Fassadenbegrünung bereits architektonisch mitdenken
Antrag Stadträte Sebastian Schall, Otto Seidl und Manuel Pretzl (CSU-Fraktion) vom 10.2.2020
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:
In Ihrem Antrag 14-20/A 06712 „Fassadenbegrünung bereits architektonisch mitdenken“ vom 10.2.2020, fordern Sie die Verwaltung und die städtischen Beteiligungsgesellschaften auf, an Neubauten, wo immer es möglich ist, Kletterhilfen für eine Begrünung vorzusehen.
Leider konnte der Antrag nicht in der vorgegebenen Zeit beantwortet werden. Wir entschuldigen uns für die Verzögerung und die versäumte Fristverlängerung.
Zu Ihrem Antrag vom 10.2.2020 teilen wir Ihnen in Zusammenarbeit mit dem Kommunal- und Baureferat mit, dass Ihrem Anliegen bereits durch den Beschluss Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 16525 „Bayerisches Versöhnungsgesetz II/Grundsatzbeschluss zur „Klimaneutralen Stadtverwaltung 2030“ und weitere Maßnahmen zur Erreichung der „Klimaneutralität München 2050“ vom 18.12.2019 entsprochen wurde.
Vorgaben der Landeshauptstadt München
Bereits seit 1996 stellt die Freiflächengestaltungssatzung der Landeshauptstadt München die Bepflanzung der nicht überbauten Flächen von Grundstücken sowie die Dach- und Fassadenbegrünung im Stadtgebiet sicher. Zur Fassadenbegrünung ist in ihr folgende Regelung enthalten: „Unter besonderer Berücksichtigung der Architektur sollen geeignete, insbesondere großflächige Außenwände baulicher Anlagen, mit hochwüchsigen, ausdauernden Kletterpflanzen begrünt werden. Als geeignet gelten insbesondere Industrie- und Gewerbegebäude.“ Die Freiflächengestaltungssatzung wird auch bei stadteigenen Bauvorhaben berücksichtigt und greift v.a. im Neubau.
Im ökologischen Kriterienkatalog, der verpflichtend für alle Bauvorhaben, sowohl Wohnungs- als auch Gewerbebau, auf städtischen Grundstücken und auch Vertragsbestandteil bei der Vergabe städtischer Grundstücke ist, ist die Fassadenbegrünung in Punkt 6. Außenanlagen mit der Forderung der Einhaltung der Freiflächengestaltungssatzung geregelt. Bei der Fortschreibung des ökologischen Kriterienkataloges wird das Thema Fassadenbegrünung erneut behandelt.Bei städtischen Liegenschaften werden aufgrund der Vorbildfunktion der Stadtverwaltung verbindliche Vorgaben zu Fassadenbegrünung getroffen (siehe Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 16525 vom 18.12.2019). So sind „bei städtischen Neubauten und Sanierungen zur Verbesserung des Stadtklimas und zur Förderung der Biodiversität am Gebäude neben den Flachdächern auch mindestens 30 Prozent der Fassade zu begrünen, sofern dies im jeweiligen Einzelprojekt technisch und denkmalschutzrechtlich möglich ist.“ Gemäß Ziffer 18 soll das auch für alle städtischen Beteiligungsgesellschaften gelten.
Zusätzlich besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit, Festsetzungen in Bebauungsplansatzungen zu treffen. In München wird Fassadenbegrünung aus folgenden Gründen jedoch nicht standardmäßig und nur in besonderen Einzelfällen festgesetzt:
-Im Vergleich zu ausreichend großen Grünflächen und (Groß-)Baumpflanzungen sind Fassadenbegrünungen deutlich weniger wirksam im Hinblick auf ihre stadtklimatischen Leistungen (z.B. Verdunstung, Verschattung).
