Entwicklung der Bau- und Gewerbeabfallmengen in München
Anfrage Stadträtin Dr. Julia Schmitt-Thiel (SPD/Volt-Fraktion) vom 13.10.2020
Antwort Beatrix Zurek, Referentin für Gesundheit und Umwelt:
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Das Kreislaufwirtschaftsgesetz hat mit der fünfstufigen Abfallhierarchie neue Rechtsprinzipien eingeführt. Mit der Novelle der Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV) vom 21.04.2017 wurde die Gleichheit von stofflicher und energetischer Verwertung abgelöst durch den Vorrang der stofflichen Verwertung und somit das Recycling von gewerblichen Siedlungsabfällen im Sinne des Ressourcenschutzes gestärkt.
Gemäß der novellierten GewAbfV sind alle Gewerbeabfälle grundsätzlich dem Recycling zuzuführen.
Für den Fall, dass ein gewerblicher Abfallerzeuger 90% seiner Abfälle getrennt erfasst und dem Recycling zuführt, können die verbleibenden 10% ohne Vorbehandlung energetisch verwertet oder thermisch behandelt werden. Ansonsten müssen nicht getrennt gehaltene Abfallgemische einer Vorbehandlung zugeführt werden, wobei eine Sortierquote von 85% und eine Recyclingquote von 30% erreicht werden muss.
Nach einer aktuellen Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Abfallwirtschaft sind erhebliche Zweifel angebracht, ob diese Quoten in der Realität tatsächlich erreicht werden.
Für den Vollzug dieser Verordnung sind die unteren Umweltbehörden – in München das Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) – zuständig.“
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Die darin aufgeworfenen Fragen beantworte ich unter Berücksichtigung der Stellungnahmen des Abfallwirtschaftsbetriebes München (AWM) und des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU) wie folgt:
Frage 1:
Wie haben sich in München die Bau- und Gewerbeabfallmengen seit dem Jahr 2000 entwickelt?
Antwort:
In den Anwendungsbereich der GewAbfV fallen nur „nicht gefährliche gewerbliche Abfälle“, für die keine Abfallnachweispflicht besteht und die im Falle ihrer Verwertung auch nicht dem AWM angedient werden müssen, sondern dem freien Markt unterliegen. Dementsprechend liegen überdie Summe der in München anfallenden Gewerbe- und Bauabfälle weder dem Abfallwirtschaftsbetrieb München (AWM) noch dem Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) als Unterer Abfallrechtsbehörde Zahlen vor, da gewerbliche Abfälle zur Verwertung überwiegend durch Privatfirmen eingesammelt werden. Auch das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) verfügt hierzu über keine Zahlen, somit sind Aussagen zum Gewerbeabfallaufkommen derzeit leider nicht möglich.
Für die Gewerbe- und Bauabfallmengen, die am HKW Nord zur Beseitigung und Verwertung angeliefert wurden, wird auf die Ziffer 5. verwiesen.
Frage 2:
Wie gut funktioniert die getrennte Sammlung bei den Gewerbeabfällen?
Antwort:
Gerade bei Großkunden und auch innerhalb der Landeshauptstadt München besteht eine hohe Bereitschaft, die Gewerbeabfälle getrennt zu sammeln und getrennt zu entsorgen. Große Abfallerzeuger in diesem Bereich sind die Deutsche Bahn, Alten- und Pflegeheime sowie Krankenhäuser, Allianz Arena, Messe München GmbH usw.
Im Übrigen werden Speiseabfälle aus der Gastronomie sowie generell die Fraktion von Papier, Pappe und Kartonagen (PPK-Fraktion) weitgehend getrennt erfasst und verwertet. Auch beim AWM werden Abfuhrleistungen für die PPK-Fraktion sowie der Bioabfälle häufig nachgefragt. Die an den AWM überlassenen Wertstoffe werden von verschiedenen Vertragspartnern stofflich verwertet.
