Ehrliche Haushaltsplanung? – Feuerwehr München
Anfrage Stadträte Jens Luther, Manuel Pretzl und Professor Dr. Hans Theiss (CSU-Fraktion) vom 22.7.2020
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Am 22.07.2020 haben Sie folgende Anfrage an den Oberbürgermeister gerichtet:
„Gerade bei der Sicherheit darf nicht gespart oder verschoben werden. Im- mer wieder wurden uns durch die Branddirektion deutlich dargestellt, welche neuen Wachen durch das Bevölkerungswachstum baulich notwendig sind, welche neuen Einsatzgeräte, aber auch Personal unabdingbar sind. Genauso wie die Ausstattung der Freiwilligen Feuerwehren Standards er- füllen muss. Wie kann hier nun geschoben werden? Um eine ehrliche Darstellung zu erhalten, ist ein Überblick zu den offenen Fragen zu geben.“
Die Stadtkämmerei hat zu Ihrer Anfrage folgende Vorbemerkung übermittelt:
„Im Rahmen der Beschlussvorlagen Sicherheitspaket Haushalt 2020 vom 13.05.2020 (Sitzungsvorlage Nr. 20 -26/V 00225) sowie des Eckdatenbeschlusses für den Haushaltsplan 2021 (Beschluss Nr. 20-26/V 00527) der Vollversammlung vom 22.07.2020 wurden dem Stadtrat Vorschläge zur Reduktion von investiven und konsumtiven Kosten vorgelegt und beschlossen.
Bereits vor der Corona-Pandemie, bei weiterhin stabiler Haushaltslage, wären die Schulden der Landeshauptstadt München bis 2024 auf etwa 4,9 Milliarden Euro angewachsen. Vor diesem Hintergrund und der aktuellen äußerst schwierigen Haushaltslage ist eine Reduzierung der investiven Mittel im MIP-Zeitraum und ggf. darüber hinaus notwendig, um die dauernde Leistungsfähigkeit der Stadt sicherzustellen. Eine Ausweitung der Investitionen ist derzeit nicht darstellbar ohne die Genehmigungsfähigkeit des Haushalts in den nächsten Jahren zu gefährden.“
Die Branddirektion beantwortet Ihre konkreten Fragen wie folgt:
Frage 1:
Wie wirkt sich die von der Grün-Roten Koalition angekündigte Verschiebung der Kosten bis ins Jahr 2026 bei der Berufsfeuerwehr und Freiwilligen Feuerwehr in Höhe von 187 Millionen Euro aus?
Antwort:
Die Einsparungen haben nach derzeitigem Kenntnisstand nur auf zwei bereits in Planung befindliche Projekte größere Auswirkungen. Die bereits begonnenen und laufenden Bauvorhaben Sanierung Feuerwache 1 mit
den ersten beiden Ausführungsabschnitten und Neubau Feuerwache 5 mit dem zweiten Bauabschnitt werden weitergeführt. Auch der Neubau des abgebrannten Feuerwehrgerätehauses in Freimann und der Neubau des Feuerwehrgerätehauses in Großhadern sind nicht betroffen. Die Verschiebungen des dritten und letzten Ausführungsabschnittes der Sanierung der Feuerwache 1 aus dem derzeit betrachteten Zeitraum 2020-26 um ein bis zwei Jahre ist unkritisch. Gleichfalls verschoben werden muss die Sanierung der Feuerwache 9. Auch hier kann eine Beeinträchtigung der Sicherheit für die Bürger*innen ausgeschlossen werden. Daher ist der zeitverzögerte Beginn der Sanierungsmaßnahmen hinnehmbar.
Der am 09.01.2020 (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 17299) vom Stadtrat beschlossene Vorplanungsauftrag für die Erweiterung der Feuerwehrschule hat Bestand, die Planungen werden so begonnen, dass ein Baubeginn in 2027 erreicht wird. Auch der sich im verwaltungsinternen Umlauf befindliche Vorplanungsauftrag für den Neubau der Feuerwache Freimann auf dem Gelände der Bayernkaserne kann weitergeführt werden.
Für die Hilfsfristerreichung dringend erforderlich ist eine Feuerwache im Bereich Laim, die vermutlich zunächst über eine Interimswache abgedeckt werden muss (siehe auch Fragen 3 und 4). Der Bau der Interimswache ist zeitgerecht vorgesehen.