-Die Benefiteffekte für die biologische Vielfalt sind im Vergleich dazu und zur Dachbegrünung ebenfalls verhältnismäßig gering. -Hinzu kommt zudem häufig ein starker Widerstand seitens der Bauherrinnen/Bauherren und Architekturschaffenden aus funktionalen und gestalterischen Gründen.
-Bei Wohn-, Büro- und Geschäftsgebäuden ist häufig auf Grund des hohen Fensteranteils ein geringes Potenzial an begrünbaren Fassadenflächen gegeben.
-Die gegenseitige Beeinflussung von Fassadenbegrünung und Wand bezüglich Wartung und Instandhaltung der Fassade, Kraftübertragung und Materialspiel der Befestigungen sind bei der Fassadengestaltung zu berücksichtigen. Auch werden denkmalgeschützte Fassaden i.d.R. nicht begrünt (aus Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 12406 vom 24.10.2018)
Anwendung der Vorgaben im Bereich der Landeshauptstadt München
Das Kommunalreferat hat seinen Gebäudebestand bereits zu Fassadenbegrünungen geprüft. Die Prüfung ergab, dass Verwaltungs- und Kulturgebäude, Feuerwachen und ähnliche Objekte in der Regel aufgrund der Fassadenstruktur nicht geeignet sind. Trotzdem konnten einige geeignete Gewerbeanwesen identifiziert werden; an diesen Objekten befindet sich eine Fassadenbegrünung derzeit in der Umsetzung. Hierbei handelt es sich um die Gebäude Blumenstraße 11 und 13, Müllerstraße 16 und 34 (verwaltet durch die GEWOFAG), Glogauer Straße 35 (verwaltet durch die GWG).Innerhalb des vom Kommunalreferat verwalteten Gebäudebestandes wird bei Neubaumaßnahmen – wie im Übrigen auch bei umfassenden Sanierungsmaßnahmen von Bestandsbauten – die Option des Fassadenbegrünung standardmäßig aufgegriffen. Die Prüfung einer möglichen Begrünung erfolgt nicht pauschal, sondern jeweils objektbezogen.
Dabei werden seit Jahren stets hohe energetische Standards angestrebt. Unter den gegebenen Umständen des Einzelfalles und unter Einbeziehung energetischer sowie wirtschaftlicher Gesichtspunkte werden dabei durch individuell angepasste Maßnahmen optimale Lösungen anvisiert. Der Schwerpunkt liegt auf einer deutlichen Verringerung des Energieverbrauches. Dabei ist zu beachten, dass an die Begrünung gedämmter Außenfassaden besondere, mit einem finanziellen Mehraufwand verbundene Anforderungen (z.B. großer Wandabstand zwecks Sicherstellung ausreichender Hinterlüftung des Bewuchses, dauerhafte Regendichtigkeit, Funktion der Dämmung erhalten) gestellt werden. Auch die Begrünung nicht gedämmter Fassaden setzt voraus, dass die Gebäudehüllen (Mauerwerk, Putz, etc.) in einer zu diesem Zweck geeigneten Form errichtet werden, damit infolge der Begrünung keine Beschädigungen am Mauerwerk entstehen.
Hinzu kommt, dass neben den beschriebenen höheren Herstellungskosten zusätzlich ein laufender Pflegeaufwand (z.B. für die Pflege des Pflanzenbewuchses) entsteht. Sofern im Rahmen der Fremdvermietung eine Betriebskostenumlage vereinbart ist, ist das Kommunalreferat verpflichtet, den laufenden Pflegeaufwand weiterzureichen. Dies hat aber entsprechend steigende Betriebskostenbelastungen für städtische Mieterinnen und Mieter und Pächterinnen und Pächter zur Folge.
Außerdem kann das Kommunalreferat an öffentlichen Förderprogrammen für private Begrünungsmaßnahmen (Hof- und Vorgartenbegrünung, Fassadenbegrünung, Dachbegrünung, Entsiegelungsmaßnahmen) nicht partizipieren, nachdem städtische Objekte bislang nicht förderfähig sind.