Bei den restlichen Fraktionen werden noch immer viele Wertstoffe in einem Gemisch erfasst. In der Regel handelt es sich dabei um die Wertstoffe, die nur einen geringen Marktwert haben. Diese Gemische werden in der Regel an private Entsorger überlassen, von denen sie wohl nur zu einem Bruchteil stofflich verwertet werden können, da keine ausreichenden Kapazitäten an Sortieranlagen im Großraum München vorhanden sind.
Hier besteht auch ein Abgrenzungsproblem zu Abfällen zur Beseitigung (Restmüll), auf deren Überlassung der AWM besteht. Diese Abfälle entstehen in der Regel in jedem Betrieb. Auch wenn eine – den Anforderungen der GewAbfV – entsprechende Trennung der Abfälle vorgenommen wird, muss ein Gefäß für die Erfassung der nicht verwertbaren Reste zur Verfügung stehen. Große Mengen an Wertstoffen befinden sich in den Restmüllbehältern des AWM. Diese Abfälle werden als Abfall zur Beseitigung im Heizkraftwerk entsorgt. Eine Sichtkontrolle der einzelnen Umleer-behälter erfolgt durch das Einsammelpersonal nicht. Ebenso erfolgt keine Vorsortierung des Münchner Beseitigungsabfalls.
Der hohe Anteil an Wertstoffen kann u.a. auf die niedrigeren Gebühren für die Abfälle zur Beseitigung zurückgeführt werden. Für die Gewerbetreibenden besteht bei der derzeitigen Marktlage kein finanzieller Anreiz, die Abfälle entsprechend der GewAbfV zu trennen und einer stofflichen Verwertung zuzuführen.
Frage 3:
Welche Mengen an gewerblichen Abfällen sind direkt dem Recycling zugeführt worden und wie hoch ist die Recyclingquote bei den jeweiligen Wertstoffen?
- Papier, Pappe, Kartonagen
- Glas
- Kunststoffe
- Metalle
- Holz
- Textilien
- Bioabfälle
Antwort:
Wie bereits zu Frage 1 ausgeführt, besteht für nicht gefährliche gewerbliche Abfälle weder eine Nachweispflicht, noch die Pflicht, diese, wenn sie verwertet werden, dem AWM anzudienen. Vielmehr unterliegen sie dem freien Markt, so dass keine Zahlen vorliegen.
Frage 4:
Welcher Anteil der gewerblichen Abfälle wird einer Vorbehandlungsanlage zugeführt und welche Sortier- und Recyclingquoten werden bei diesen Anlagen im Jahresdurchschnitt erzielt?
Antwort:
Über den Anteil der gewerblichen Abfälle, die von den Abfallerzeugern einer Vorbehandlungsanlage zugeführt werden, liegen aus den zu Frage 1 dargelegten Gründen keine belastbaren Zahlen vor.
