OB Reiter fordert Verbesserungen beim Ausbau von Bahnstrecke Archiv
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Rathaus Umschau 125 / 2020, veröffentlicht am 06.07.2020
In einem Schreiben an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat Oberbürgermeister Dieter Reiter Verbesserungen bei der Planung des viergleisigen Ausbaus der Bahnstrecke zwischen Daglfing und Johanneskirchen gefordert. Das Schreiben im Wortlaut: „Ich nehme Bezug auf Ihr Schreiben vom 6. April 2020, mit dem Sie mitgeteilt hatten, dass der viergleisige Ausbau zwischen Daglfing und Johanneskirchen im Bundesverkehrswegeplan 2030 als oberirdische Variante bewertet ist und die Landeshauptstadt München daher die Mehrkosten einer Tunnellösung zu tragen habe. Weiter hatten Sie dargelegt, dass die Bewertung der Bedarfsplanvorhaben des Großknoten Münchens auf den für 2030 prognostizierten Verkehrsströmen beruhen müsse. Schließlich hatten Sie mitgeteilt, dass eine „Außenkommunikation“ zu den Ausbauvarianten erst nach Vorliegen der Ergebnisse der Bewertung der Grobvariantenprüfung erfolgen könne. Beziehen möchte ich mich weiter auch auf ein Schreiben der DB Netz AG vom 8. Mai 2020, mit dem der Landeshauptstadt München mitgeteilt wurde, dass nur die ebenerdige Trassierung als Vorzugsvariante vertieft zu untersuchen ist. In diesem Schreiben wird auch dargestellt, dass für die Projekte des Verkehrsknotens München keine parlamentarische Befassung vorgesehen sei.
Die Haltung der Landeshauptstadt München, wonach der Ausbau nur im Tunnel und keinesfalls in Form der von Seiten der DB favorisierten ebenerdigen Trasse in Frage kommt, habe ich bereits deutlich gemacht. Ich verweise insofern auf mein Schreiben vom 10. Januar 2020. Eine genauere Betrachtung der Grobvariantenprüfung durch die Verwaltung der Landeshauptstadt München war auch mangels ausführlicher Unterlagen noch nicht möglich, weshalb ich mir eine Analyse und Bewertung vorbehalten möchte.
Darüber hinaus bedaure ich sehr, dass Ihr Ministerium und die DB Netz AG eine frühzeitige und umfassende Bürgerbeteiligung abgelehnt und die Festlegung der Grobvorzugsvariante ohne Einbindung der Bürgerschaft vorgenommen haben. Die in Ihrem Schreiben erwähnte frühe Öffentlichkeitsbeteiligung der DB Netz AG mit ersten Gesprächen mit den Mitgliedern des Bezirksausschusses Bogenhausen sowie mit Bürgerinnen und Bürgern ersetzt die geforderte Bürgerbeteiligung leider nicht. Der Landeshauptstadt München ging es von Anfang an um die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in den Planungsprozess in einem sehr frühen Planungsstadium. Die bloße Information über den Planungsstand reicht hierfür nicht aus. Somit wurde hier die Möglichkeit vergeben, die versprochene stärkere Bürgerbeteiligung bei Großprojekten in die Tat umzusetzen. Dies gilt um so mehr, da sich die Bürgerinnen und Bürger der Landeshauptstadt München sehr engagiert einbringen und sich zum viergleisigen Ausbau Daglfing-Johanneskirchen bereits vor einigen Jahren eine Bürgerinitiative gegründet hat. Diese ist mit zahlreichen Schreiben und Eingaben an mich aber bekanntlich auch an die DB AG und Ihr Ministerium herangetreten. Des Weiteren wurde der Landeshauptstadt München von der DB Netz AG mit Schreiben vom 8. Mai 2020 mitgeteilt, dass Ihr Haus eine parlamentarische Befassung bei diesem Projekt sowie allen anderen Projekten des Bahnknoten München nicht mehr vorsieht. Hierfür habe ich kein Verständnis.
