Lüften und Luftaustausch im Coronawinter
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Rathaus Umschau 196 / 2020, veröffentlicht am 13.10.2020
Lüften und Luftaustausch im Coronawinter
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Barbara Likus, Cumali Naz, Lena Odell, Julia Schönfeld-Knor, Felix Sproll (SPD/Volt – Fraktion) und Anja Berger, Beppo Brem, Mona Fuchs, Dr. Hannah Gerstenkorn, Nimet Gökmenoglu, Sofie Langmeier, Sebastian Weisenburger (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) vom 25.9.2020
Antwort Stadtschulrätin Beatrix Zurek:
Auf Ihre Anfrage vom 25.9.2020 nehme ich Bezug.
Sie haben Ihrer Anfrage folgenden Text vorausgeschickt:
„Im Winter wird es auf Grund der niedrigen Außentemperaturen kaum möglich sein, allein durch Lüften die Virenlast in den Räumen ausreichend zu reduzieren. Lüftungsanlagen und CO2-Ampeln können daher einen wesentlichen Beitrag leisten, den Schul- und Kitabetrieb sicherer zu machen. Gelingt es uns nicht, den Schulbetrieb im Winter sicher zu machen, werden an anderer Stelle weit höhere Kosten entstehen. Während der Pressekonferenz am 22.9.2020 verkündete Ministerpräsident Markus Söder, dass der Freistaat Bayern auf Grund der Coronakrise für die Umsetzung technischer Maßnahmen zum infektionsschutzgerechten Lüften, zur Ertüchtigung bzw. Neuinstallation raumlufttechnischer Anlagen und der Anschaffung geeigneter CO2-Messgeräte an Schulen und Kitas bis zu 50 Millionen. zur Verfügung stellen wird.“
Die in Ihrer Anfrage aufgeworfenen Fragen werden unter Berücksichtigung der Ergebnisse einer referatsübergreifenden Arbeitsgruppe zu dieser Thematik sowie einer Stellungnahme des Referates für Gesundheit und Umwelt beantwortet. An der genannten Arbeitsgruppe waren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Referates für Bildung und Sport, des Referates für Gesundheit und Umwelt sowie des Baureferates beteiligt. Die Ergebnisse wurden ferner abgestimmt mit der Stabsstelle Krankenhaushygiene und Infektionsprävention der München Klinik, dem Betriebsärztlichen Dienst und dem Fachdienst für Arbeitssicherheit der Landeshauptstadt München.
Zu den von Ihnen gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Welche Lüftungskonzepte gibt es für die Schulen?
Antwort:
In dem vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus in Abstimmung mit dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege herausgegebenen Rahmen-Hygieneplan zur Umsetzung des Schutz- und Hygienekonzepts für Schulen nach der jeweils geltenden Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 2.10.2020 wird vorgegeben: „Dem infektionsschutzgerechten Lüften kommt gerade in den bevorstehenden Herbst- und Wintermonaten enorme Bedeutung zu, um die Virenlast und damit die Ansteckungsgefahr in Gebäudeinnenräumen durch regelmäßige Frischluftzufuhr zu verringern. Mindestens alle 45 Minuten ist eine Stoßlüftung bzw. Querlüftung durch vollständig geöffnete Fenster über mehrere Minuten (mindestens 5 Minuten) vorzunehmen, wenn möglich auch öfters während des Unterrichts. Eine Kipplüftung ist weitgehend wirkungslos, weil durch sie kaum Luft ausgetauscht wird. Ist eine solche Stoßlüftung oder Querlüftung nicht möglich, weil z.B. die Fenster nicht vollständig geöffnet werden können, muss durch längere Lüftungszeit und Öffnen von Türen ein ausreichender Luftaustausch ermöglicht werden. Bei Räumen ohne zu öffnende Fenster oder mit raumlufttechnischen Anlagen ohne oder mit zu geringer Frischluftzufuhr hat die Schulleitung mit dem zuständigen Sachaufwandsträger geeignete Maßnahmen zu treffen (z.B. zeitweise Öffnung an sich verschlossener Fenster). Grundsätzlich sollten raumlufttechnische Anlagen mit möglichst hohem Frischluftanteil betrieben werden.“
Diese Vorgaben dienen auch an den Münchner Schulen als Vorlage zur Erstellung von jeweils angepassten Lüftungsplänen.
Soweit in einzelnen Schulen vorhanden, laufen raumlufttechnische Anlagen für Aufenthaltsräume bereits mit dem größtmöglichen Außenluftanteil. Wird nach diesen Vorgaben gelüftet, kommt es bei niedrigen Außentemperaturen zu einer vorübergehenden Senkung der Raumlufttemperatur um wenige Grad Celsius, jedoch nicht zu einer anhaltenden Auskühlung des Raumes. Dies wird nicht als gesundheitlich bedenklich gesehen, d.h. es sprechen keine medizinischen Gründe gegen regelmäßiges Lüften. Der Energieaufwand zum Wiedererwärmen der Raumluft auf eine angenehm empfundene Raumtemperatur ist verhältnismäßig gering.
