Das Sozialreferat hat jetzt dem Sozialausschuss des Stadtrats eine neue umfassende Pflegebedarfsermittlung sowie den mittlerweile 10. Marktbericht Pflege vorgelegt. Nach den Berechnungen des Sozialreferats werden im Jahr 2030 voraussichtlich rund 37.800 Personen in der Stadt München Leistungen aus der Pflegeversicherung beziehen. Das bedeutet eine Zunahme um fast 7.000 Personen seit 2017. Für Menschen im Bereich der vollstationären Pflege werden bis dahin nach den Berechnungen des Sozialreferats in München rund 1.000 weitere vollstationäre Pflegeplätze oder alternative Versorgungsformen in München benötigt. Bürgermeisterin Verena Dietl: „Die Kommunen haben nach derzeitiger gesetzlicher Lage kaum Einflussmöglichkeiten auf den Pflegemarkt, der sich immer weiter kommerzialisiert. Die Landeshauptstadt München ergreift dennoch alle verbliebenen Einwirkungsmöglichkeiten, um gezielt die Schaffung zusätzlicher Pflegeplätze zu unterstützen und innovative Pflege- und Versorgungsformen, zum Beispiel ambulant betreute Pflegewohngemeinschaften, zu fördern. Dazu gehören die Investitionsförderung sowie die Sicherung und Vergabe entsprechend geeigneter Flächen für Pflegeeinrichtungen in regional unterversorgten Stadtbezirken. Ich appelliere hier ausdrücklich an den Bund, gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, nach denen es Kommunen möglich ist, bedarfsgerechte Angebote eigenständig umzusetzen und dies nicht dem freien Wettbewerb zu überlassen. Staat und Kommunen müssen in den Pflegemarkt steuernd eingreifen können und nicht nur passiv Defizite ausgleichen.“
Am Stichtag der Datenerhebung (15. Dezember 2019) stand in der Stadt München ein Angebot von 59 vollstationären Pflegeeinrichtungen mit insgesamt 7.961 Plätzen zur Verfügung. Im Vergleich zum Vorjahr ist damit ein leichter Rückgang (um 87 Plätze) festzustellen. Hintergrund ist unter anderem, dass die Pflegeanbieter*innen entsprechend der gesetzlichen Vorgaben aus dem Pflege- und Wohnqualitätsgesetz Umbauten vorgenommen hatten, um mehr Einzelzimmer zu schaffen.
Nach wie vor ist die Auslastung der Plätze auf einem sehr hohen Niveau (97 Prozent), was auf eine konstante Nachfrage nach diesem Versorgungsangebot schließen lässt.
Verbessert hat sich die Zahl der festen Kurzzeitpflegeplätze. So standen am Stichtag insgesamt 91 feste Kurzzeitpflegeplätze in der Landeshauptstadt zur Verfügung. Dies entspricht einer Verdopplung der Platzzahl im Vergleich zum Vorjahr (2018: 45 feste Kurzzeitpflegeplätze). Voraussichtlich ab 2021/2022 wollen vier vollstationäre Pflegeeinrichtungen weitere feste Kurzzeitpflegeplätze einrichten.
Bürgermeisterin Verena Dietl: „Ich freue mich über diese positive Markt- entwicklung im Bereich der festen und damit planbaren Kurzzeitpflegeplätze sehr. Insbesondere für Angehörige und Bezugspersonen bedeuten planbare Kurzzeitpflegeplätze eine große Entlastung.“ Der Fachkräftemangel ist nach wie vor eines der wichtigsten Themen im Bereich der Pflege. Demnach beklagten fast 70 Prozent der vollstationären Pflegeeinrichtungen, dass sich die Personalgewinnung bei vakanten Fachkraftstellen in den letzten fünf Jahren stark verschlechtert habe. Allein 2019 konnten rund 52 Prozent der vollstationären Pflegeeinrichtungen nur dann beruflich Pflegende einstellen, wenn sie ihnen auch Wohnmöglichkeiten zur Verfügung gestellt haben.
Der Anteil der ab 50-jährigen beruflich Pflegenden in den vollstationären Pflegeeinrichtungen lag bei rund 32 Prozent. In den solitären Tagespflegeeinrichtungen betrug der Anteil der ab 50-jährigen beruflich Pflegenden sogar rund 55 Prozent. Diese Mitarbeiter*innen werden in den nächsten zehn bis 15 Jahren aus dem Erwerbsleben ausscheiden.
Sozialreferentin Dorothee Schiwy: „Es steht zu befürchten, dass sich der ohnehin schon bestehende Personalmangel durch den hohen Anteil an älteren beruflich Pflegenden, insbesondere in den Münchner vollstationären Pflegeeinrichtungen, im nächsten Jahrzehnt noch weiter verschärfen wird. Ich halte es daher für zwingend erforderlich, dass Ausbildung − auch von jungen Berufseinsteiger*innen und in akademischen Pflegeberufen − in der Langzeitpflege weiterhin verstärkt einen hohen Stellenwert einnehmen muss. Deshalb treiben wir zusammen mit dem Referat für Gesundheit und Umwelt die Umsetzung der neuen generalistischen Pflegeausbildung nachhaltig voran und setzen uns für die Weiterentwicklung der Pflegequalität durch gezielte Förderprogramme ein.“
Weiterhin ist im Rahmen des 10. Marktberichts Pflege eine Bedarfsanalyse spezifischer Pflegebedürftiger (zum Beispiel pflegebedürftige ehemals Wohnungslose, pflegebedürftige Drogenabhängige oder selbst- und fremdgefährdende Pflegebedürftige) erstellt worden. Für diese Zielgruppen sind eigene spezialisierte Einrichtungen mit speziell geschultem Personal und entsprechenden Pflegesätzen erforderlich.
Sozialreferentin Dorothee Schiwy: „Das enorme Engagement der Münchner teil- und vollstationären Pflegeeinrichtungen, die Pflegebedürftige mit speziellen Bedarfen in der Regel ohne einen entsprechend erhöhten Pflegesatz in Einzelfällen aufgenommen haben und dies weiterhin tun, verdient eine hohe Anerkennung. Das Kooperationsprojekt des Amtes für Wohnen und Migration mit der Münchenstift GmbH für pflegebedürftige ehemals Wohnungslose und weitere geplante Spezialpflegeplätze in Münchner vollstationären Pflegeeinrichtungen sind wichtige Beispiele dafür, dass der Pflegemarkt hier auf besondere Herausforderungen im Pflegebereich reagiert. Damit dies weiterhin möglich ist, müssen sich diese Bemühungen künftig auch in entsprechend höheren Pflegesätzen abbilden. Das verdeutlicht auch, dass die Pflege in Deutschland nach wie vor deutlich unterfinanziert ist und eine öffentliche Organisation der Pflege über Staat bzw. Kommunen eine gute Alternative darstellen würde.“ Das Sozialreferat bedankt sich an dieser Stelle für die gute Kooperation mit den Einrichtungen sowie ihren Trägern und wird in den nächsten Jahren die jährlichen Datenerhebungen für die Marktberichte Pflege fortsetzen.