Diesbezüglich möchte ich auf §1 Abs. 1 BUV hinweisen, der klarstellt, dass Gegenstand der BUV Verkehrsprojekte „Neu- und /oder Ausbau“ sind, die im Bundesverkehrswegeplan enthalten sind. Weiterhin halte ich insbesondere die Aussage, dass es sich dabei nicht um ein neues Projekt handelt unter Verweis auf mein Schreiben vom 10. Januar 2020 für nicht zutreffend. Ich habe in diesem Schreiben ausgeführt, dass es bei den Projekten der DB AG in München um die verkehrliche Infrastruktur in München, aber auch des Großraums der Metropolregion der nächsten Jahrzehnte geht. Es handelt sich mithin um einen dichten Siedlungsraum, in dem Umbaumaßnahmen mit Neutrassierungen über Land gleichzusetzen sind. Zudem herrscht in München und den umliegenden Gemeinden ein enormer Zuzug, welcher die Schaffung von Wohnraum in großem Umfang erforderlich macht. Die Erweiterung der verkehrlichen Infrastruktur ist deshalb notwendig und wird von der Landeshauptstadt München auch unterstützt, jedoch muss sie auch sensibel behandelt und entsprechend begründet werden. Die parlamentarische Befassung mit den in Planung befindlichen Projekten des Bahnknotens München ist daher absolut notwendig, um der Bevölkerung verständlich zu machen, dass dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie dem Bundestag bewusst ist, in welchem Spannungsfeld zwischen dichter Besiedlung und Ausbau der Infrastruktur sich die Projekte bewegen und sämtliche Auswirkungen bedacht wurden. Sollten Projekte wie der viergleisige Ausbau der Strecke Daglfing-Johanneskirchen, die erst in mehr als 20 Jahren realisiert werden, aufgrund des Zeitpunkts der Vorplanungen nicht unter die BUV fallen, kann ich den Unmut der Bürgerinnen und Bürger über die mangelnde Glaubwürdigkeit der Ankündigung von mehr Bürgereinbindung bei großen Infrastrukturprojekten sehr gut nachvollziehen.
Ich bin deswegen froh, dass ich über Frau MdB Claudia Tausend darüber informiert worden bin, dass auch der parlamentarische Staatssekretär Ihres Hauses, Herr MdB Enak Ferlemann, in einem Termin am 16. Juni 2020 mit Frau MdB Tausend und Herrn MdB Stefinger sowie einer örtlichen Bürgerinitiative angekündigt hat, die Entscheidung über die Frage der Umsetzung der Ausbauvariante nach Abschluss der Vorplanung doch dem Bundestag vorzulegen. Eine andere Entscheidung wäre bei einem solchen Projekt weder in der Öffentlichkeit vermittelbar, noch könnte ich dies akzeptieren. Eine zeitnahe Bestätigung hierzu wäre insbesondere aufgrund der aktuellen Verhandlung der Finanzierungsvereinbarung für die zusätzliche Feinplanung der Tunnelvariante zwischen der DB Netz AG und meiner Verwaltung, aber auch für die Information des Stadtrates notwendig.
Was die Frage der weiter zu thematisierenden Zugzahlen anbelangt, bleibt unverständlich, weshalb nicht berücksichtigt wird, dass es durch den Brennerbasistunnel zu einer starken Zunahme des Schienengüterverkehrs in München kommen wird. In Ihrem Schreiben vom 6. April 2020 führen Sie selbst aus, dass 2/3 der Züge, die über den Brenner verkehren, den Knoten München anfahren werden und keine großräumigen Umfahrungsmöglichkeiten bestehen. Es ist somit zu erwarten, dass die Güterzüge nicht am Ende der Ausbaustrecke des Brenner-Nordzulaufs stehen bleiben, sondern im Streckennetz weitergeführt werden. Eine rasche Anpassung der der Planung zu Grunde liegenden Zugzahlen ist daher unbedingt erforderlich. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf eine Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans für das Jahr 2035, es muss zusätzlich auch eine Betrachtung bis 2050 erfolgen. Dabei ist der Landeshauptstadt München der Unterschied zwischen Szenarien und der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans durchaus bewusst. Insofern möchte ich Sie erneut eindringlich bitten, auch für München eine Szenarienstudie bis 2050 zu erstellen und nach der Erstellung mit den Bürgerinnen und Bürgern und der Landeshauptstadt München über die Auswirkungen des zu erwartenden Anstiegs der Zugzahlen zu diskutieren. Auch diesbezüglich bin ich für die Aussagen Ihres parlamentarischen Staatssekretärs dankbar, der eine Prüfung dieses Anliegens auch gegenüber der Bürgerinitiative zugesagt hat. Aufgrund der oben genannten Punkte ist die Landeshauptstadt München verpflichtet, für ihre Bürgerinnen und Bürger eine für Jahrzehnte passende Lösung beim Ausbau der Infrastruktur zu finden. Im Rahmen des im Laufe des Verfahrens anstehenden Planfeststellungsverfahrens ist die Landeshauptstadt München daher gehalten, gegebenenfalls rechtliche Schritte zu prüfen, um ihre Belange entsprechend vertreten zu können. Der Landeshauptstadt München ist unabhängig davon primär an einer einvernehmlichen Lösung gelegen. Ich möchte deshalb nochmals betonen, dass die Landeshauptstadt München bereit ist, auch die damit verbundenen Mehrkosten zusammen mit dem Bund und anderen zuständigen Akteuren anteilig zu tragen, um eine fristgerechte Realisierung dieses wichtigen Abschnitts des Brenner-Nordzulaufs zu ermöglichen.“