Das Referat für Gesundheit und Umwelt nimmt darüber hinaus zur Thematik der mobilen Raumluftreinigungsgeräte und zum Einsatz von CO2-Messgeräten im schulischen Bereich wie folgt Stellung:
Es liegen bislang keine wissenschaftlichen Studien vor, die nachweisen, dass durch Einsatz der Geräte eine Übertragung speziell hinsichtlich CO-VID-19 maßgeblich verhindert wird. Stattdessen ist nicht auszuschließen,dass die durch das Gerät entstehende Luftbewegung sogar das Gegenteil bewirken könnte. So ist beispielsweise bei den üblicherweise vorgeschlagenen Geräten mit Hepa-Filtern zu beachten, dass ein tägliches Aufheitzen für ca. 30 Minuten auf 100 Grad notwendig ist, damit diese nicht zu einer „Virenschleuder“ werden und dann im Gegenteil eine erhöhte Infektionsgefahr von den Geräten ausgeht. Derartige Wartungs- und Pflegeaufwände sind an den Schulen nicht mit ausreichender Sicherheit zu gewährleisten.
Im Vordergrund der Übertragung von SARS-CoV-2 stehen wohl nach neueren Erkenntnissen Tröpfchen, wie sie beim Sprechen oder Husten in ein begrenztes Umfeld abgegeben werden. Demgegenüber wird die Übertragung über Aerosole (feinste Tröpfchen kleiner 5 µm), die über größere Distanzen über die Luft verfrachtet werden, als eher gering eingeschätzt. So heißt es in einer aktuellen Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V.: „Die epidemiologischen Daten sprechen gegen einen nennenswerten Aerosolassoziierten Anteil an der SARS-CoV-2-Ausbreitung“. Deshalb stellt das konsequente Befolgen der AHA-L-Maßnahmen die Basis der Prävention dar und kann durch andere Maßnahmen nicht ersetzt werden. Alle Maßnahmen, die das Aufweichen oder eine Scheinsicherheit verbreiten, werden vom RGU kritisch gesehen. Mobile Raumluftreinigungsgeräte können im Gegensatz zu AHA-L-Maßnahmen die Wahrscheinlichkeit der Übertragung bei einem durchschnittlichen Infizierten, der Viren ausscheidet, nicht so deutlich verringern, dass eine Infektion bei einer diesem exponierten Person weit-gehend verhindert werden kann. In anderen Worten, sie nützen nichts, wenn der Sitznachbar krank ist.
Die Innenraumlufthygiene-Kommission (IRK) des Umweltbundesamts zeigt sich in ihrer Stellungnahme ebenso skeptisch: „Der Einsatz von mobilen Luftreinigern mit integrierten HEPA-Filtern in Klassenräumen reicht nach Ansicht der IRK nicht aus, um wirkungsvoll über die gesamte Unterrichtsdauer Schwebepartikel (z.B. Viren) aus der Raumluft zu entfernen.“ Auch nach einem Expertengespräch zum Thema Lüften an Schulen in Rheinland-Pfalz wurde festgehalten: „Zum aktuellen Zeitpunkt sind mobile Luftreinigungsgeräte in Innenräumen nicht empfehlenswert, da es bisher keine anerkannten standardisierten Prüfverfahren gibt und verschiedene Faktoren (z.B. ungünstige Raumgeometrien, Standortwahl der Geräte im Raum, Anzahl der Personen) die Wirksamkeit stark einschränken und ggf. gesundheitliche Risiken mit sich bringen können. Geräte, die die Luft unkontrolliert im Raum verbreiten, können möglicherweise zur Virenverbreitung beitragen. Die Geräte müssen kontinuierlich fachgerecht gewartet und die Filter sachgerecht entsorgt werden.“Kohlenstoffdioxid (CO2) ist ein natürlicher Bestandteil der Luft und wird u.a. bei der Atmung abgegeben. Eine hohe CO2-Konzentration ist immer ein Hinweis für verbrauchte Luft in Räumen und für eine unzureichende Lüftung von Räumen. Eine Raumluftkonzentration bis 1.000 ppm CO2 gilt als hygienisch unbedenklich. Die einfachste und effektivste Maßnahme zur Senkung der CO2-Konzentration in Räumen ist das regelmäßige Lüften.
