Die Weichen auf Zukunft stellen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Richard Quaas, Johann Sauerer, Sebastian Schall und Dorothea Wiepcke (CSU-Fraktion) vom 14.2.2019
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrem o.g. Antrag bitten Sie um Prüfung, ob zukünftig auf gleisfreie und autonom fahrende Elektrotrambahnen umgestiegen werden könne und ob in der Übergangsphase zur Serienreife Vorläuferprojekte in Form von E-Buslinien auf Express-Busspuren eingerichtet werden könnten. Als Pilotprojekt könnte die ÖPNV-Erschließung der Bayernkaserne dienen. Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Die o.g. Thematik fällt jedoch nicht in die Zuständigkeit des Stadtrates oder als laufende Angelegenheit in die Zuständigkeit des Oberbürgermeisters, sondern in den operativen Geschäftsbereich der Münchner Verkehrsgesellschaft mbH (MVG). Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich. Daher wird der Antrag im Folgenden als Brief beantwortet.
Hierzu haben wir die Münchner Verkehrsgesellschaft mbH (MVG) um Stellungnahme gebeten, die uns nun Folgendes mitteilte:
„Grundsätzlich sind wir offen für neue, innovative und der Stadt München dienliche Systeme für einen sicheren, pünktlichen und wirtschaftlichen Fahrgastbetrieb. Daher beobachten wir natürlich auch internationale Marktentwicklungen, wie die im Antrag genannten gleisfreien Bahnen. Auch wenn dieses System bereits in wenigen anderen Städten eingesetzt wird, kommen wir zu dem Schluss, dass es in München keine praktikable Lösung darstellt.
Ein gleisfreies Bahnsystem bietet zwar durchaus Vorteile. Diese liegen in einer vergleichsweise schnellen Realisierbarkeit, relativ niedrigen Einstiegskosten und einem attraktiven Fahrverhalten.
Dem gegenüber stehen jedoch gravierende Nachteile:
-Es werden technische Entwicklungen kombiniert, die noch in den Kinderschuhen stecken: autonomes Fahren (technisch und rechtlich nicht ausgereift) und Elektromobilität (Reichweite großer Fahrzeuge unbefriedigend).-Es entsteht ein hoher Unterhaltsbedarf, weil durch die exakte Spurtreue der Fahrzeuge massive Spurrillen entstehen. Alternativ wären verstärkte Spezialfahrbahnen als Fahrweg erforderlich.
-Die französische Stadt Caen hat ein ähnliches System (Tram mit Führungsschiene) nach 15 Jahren (2002-2017) Ende 2017 stillgelegt und unter Einsatz eines dreistelligen Millionenbetrages auf eine reguläre Straßenbahn umgestellt. Mit Nancy plant die zweite Stadt in Frankreich die Abschaffung dieses Systems.
-Der Energiebedarf ist nicht zu unterschätzen. Im Unterschied zu Schienenfahrzeugen besitzen Gummireifen einen hohen Rollwiderstand – und vermutlich einen höheren Abrieb (Feinstaub). Sie bieten auch weniger Fahrkomfort als schienengebundene Fahrzeuge. Schienengebundene Systeme verfügen über einen sog. ‚Schienenbonus‘, der aus ihrer im Vergleich zu Bussystemen größeren Akzeptanz und der damit verbundenen gesteigerten Nachfrage resultiert.
-Durch Einbindung einer zusätzlichen Technologie müsste unter hohem Kostenaufwand eine eigene zusätzliche Betriebs- und Wartungs-Infrastruktur geschaffen werden. Zudem sind bei Verwendung von Sensoren zur Spurführung Witterungseinflüsse als zusätzliche Störungsquelle nicht zu vernachlässigen.
-Beförderungskapazitäten wie bei der ‚normalen‘ Tram sind voraussichtlich nicht zu erreichen, weil dafür eine Akkuleistung nicht ausreicht. Alternativ wären Zwischenladestationen erforderlich. Dies hätte einen negativen Einfluss auf Kosten, das Streckenangebot und nicht zuletzt auch auf das Stadtbild.
-Nicht zuletzt ist auch die rechtliche Einordnung einer ‚Bahn ohne Schienen‘ unklar: Würde das vorgeschlagene System etwa nach BOKraft eingestuft, wäre eine Sondergenehmigung erforderlich, da die Fahrzeuge weit über die höchstzulässige Länge gem. STVZO hinausreichen.
Da diese Nachteile aus unserer Sicht deutlich überwiegen, lehnen die SWM/MVG den Einsatz von gleisfreien Bahnen ab. Für den weiteren Ausbau des ÖPNV-Angebotes in München setzen wir bewusst auf die Weiterentwicklung und Stärkung der bestehenden und bewährten Systeme. Eine unausgereifte und überwiegend nachteilige Technologie als zusätzliches Verkehrsmittel bietet für den Mobilitätswandel aus unserer Sicht keinen Vorteile.
Ob E-Buslinien auf Express-Busspuren als Vorläufer von Tramstrecken möglich sind, ist vor allem abhängig von der weiteren technischen Entwicklung der Elektromobilität, insbesondere bezüglich der Reichweite der Batterien. Zudem gibt es bisher kaum größere Fahrzeuge mit reinem Elektroantriebam Markt. Die SWM/MVG verfolgen die Entwicklung intensiv. Erste E-Gelenkbusse für das Münchner Busnetz werden derzeit beschafft.“
Ich bitte Sie, von den vorstehenden Ausführungen der MVG Kenntnis zu nehmen, und hoffe, dass Ihr Antrag zufriedenstellend beantwortet ist und als erledigt gelten darf.