Die GEWOFAG Holding GmbH äußert sich wie folgt:
„Die GEWOFAG setzt seit vielen Jahrzehnten Fassadenbegrünung ein. Im eigenen Bestand verfügen derzeit ca. 60 Quartiere der GEWOFAG über Fassadenbegrünungen unterschiedlichster Intensität und Art mit insgesamt über 600 Kletterpflanzen. Dies sind begrünte Mauern oder Nebengebäude, aber auch ganze Fassaden an Gebäuden unterschiedlichster Baualtersklassen und Bauweisen.Zum Einsatz kommen sowohl Selbstklimmer als auch Rankenkonstruktionen. Die GEWOFAG verfügt damit über umfangreiche, langfristige Erfahrung und gesicherte Erkenntnisse zu diesem Thema. Frühe Begrünungen wurden oft mit Selbstklimmern (z.B. wilder Wein und Efeu) durchgeführt und sind für die Gebäudesubstanz und die Pflege nicht unproblematisch. Kritische Zonen sind hier die Attikaverblechungen, Ziegeldächer, Dehnfugen, Fenster, Rollokästen oder vorhandene Risse in Fassaden. Bei den später vermehrt eingesetzten Rankgerüsten und Seilkonstruktionen führen oftmals die Gerüste oder Seile selbst, sowie die Verankerungen in der Wand, zu Problemen, da sie dauerhaft den Zugbelastungen nicht standhalten. Auch haben sich die Fassadenflächen und Konstruktionen oftmals für die Wuchsleistung der Pflanzen als zu klein dimensioniert herausgestellt, was in der Folge zu hohen Unterhaltskosten und Instandsetzungsbedarf führte. Bei der Standorteignung spielt auch der vorhandene Grund eine Rolle, da ausreichend Feuchtigkeitsversorgung gewährleistet sein muss, aber auch keine Sparten im Wurzelbereich liegen dürfen. Insbesondere in beengten innerstädtischen Lagen ist dies oftmals ein Ausschlusskriterium.
Dennoch werden auch aktuell im Neubau und bei Bestandsmodernisierungen der GEWOFAG Fassadenbegrünungen eingesetzt, wenn die Rahmenbedingungen, wie z.B. der Baukörper und die Fassadenbauweise, dies zulassen. Die zu begrünenden Flächen müssen groß genug sein, dürfen möglichst keine Fugen aufweisen und von der Materialität und Konstruktion tragfähig sein.
Insbesondere bei Fassadendämmungen steigt der Aufwand zur bauphysikalisch korrekten Verankerung enorm, so dass von Fall zu Fall geprüft werden muss, ob dies wirtschaftlich vertretbar ist. Vorgehängte Fassadenplatten oder Holzfassaden schränken die Möglichkeiten ebenfalls stark ein oder können zum Ausschluss führen.
Bei allen Maßnahmen sind die zukünftigen Auswirkungen auf die Bau-, Pflege- und Unterhaltskosten zu berücksichtigen, insbesondere im geförderten Wohnungsbau. Auch die Nebenkosten für die Mieter müssen im vertretbaren Rahmen bleiben, um Wohnen bezahlbar zu halten. Nicht zuletzt ist es sinnvoll, die Mieter mit einzubinden, da aus unserer Erfahrung eine Fassadenbegrünung nicht immer auf ungeteilte Gegenliebe bei den Mietern stößt.