Für die anderen erforderlichen neuen Feuerwachen in Laim (endgültig), Aubing, Allach und Feldmoching, für die alle noch nicht mit den konkreten Planungen begonnen wurde, ist vereinbart, dass deren Baubeginn außerhalb des Betrachtungszeitraums 2020-26 liegen wird. Dies spiegelt jedoch auch die tatsächlich vorhandenen Zeitläufe für die Grundstückssicherung und Baurechtschaffung wider. Die langatmigen Zeitläufe bei diesen Projekten sind den schwierigen Abstimmungsgesprächen mit den Bezirksausschüssen, Mehrfachansprüchen an ein Grundstück oder planungsrechtlichen Fragestellungen geschuldet.
Frage 2:
Welche Mehrkosten werden durch diese zeitliche Verschiebung einschl. Baukostensteigerungen und vertraglicher Verpflichtungen verursacht?
Antwort:
Zu der Frage nimmt das Baureferat wie folgt Stellung:
„Die Entstehung von Mehrkosten kann nicht ausgeschlossen werden. Ob und in welcher Höhe Mehrkosten entstehen, hängt im Einzelnen vom jeweiligen Projektstand, dem Maß der Verschiebung und der Baupreisentwicklung ab und kann daher aktuell nicht beziffert werden.“
Frage 3:
Wie kann der Dienstbetrieb, die Einsatzbereitschaft und die Einhaltung der Rettungszeiten sichergestellt werden?
Antwort:
Auf den bestehenden Feuerwachen ist im Rahmen der dortigen Gegebenheiten und durch entsprechende Interimsmaßnahmen der Dienstbetrieb weiterhin sichergestellt. Dies geschieht allerdings unter Inkaufnahme von teilweise noch nicht umgesetzten Arbeitsschutzvorschriften, wie zum Beispiel ein fehlender Sicherheitsabstand zwischen Einsatzfahrzeugen und Wänden.
Das Erfordernis für den Neubau der Feuerwehrschule mit dem Ziel einer deutlichen Erhöhung der Lehrgangskapazitäten und der Schaffung der nötigen Ausbildungsumgebung hat weiterhin Bestand; die entsprechenden Vorplanungen werden gemäß Stadtratsbeschluss vom 09.01.2020 unver-ändert fortgeführt. Die nötige Grundausbildung wird unter den aktuellen räumlichen Gegebenheiten durchgeführt. Die nötigen Pflichtfortbildungen (Betriebssicherheitsgesetz, UVV u.a.) können bereits jetzt schon nicht mehr in dem erforderlichen Umfang angeboten werden, Weiterbildungen zur Personalentwicklung müssen reduziert oder mit entsprechenden Einschränkungen und Kosten ausgelagert oder an andere Städte (Lehrgänge in Nürnberg, Augsburg, Kempten, u.a.) vergeben werden.
Gemäß Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern über den Vollzug des Bayerischen Feuerwehrgesetzes (VollzBekBayFwG) vom 28. Mai 2013 (AllMBl. S.217, ber. S. 311) haben die gemeindlichen Feuerwehren jede an einer Straße gelegene Einsatzstelle in höchstens zehn Minuten zu erreichen (Hilfsfrist = Zeitspanne „zwischen Meldungseingang bei der Alarm auslösenden Stelle und dem Eintreffen“ am Einsatzort).
Bereits im Jahr 2013 wurde durch den Stadtrat ein Grundsatzbeschluss zur zukünftigen Standortstruktur der Berufsfeuerwehr verabschiedet (siehe„Grundsatzbeschluss „Zielplanung Feuerwachen 2020 Standortkonzept Feuerwachen“ in der gemeinsamen Sitzung des Kreisverwaltungsausschusses und Kommunalausschusses vom 17.10.2013, Sitzungsvorlage Nr. 08-14 V 13124). Darin wurde beschlossen, dass zukünftig zwölf Feuerwachen notwendig sind, um die Hilfsfrist von zehn Minuten flächendeckend einhalten zu können. Die Planung sieht vor, dass die derzeitigen Ausrückebereiche der Feuerwachen 6 (Pasing) und 7 (Milbertshofen) aufgeteilt werden müssen, sodass hier vier neue Feuerwachen (Freimann, Feldmoching, Allach und Aubing) entstehen. Wegen der örtlichen Nähe der derzeitigen Feuerwache 3 (Westend) zur Innenstadt und den Hilfsfristlücken in Laim und Großhadern ist die Feuerwache 3 in den Westen zu verlegen.
Bis zur Errichtung der zusätzlichen Feuerwachen kann die Hilfsfrist in den genannten Bereichen nicht überall eingehalten werden. Wie unter Frage 1 dargestellt verzögerte sich die Standortsicherung bisher vor allem aufgrund von schwierigen Abstimmungsgesprächen innerhalb der Verwaltung und mit den Bezirksausschüssen, Mehrfachansprüchen an ein Grundstück oder planungsrechtlichen Fragestellungen. Die zusätzlichen Standorte werden unter den individuellen Rahmenbedingungen jeweils weiter vorangetrieben.