Bislang ist im Stadtgebiet nur eine Anlage für sämtliche Stufen der Vorbehandlung von Gewerbeabfällen zertifiziert. Mehrere andere Vorbehandlungsanlagen sind hingegen lediglich Teil einer sogenannten Anlagenkaskade und führen darin nur einzelne Teilschritte aus. Allen ist gemeinsam, dass die Sortierquote (Quotient der durch die Sortierung für eine Verwertung ausgebrachten Masse an Abfällen und der Gesamtmasse der derVorbehandlungsanlage zugeführten Abfallgemische multipliziert mit 100 Prozent) über 90% liegt und damit die Vorgabe aus der Gewerbeabfallverordnung von 85% sicher eingehalten wird. Die Recyclingquote (Quotient der dem Recycling zugeführten Masse an Abfällen und der Gesamtmasse der durch die Sortierung für eine Verwertung ausgebrachten Abfälle multipliziert mit 100 Prozent) verharrt jedoch im Durchschnitt bei ca. 16% und verfehlt damit die Vorgabe der Gewerbeabfallverordnung von 30% deutlich. Hierbei handelt es sich jedoch um keine Münchner Besonderheit, sondern um ein bundesweites Problem, das möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass entsprechend der Intention der Gewerbeabfallverordnung bereits am Entstehungsort der Abfälle so weitgehend getrennt wird, dass in den Wertstoffgemischen, die bei den Vorbehandlungsanlagen ankommen, nicht mehr allzu viele recyclingfähige Wertstoffe enthalten sind. Jedenfalls gilt die Vorgabe einer Recyclingquote von 30% in Fachkreisen als unrealistisch. Nachdem mit dieser Regelung absolutes Neuland betreten wurde, ist in der Gewerbeabfallverordnung auch ausdrücklich der Auftrag an die Bundesregierung enthalten, bis zum 31.12.2020 auf der Grundlage der abfallwirtschaftlichen Entwicklung und den bis dahin gesammelten Erfahrungen zu überprüfen, ob und inwieweit die Recyclingquote anzupassen ist. Vor diesem Hintergrund hat das Umweltbundesamt (UBA) in Abstimmung mit dem Bundesumweltministerium ein Projekt für die Evaluierung der Gewerbeabfallverordnung initiiert. Die Bearbeitung erfolgt durch das ifeu Institut Heidelberg in Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro u.e.c. Berlin.
Frage 5:
Welche Mengen werden im MHKW-Nord zur energetischen Verwertung und zur thermischen Behandlung jährlich seit dem Jahr 2000 angeliefert?
Antwort:
Die Anlieferung von Gewerbeabfällen an der MVA München-Nord wird in folgender Tabelle dargestellt:
In den Werten sind auch Gewerberestmüllanlieferungen, brennbare gemischte Bauabfälle, Sortierreste zur Beseitigung, Straßenkehricht enthalten.
AzV-Abfälle sind die gewerblichen Abfälle, welche als Gemische zur energetischen Verwertung übernommen worden sind (z.T. auch aus anderen Gemeinden/Landkreisen in Bayern).
Die mit „Gewerbe“ gekennzeichnete Spalte weist die Menge der als Abfall zur Beseitigung (ohne Sortierung etc.) entsorgten Abfälle aus (nur aus dem Stadtgebiet und Landkreis München – aber ohne Flughafenmüll; ohne Fremdmüll zur Beseitigung von anderen Gebietskörperschaften).
Frage 6:
Wie gut funktioniert die getrennte Erfassung und Verwertung bei den Bau- und Abbruchabfällen?
Antwort:
Auch für ungefährliche Bau- und Abbruchabfälle gilt, dass diese nicht nachweispflichtig sind und im Falle ihrer Verwertung nicht dem AWM anzudienen sind, so dass auch hierzu keine Zahlen vorliegen.
Generell ist hierzu jedoch anzumerken, dass die Pflicht zur getrennten Erfassung am Anfallort entfällt, soweit dies technisch nicht möglich ist. Hiervon ist in räumlich beengten Innenstadtlagen wegen fehlender Container-Stellmöglichkeiten regelmäßig auszugehen.
Frage 7:
Wie hoch ist die Recyclingquote bei den getrennt gesammelten Bau- und Abbruchabfällen?
Antwort:
Aus den dargelegten Gründen liegen hierzu ebenfalls Daten nicht vor. Bauabfälle (Baurestmassen) werden im Übrigen nach Auskunft des Bayerischen Landesamts für Umwelt im Rahmen der bayerischen Abfallbilanz nur unvollständig erfasst, da der Großteil der Anlagen von privaten Entsorgern betrieben wird.
Die Ausführungen zu den Gewerbeabfällen gelten im Übrigen entsprechend.
Frage 8:
Welcher Anteil der Bau- und Abbruchabfälle wird einer Aufbereitungsanlage zugeführt und welche Recyclingquote wird bei den Aufbereitungsanlagen im Mittel erzielt?