Zusammenfassend lässt sich aus Sicht der GEWOFAG festhalten, dass der grundsätzliche Einsatz, aber auch die Dimensionierung von Fassadenbegrünungen stets individuell für das Bauvorhaben oder Bestandsobjektgeprüft und sorgfältig abgewogen werden muss, um dauerhaft zu Erfolg zu führen.“
Von Seiten der GWG München erfolgt folgende Stellungnahme:
„Der GWG München ist es sehr wichtig, als städtisches Wohnungsunternehmen einen bestmöglichen Beitrag zum Klimaschutz der Landeshauptstadt München zu leisten. Wir haben schon in der Vergangenheit mit der bodengebundenen Fassadenbegrünung gute Erfahrungen sammeln können. So hat die GWG München bei den Gebäuden im Ackermannbogen (Georg-Bik-Straße) und in der Echardinger Straße die Fassaden an den Laubengängen begrünt.“
Fazit
Die beiden städtischen Wohnungsbaugesellschaften GEWOFAG Holding GmbH und GWG München stehen dem Thema Fassadenbegrünung aufgeschlossen gegenüber. Schon seit längerem werden Fassadenbegrünungen bei ihren Bauvorhaben vorgenommen, sofern es die örtlichen und technischen Rahmenbedingungen zulassen. Der im Stadtratsantrag gestellten Forderung wird somit im Bereich der städtischen Wohnungsbaugesellschaften bereits nachgekommen.
Die aufgrund von Klimaschutzmaßnahmen erhöhten Anforderungen an die thermische Gebäudehülle kann dem Wunsch nach Fassadenbegrünungen entgegenstehen. Diese betrifft grundsätzlich alle Flächen der Gebäude, an welchen klimatechnische Notwendigkeiten mit dem Wunsch nach mehr Grün konkurrieren, wie beispielsweise die Dächer. Deswegen müssen insbesondere im geförderten Wohnungsbau die damit verbundenen Erstellungs- und Unterhaltskosten im Rahmen bleiben, was die grundsätzlichen Einsatzmöglichkeiten sehr einschränkt.
Optisch können Fassadenbegrünungen einen wichtigen Beitrag zum Stadtbild und damit für das Allgemeinwohl liefern. Verbesserte Förderprogramme könnten freiwilliges Engagement stärken, wenn damit die Aufwendungen der Bauherren für Fassadenbegrünungen im individuell zumutbaren Rahmen gehalten werden.
Im Vergleich zu ausreichend großen Grünflächen und zu (Groß-)Baum- pflanzungen sind Maßnahmen der Gebäudebegrünung wie Dach- und Fassadenbegrünung deutlich weniger wirksam im Hinblick auf ihre stadtklimatischen Leistungen und Benefiteffekte für die Biodiversität. Gebäudebegrünung kann deswegen Grünflächen und Großbäume nicht ersetzen, dennoch kann sie, besonders in dicht bebauten Innenstadtlagen, einenwertvollen Beitrag leisten. Je nachdem welche Pflanzen verwendet werden, zeigen sich die potentiell positiven Effekte der Fassadenbegrünung für die lokale biologische Vielfalt und die Klimaanpassung. Sie können Kleinsttieren als Lebensraum aber auch Pflanzenfressern als Nahrungsquelle dienen. Aufgrund der insbesondere in der Innenstadt herrschenden Flächenknappheit sind somit Bauwerksbegrünungen Teil einer zukunftsorientierten Stadtentwicklung, auch wenn sie größere Grünflächen nicht ersetzen können.
Insgesamt kann gesagt werden, dass mit dem Beschluss vom 18.12.2019, Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 16525 „Bayerisches Versöhnungsgesetz II/ Grundsatzbeschluss zur „Klimaneutralen Stadtverwaltung 2030“ und weitere Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität München 2050“, aus Sicht der Stadtverwaltung der Forderung des Stadtratsantrags bereits nachgekommen wird.
Auch wenn sich die Fassadenbegrünung nicht immer wirtschaftlich darstellt und mitunter höhere Herstellungs- und Unterhaltskosten verursacht, unterstützen das Kommunalreferat, das Baureferat und das Referat für Stadtplanung und Bauordnung insbesondere aus ökologischen Gründen die gängige Vorgehensweise und prüfen regelmäßig bei ihrem jeweiligen Planungen die Möglichkeit einer Fassadenbegrünung.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.