Münchner Abwasser als Frühwarnsystem!
Antrag Stadtrats-Mitglieder Kathrin Abele, Barbara Likus, Lars Mentrup, Lena Odell, Klaus Peter Rupp, Dr. Julia Schmitt-Thiel, Julia Schönfeld-Knor, Andreas Schuster (SPD/Volt-Fraktion) und Anja Berger, Paul Bickelbacher, Dr. Hannah Gerstenkorn, Nimet Gökmenoglu, Angelika Pilz-Strasser, Florian Schönemann, Bernd Schreyer, Sybille Stöhr (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) vom 20.5.2020
Antwort Baureferentin Rosemarie Hingerl:
In Ihrem Antrag fordern Sie die Münchner Stadtentwässerung und das Referat für Gesundheit und Umwelt auf zu überprüfen, inwieweit sich die LHM mit den eigenen Kläranlagen am aktuellen Forschungsprojekt „Integrales SARS-CoV-2-Abwassermonitoring“ des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) und der Technischen Universität (TU) Dresden beteiligen kann.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit der Münchner Stadtentwässerung, deren Besorgung nach Art. 88 Abs. 3 GO und § 3 Abs. 2, 4 BetriebsS der Werkleitung obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag teilt die Münchner Stadtentwässerung in Abstimmung mit dem Referat für Gesundheit und Umwelt aber Folgendes mit:
Seit Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie befasst sich die Münchner Stadtentwässerung (MSE) intensiv mit dem Thema Corona-Viren im Abwasser. Zum einen aus Gründen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, zum Schutz der operativen Mitarbeiter*innen, welche in ihrem täglichen Umgang mit den Abwässern der Landeshauptstadt und der an das Münchner Kanalnetz angeschlossenen Umlandgemeinden vor dem Risiko einer Infektion geschützt werden müssen. Zum anderen, um die Wissenschaft und Medizin zu unterstützen und so einen Beitrag zu leisten, weitergehende Kenntnisse über das Corona-Virus und dessen Verbreitung zu gewinnen.
Die MSE ist aktuell in vier wissenschaftliche Projekte eingebunden, welche sich mit der Thematik des Nachweises von Corona-Viren im Abwasser beschäftigen. Die Rolle der MSE liegt dabei zum einen in der Entnahmeund Bereitstellung von Abwasserproben aus dem Kanalnetz und/oder den Klärwerken, zum anderen dient sie als Ansprechpartner im Rahmen der fachlichen Diskussion der jeweiligen Untersuchungsergebnisse.
Schon kurz nach Auftreten der ersten Coronafälle in München startete die TU München gemeinsam mit der MSE ein Beprobungsprogramm in den Münchner Abwasseranlagen. Untersucht wurden und werden Abwässer im Kanalnetz und im Zulauf zum Klärwerk Gut Großlappen. Im Fokus der ersten Untersuchungen stand die Entwicklung grundsätzlicher Methoden. Zwischenzeitlich wurde durch die TU München in München und fünf weiteren bayerischen Kommunen ein zweites Beprobungsprogramm gestartet, um konkret Daten zur Korrelation zwischen Viren im Abwasser und den Infektionszahlen in der Bevölkerung zu gewinnen.
Schon seit vielen Jahren sind die beiden Münchner Klärwerke in ein großflächiges Untersuchungsprogramm der TU Dresden eingebunden, bei dem Drogenrückstände im Abwasser von Großstädten untersucht werden. Diese bereits vorhandene Arbeitsbeziehung nutzte die TU Dresden, um die Münchner Kläranlagen von Beginn an in ein Untersuchungsprogramm bezüglich Corona-Viren mit aufzunehmen. Die TU Dresden arbeitet in diesem Vorhaben als Partner in einem Kooperationsprojekt mit der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) sowie dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig zusammen. Wie bei dem Projekt der TU München stand die erste Phase des Projekts im Zeichen der Entwicklung grundsätzlicher Methoden. Seit Mitte Oktober 2020 wurde das Untersuchungsprogramm nun auf bis zu hundert Kläranlagen deutschlandweit ausgedehnt. Zunächst ist hier eine intensive Beprobungskampagne über den Verlauf von sechs Wochen geplant. Die MSE beteiligt sich an diesem Programm mit täglichen Proben des Klärwerkes Gut Großlappen.
Die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) führt im Auftrag der bayerischen Staatsregierung eine medizinische Studie zur Ermittlung von Corona-Infektions-Fallzahlen in der Münchner Bevölkerung durch. Die Studie ist am Max-von-Pettenkofer-Institut der medizinischen Fakultät angesiedelt. Begleitend zu den Untersuchungen der Münchner Bevölkerung werden im Rahmen der Studie an verschiedenen Stellen des Kanalnetzes durch die MSE regelmäßig Abwasserproben entnommen und bei der LMU auf das Erbgut von SARS-CoV-2-Viren untersucht. Auch hier ist das Ziel, die Eignung von Abwasseranalysen als Schnellindikator zur Detektion von realen Infektions-Fallzahlen in der Bevölkerung zu überprüfen.Auf Initiative des Stabs für Außergewöhnliche Ereignisse (SAE) der Landeshauptstadt München ist seit Mitte Oktober eine Projektgruppe mit Vertretern der Bundeswehr, der TU München, der LMU München, der Universität der Bundeswehr München, der Branddirektion, des Referates für Gesundheit und Umwelt und der MSE damit befasst, die Möglichkeiten und Grenzen eines intensiven städtischen Corona-Screening-Programms im Münchner Kanalnetz zu eruieren. In die Überlegungen und Planungen fließen die Erfahrungen der schon länger laufenden Untersuchungen der beteiligten Institutionen direkt mit ein. Das Projekt steht in der Konzeptionsphase, in einem ersten Schritt wird derzeit gemeinsam eine Beprobungsstrategie für ausgewählte geeignete Teilsektoren der Landeshauptstadt erarbeitet.
Neben den genannten Forschungsvorhaben mit MSE-Beteiligung wurden seit Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie deutschland- und weltweit binnen kurzer Zeit eine Vielzahl weiterer Untersuchungsprojekte mit dem Ziel der Entwicklung eines Corona-Frühwarnsystems mittels Abwasseranalysen gestartet. Die Münchner Stadtentwässerung steht hier mit verschiedenen Institutionen im direkten fachlichen Austausch, so z.B. mit den Berliner Wasserbetrieben und der TU Berlin. Darüber hinaus ist die MSE in einschlägige Fachgremien der DWA und anderer Fachinstitutionen personell eingebunden, so dass ein zeitnaher, intensiver Informationsaustausch gewährleistet ist.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass der Antrag damit abschließend behandelt ist.