Bei CO2 – Messgeräten wird vom RGU insofern ein Nutzen gesehen, dass sie für die Thematik „Lüften“ sensibilisieren und ihr Einsatz zu einem regelmäßigen Lüften führen kann. Die Geräte haben eine „Wecker-Funktion“ und teilen z.B. per Ampelsystem mit, wann die Luft im Raum verbraucht ist.
Auf die tatsächliche Belastung der Raumluft mit SARS-CoV-2 Viren lassen sich jedoch keine direkten Rückschlüsse ziehen. Dennoch kann der Einsatz der CO2-Messgeräte für den Infektionsschutz unterstützend sein, wenn er zu einem regelmäßigen Lüften führt. Zudem können die Geräte eine Orientierung zu notwendigen Lüftungsintervallen in verschiedenen Räumlichkeiten geben. Dies darf jedoch im Hinblick auf den Infektionsschutz die im Rahmen-Hygieneplan vorgeschriebenen Mindeststandards keinesfalls unterschreiten.
Frage 2:
Wie wird das Thema mit den Schulen und Eltern kommuniziert?
Antwort:
Das RBS hat ein ausführliches Schreiben mit Informationen zu diesem Themenbereich an die Schulen übermittelt. Zudem ist seitens des RBS geplant, den Schulen ein Infoplakat zum richtigen Lüften an Schulen zur Verfügung zu stellen. Ferner werden diese Informationen auch auf der Homepage des RBS zur Verfügung gestellt.
Frage 3:
Wie wird bei der Umsetzung der Lüftungskonzepte mit den unterschiedlichen Größen der Klassenzimmer und Beschaffenheiten der Schulgebäude umgegangen?
Antwort:
Siehe Antwort zu Frage 5.
Frage 4:
Wie werden die Gelder umverteilt, die vom Freistaat Bayern für Lüftungsanlagen und CO2 Messgeräte an Schulen und Kitas zur Verfügung gestellt werden?
Antwort:
Da über die Förderung von CO2-Messgeräten hinaus die genaue Ausgestaltung der Förderrichtlinien derzeit noch nicht feststeht, wird von Seiten der Stadt über den Bayerischen Städtetag versucht, dass der Freistaat das Förderspektrum möglichst breit fasst.
Es ist weiterhin vorgesehen, einen Rahmenvertrag für CO2–Messgeräte abzuschließen, damit etwa 1/3 aller Unterrichtsräume sowie etwa 1/3 aller städtischen Kita-Gruppenräume mit Messgeräten ausgestattet werden können. Die Anzahl wird für alle Schulen als voraussichtlich ausreichend angesehen, da davon auszugehen ist, dass die einzelnen Schulen und Kitas entsprechend ihrer individuellen Lüftungskonzepte eine deutlich unterschiedliche Anzahl an CO2– Messgeräten bestellen werden. Zudem können die Geräte abwechselnd in verschiedenen Klassenzimmern zum Einsatz kommen. Die Kosten dafür sollen über die aktuellen Förderprogramme zur Refinanzierung angemeldet werden. Vorab soll auch ein vorgezogener Maßnahmenbeginn mit den Fördergebern abgeklärt werden.
Frage 5:
Inwieweit findet in den Schulen eine Überprüfung der Fenster bzgl. der Funktionstüchtigkeit im Hinblick auf das Öffnen statt? Sind Umrüstungen vorgesehen, wenn die notwendige Öffnung der Fenster nicht möglich ist?
Antwort:
In allen Münchner Schulen können grundsätzlich die Fenster in den Klassenzimmern geöffnet werden. Auch wenn in einigen Fällen Öffnungsbegrenzer angebracht sind, sind die Öffnungsweiten so dimensioniert, dass gem. der Arbeitsstättenregel A 3.6 normgerecht und ausreichend gelüftet werden kann. Sofern der Wunsch nach einer Erhöhung des Luftaustausches besteht, wird in Abstimmung mit dem Fachdienst für Arbeitssicherheit (FAS) geprüft, ob die teilweise Entfernung der Öffnungsbegrenzer erfolgen kann.
An manchen Münchner Schulen erfolgt die Belüftung schulisch genutzter Räumlichkeiten durch eine Raumlufttechnische Anlage (RLTA). Alle RLTA werden bereits mit größtmöglichem Außenluftanteil betrieben, regelmäßig gewartet und entsprechen damit den Maßgaben des RHP (Rahmenhygi-eneplan). Gleiches gilt grundsätzlich für Sporthallen, Schwimmhallen und Mensen. Manche Klassenzimmer werden zwar über eine RLTA belüftet, haben jedoch zusätzliche Fenster, die geöffnet werden können. Hier soll gemäß des Rahmenhygieneplans (RHP) der Staatsministerien zusätzlich auch über die Fenster gelüftet werden.