Frage 4:
Wie steht eine mögliche zeitliche Schiebung im Widerspruch zu den bisherigen, als notwendig geforderten, Anforderungen der Feuerwehren?
Antwort:
Zur Beantwortung der Frage verweisen wir auf die Ausführungen zur Frage 3. Besonders ist aber auf die Situation im Kontext der neuen Feuerwache Laim hinzuweisen. Da auf dem maßgebenden Grundstück eine Baustelleneinrichtung für die zweite Stammstrecke der S-Bahn betrieben wird, gehen die aktuellen Terminplanungen von einem Baubeginn der Wache Laim nicht vor dem Jahr 2029 aus. Aus diesem Grund wird von der Branddirektion das Ziel verfolgt, in der Nähe des zukünftigen Standortes der Feuerwache eine provisorische Wache zu realisieren, um die bestehenden akuten Hilfsfristlücken abzudecken. Die provisorische Feuerwache muss aus fachlicher Sicht der Branddirektion umgehend umgesetzt werden. Die Geldmittel sind jedoch im dargestellten MIP bereits vorhanden.
Außerdem sei noch einmal auf die aus dem Jahr 1967 stammende Feuerwehrschule an der Feuerwache 2 eingegangen, die qualitativ, quantitativ und bautechnisch in keiner Weise mehr adäquat für die heutige Ausbildung für den Feuerwehrdienst ist. Daher werden in Erfüllung des Stadtratsauf-trages vom 09.01.2020 (Neubau Feuerwehr- und Rettungsdienstschule München, Genehmigung des Nutzerbedarfsprogramms, Vorplanungsauftrag, Beschluss des Kommunalausschusses gemeinsam mit dem Kreisverwaltungsausschuss, Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 17299) die Planungen für die neue Feuerwehr- und Rettungsdienstschule begonnen.
Ziel ist es, in der aktuellen Phase die Planungen auszuarbeiten und über die kommenden Beschlüsse gemäß Hochbaurichtlinien den Realisierungszeitpunkt festzulegen.
Ähnliches gilt für den Beginn der Vorplanung für die FW Freimann, für die alle Unterlagen vorliegen und Baurecht in der Bayernkaserne besteht. Die Feuerwache schließt die Lücken im nördlichen Harthof, in Fröttmaning und Freimann und wird mitten im mit erwarteten 15.000 Einwohnern hoch verdichteten Entwicklungsgebiet Bayernkaserne liegen.
Vor allem mit der Vorbereitung der drei vorgenannten Baumaßnahmen sieht die Branddirektion die Möglichkeit, weiter kontinuierlich an der Erfüllung der formulierten Anforderungen zu arbeiten. Wenn, wie derzeit auch im MIP vorgesehen, diese Maßnahmen weitergeführt werden, sieht die Branddirektion hier unter dem herrschenden Haushaltsbedingungen einen vertretbaren Zeitverzug.
Frage 5:
Welche Auswirkung/welchen Sparbeitrag hat diese Maßnahme auf den Verwaltungshaushalt?
Antwort:
Auswirkungen auf den Verwaltungshaushalt sind in den Bereichen Anmietungen und Bauunterhaltsbudget zu erwarten.
Unabhängig vom verzögerten Baubeginn müssen für die Implementierungen der abzusehenden Einführung von Ausbildungsberufen zur Feuerwehrfachkraft und Disponent*in in Integrierten Leitstellen etwa 2.000 Quadratmeter Nettofläche angemietet werden (entspricht zirka 3.500 Quadratmetern Brutto-Anmietfläche). Diese sind erforderlich, um die nötigen Aus- und Fortbildungskapazitäten für die Pflichtfortbildungen und die Einführung neuer direkter Zugangswege in die Feuerwehrlaufbahn zu schaffen. Es wird dabei ab 2023 von zirka 750.000 Euro pro Jahr als Belastung für den Verwaltungshaushalt ausgegangen.
Zu den Auswirkungen auf das Bauunterhaltsbudget nimmt das Baureferat wie folgt Stellung:„Die von einer Verschiebung betroffenen Bestandsgebäude werden – wie bisher – im Rahmen des Bauunterhalts funktionsfähig und verkehrssicher gehalten. Dazu werden die jährlich zur Verfügung stehenden Bauunterhaltsmittel eingesetzt.“