Antwort:
Auch über den Anteil der Bau- und Abbruchabfälle, die von den Abfallerzeugern einer Vorbehandlungs- oder Aufbereitungsanlage zugeführt werden, liegen aus den zu Frage 1 dargelegten Gründen keine belastbaren Zahlen vo r.
Generell gilt, dass Gemische, die überwiegend Kunststoffe, Metalle oder Holz enthalten, einer Vorbehandlungsanlage insbesondere zu deren Sortierung zuzuführen sind. Bezüglich der Recyclingquote wird auf die Ausführungen zu Frage 4 verwiesen.
Demgegenüber müssen Gemische, die überwiegend Beton, Ziegel, Fliesen oder Keramik enthalten, einer Aufbereitungsanlage zugeführt werden, in der definierte Gesteinskörnungen insbesondere durch Zerkleinerung und Klassierung hergestellt werden. Für diese Anlagen trifft die Gewerbeabfallverordnung keine spezifischen Regelungen, insbesondere wird keineRecyclingquote festgelegt. Vielmehr sollen diese Festlegungen erst in der künftigen Ersatzbaustoffverordnung erfolgen, die sich als Teil der sog. Mantel-Verordnung allerdings noch in einem komplexen Normsetzungsverfahren befindet.
Frage 9:
Wie ist aus Sicht des RGU sichergestellt, dass die Bau- und Gewerbeabfälle tatsächlich einer hochwertigen stofflichen Verwertung zugeführt werden, wie es in der GewAbfV gefordert wird?
Antwort:
Die Einhaltung der in der Gewerbeabfallverordnung statuierten kaskadenartigen Verpflichtungen unterliegt umfangreichen Dokumentationspflichten. Diese Dokumentationen müssen vorgehalten und den Überwachungsbehörden im Einzelfall auf Verlangen vorgelegt werden. Dies ermöglicht eine stichprobenartige Überwachung.
Frage 10:
Wie ausreichend ist aus Sicht des RGU der Vollzug der GewAbfV?
Antwort:
Maßgeblich für den Erfolg der GewAbfV ist insbesondere die tatsächliche Verfügbarkeit von Entsorgungsanlagen, welche z.B. auch Kleinmengen an Wertstoffen annehmen/abholen.
Die Strukturen sind noch nicht im notwendigen Maß aufgebaut. Für jeden einzelnen Gewerbetreibenden dürfte es aufwändig sein, sich mit differenzierten Abfallströmen auseinanderzusetzen und diese dann in die entsprechenden Bahnen zu lenken.
Das Festhalten an der bisherigen Praxis (direkte Zuführung von Abfallgemischen zur energetischen Verwertung) ist für die Gewerbetreibenden bequemer.
AWM und RGU haben gemeinsam zur GewAbfV Informationsmaterial er-
stellt und geben dieses bei Bedarf an die Gewerbetreibenden aus. Ferner sind die Informationen auf der Homepage des AWM und des RGU einsehbar.
Im Übrigen haben AWM und RGU ihr Vorgehen zum Vollzug der Gewerbeabfallverordnung abgestimmt und gehen, um Synergieeffekte zu nutzen, branchenweise vor. Den Auftakt bildeten die Krankenhäuser und Altenheime, die deutschlandweit hinsichtlich ihres Abfallvolumens als fünftgrößter Müllproduzent gelten. Am 27.11.2019 fand für diesen Adressatenkreis ein Info-Forum statt. Hieran schließen sich Kontrollen in enger Zusammenarbeit zwischen RGU und AWM an. Bei schwerwiegenden und/oder anhal-tenden Verstößen kämen die vom Gesetzgeber vorgesehenen Sanktionen (Ordnungswidrigkeitenverfahren und förmliche, vollstreckbare Anordnungen) zum Tragen.
Weitere derartige Schwerpunktaktionen für andere Gewerbezweige sind bereits seit einiger Zeit vorbereitet und werden durchgeführt, sobald dies die Pandemielage wieder erlaubt.