Einrichtungen dürfen auf diese Stellen hinweisen, zum Beispiel durch Verlinkung in ihrem Internetauftritt. Die Bundesärztekammer wird zukünftig eine Liste zentral führen. In dieser Liste nimmt die Bundesärztekammer Ärztinnen und Ärzte sowie Krankenhäuser und Einrichtungen auf, die mitgeteilt haben, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Die Liste enthält auch Angaben über die angewendeten Methoden und wird monatlich aktualisiert. Die Bundesärztekammer und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung veröffentlichen die Liste im Internet. Das Hilfetelefon „Schwangere in Not“ sowie staatlich anerkannte Schwangerschaftsberatungsstellen dürfen Auskunft über die in der Liste enthaltenen Angaben erteilen.6
„Ziel ist, dass alle Schwangeren, die sich in einer Konfliktlage befinden, in der Bundesrepublik Deutschland gleich gute Möglichkeiten haben, in ihrer Not professionelle Hilfe zu erlangen.“7 Die städtische Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen konnte, wie oben dargestellt, bereits in der Vergangenheit Auskunft über Ärztinnen und Ärzten sowie Krankenhäuser und Einrichtungen, die in München Schwangerschaftsabbrüche durchführen, geben. Künftig werden alle staatlich anerkannten Beratungsstellen inklusive der städtischen Beratungsstelle auf die Liste der Bundesärztekammer hinweisen können.
Zur Frage der Versorgungssituation und Ihrem Antrag Nr. 14-20 / A 04634 können folgende Informationen gegeben werden:
Ambulante Einrichtungen, wie Arztpraxen, benötigen eine Erlaubnis zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen; stationäre Einrichtungen, wie Krankenhäuser mit einer gynäkologischen und geburtshilflichen Abteilung, müssen dies nur anzeigen. Im Stadtgebiet München gibt es zum derzeitigen Zeitpunkt 51 niedergelassene Gynäkologinnen und Gynäkologen mit der Erlaubnis zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen nach Artikel 3 BaySchwHEG. 2017 gaben drei Ärztinnen beziehungsweise Ärzte ihre Erlaubnis, meist aus Altersgründen, zurück. 2018 erhielten zwei neue Ärztinnen beziehungsweise Ärzte die Erlaubnis. Die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte mit Erlaubnis ist leicht rückläufig. Sechs Krankenhäuser haben eine Bereitschaftsanzeige nach Artikel 4 gestellt. Zwei davon haben Widerspruch zur Nennung in der Liste eingelegt und führen Abbrüche nur bei medizinischer Indikation durch. Die Anzahl der Krankenhäuser mit Be-reitschaftsanzeige ist seit Jahren unverändert. 26 Arztpraxen haben eingewilligt, dass ihr Angebot auf der Liste erscheint, in die die Frauen im Falle eines Schwangerschaftsabbruch Einblick nehmen können.
Sowohl die stationären wie auch die ambulanten Einrichtungen sind gegenüber den jeweiligen Bezirksregierungen auskunftspflichtig bezüglich der vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüche. Mit diesen Auskünften wird die sogenannte Schwangerschaftsabbruchstatistik geführt. Diese Statistik wird in den Paragrafen 15 bis 18 SchKG geregelt und vom Statistischen Bundesamt erhoben und aufbereitet. Sie gibt unter anderem einen Überblick über die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche. Laut dem Statistischen Bundesamt werden die Daten der Schwangerschaftsabbruchstatistik nur bis auf Bundesländerebene veröffentlicht. Daher liegen auf Münchner Ebene keine Daten vor, die Rückschlüsse auf die Versorgungssituation zulassen. In Folge können leider keine Aussagen „für eine zukünftige Sicherstellung der Versorgung“ getroffen werden, wie es die Gleichstellungsstelle für Frauen wünscht.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.
1 Gesetzestext www.gesetze-im-internet.de/stgb/__219.html [abgerufen am 28.11.2018]
2 Gesetzestext: http://www.gesetze-im-internet.de/beratungsg/BJNR113980992.html [abgerufen am 28.11.2018]
3 Gesetzestext: http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BaySchwBerG/true [abgerufen am 28.11.2018]
4 Gesetzestext: http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BaySchwHEG/true [abgerufen am 28.11.2018]
5 www.bundesrat.de/drs.html?id=89-19 [abgerufen am 18.03.2019] 6 http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2019/kw08-de-schwanger-schaftsabbruch-do-594758 [abgerufen am 08.03.2019] 7Gesetzentwurf http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/076/1907693.pdf [abgerufen am 20.03.2019], Begründung, A. Allgemeiner Teil, IV. Gesetzgebungskompetenz, Seite 8 und 9.
Die Anlagen können im RIS eingesehen werden unter dem Link
www.ris-muenchen.de/RII/RII/ris_antrag_dokumente.jsp?risid=5097562