Bebauung von Grünanlagen in München
Anfrage Stadträte Johann Altmann (Fraktion Bayernpartei) und Tobias Ruff (ÖDP) vom 21.8.2019
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(I) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 21.8.2019 haben Sie gemäß § 68 GeschO Anfrage Nr. 14-20/F 01576 an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung nachstehend beantwortet wird.
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
„Grünanlagen im Sinne von § 1 Abs. 1 der Grünanlagensatzung sind alle von der Landeshauptstadt München gärtnerisch gestalteten und von ihr unterhaltenen öffentlichen Park- und Grünflächen, die der Allgemeinheit unentgeltlich zu Erholungs- und Freizeitzwecken einschließlich spielerischer und sportlicher Aktivitäten dienen. Nach § 2 Abs. 1 dürfen diese nicht beschädigt werden. Nutzungen, die nicht unmittelbar dem in § 1 genannten Zweck dienen, sind unzulässig.“
Hierzu stellen Sie die folgenden Fragen:
Frage 1:
Unter welchen Voraussetzungen und auf welcher rechtlichen Grundlage können Flächen, die als öffentliche Grünanlagen gewidmet und in der Grünanlagensatzung der LH München als solche geführt werden, Gegenstand einer Bebauung sein? Welche Voraussetzungen und welche Schritte müssen erfolgen, um Flächen, die per Akt als öffentliche Grünanlagen gewidmet sind, einem anderen Zweck – z.B. einer Bebauung zuführen zu können?
Antwort:
Grünanlagensatzung:
Bei der Grünanlagensatzung handelt es sich um eine Satzung nach Art. 24 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (GO). Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 GO können Gemeinden die Benutzung ihres Eigentums und ihrer öffentlichen Einrichtungen mittels Satzung regeln. Es handelt sich dabei quasi um eine „Hausordnung“ in öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung. Die Gemeinde kann gemäß Art. 24 GO jederzeit nach eigenem Ermessen (neu) festlegen, auf welchen städtischen Grundstücken, die der Öffentlichkeit zu Erholungs- und Freizeitzwecken zur Verfügung gestellt werden, die Grünanlagensatzung als „Hausordnung“ gelten soll; unabhängig davon, ob und wie diese Flächen ggf. in einem Flächennutzungsplan dargestellt sind.Die Art der Nutzung dieser Flächen im baurechtlichen Sinne (z.B. Grünfläche) wird durch die Grünanlagensatzung nicht rechtsverbindlich festgeschrieben; dies ist vielmehr ausschließlich eine Frage des Bauplanungsrechts.
Die Tatsache, dass eine Grünanlage in das Grünanlagenverzeichnis aufgenommen worden ist, hat keinen Einfluss auf die bauplanungsrechtliche Beurteilung einer Fläche. Vielmehr richtet sich die bauplanungsrechtliche Beurteilung allein nach den Vorschriften des Baugesetzbuches (BauGB).
Bauleitpläne:
Der Flächennutzungsplan enthält als „vorbereitender Bauleitplan“ gemäß § 5 BauGB die Grundzüge der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung für das ganze Gemeindegebiet.
Der Flächennutzungsplan begründet keine Bauansprüche für die einzelnen Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer. Er dient der Gemeinde und anderen öffentlichen Planungsträgern als Grundlage bei späteren Entscheidungen.
Als sog. „öffentlicher Belang“ entwickelt der Flächennutzungsplan vornehmlich auch im planungsrechtlichen „Außenbereich“ gemäß § 35 BauGB seine Wirkung, da hier zu genehmigende Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplans nicht entgegenstehen dürfen.
Bei Vorhaben in Gebieten mit Bebauungsplänen gemäß § 30 BauGB und im Zusammenhang bebauten Ortsteilen gemäß § 34 BauGB können die Darstellungen und Ziele des Flächennutzungsplans den Vorhaben nicht entgegengehalten werden. In solchen Fällen könnte beispielsweise womöglich auch die Bebauung einer im Flächennutzungsplan dargestellten „Allgemeinen Grünfläche“ nicht verhindert werden.
Außerdem stellt der Flächennutzungsplan das wichtigste formale Planungsinstrument zur langfristigen Steuerung der Stadtentwicklung dar und ist die Grundlage für die Aufstellung von Bebauungsplänen, deren Planungsziele aus den Darstellungen /Zielen des Flächennutzungsplans entwickelt sein müssen.
Rechtsverbindliche Festsetzungen hingegen sind Inhalt von Bebauungsplänen, den sog. „verbindlichen Bauleitplänen“ gemäß § 8 BauGB. Hier festgesetzte Grün- und Freiflächen sind nur gemäß den Festsetzungen nutzbar.
Frage 2:
Wie viele solcher Grünanlagen, die als öffentliche Grünanlagen gewidmet und somit Teil der Grünanlagensatzung der LH München waren und Flächen, die im Flächennutzungsplan als „Allgemeine Grünflächen“ definiert sind, wurden in der aktuellen und in der vergangenen Legislaturperiode einem anderen Zweck als dem der Erholung und Freizeitgestaltung der Bürgerinnen und Bürger, z.B. einer Bebauung zugeführt? Welche Gesamtfläche in Quadratmetern ist betroffen?
Antwort:
Für den Flächennutzungsplan liegen erstmals seit dem Jahr 2014 Zahlen zu Größenordnungen der Allgemeinen Grünflächen vor. Danach ist von 2014 bis 2019 eine Zunahme der Flächen, die als Allgemeine Grünflächen dargestellt sind, von 1,08% zu verzeichnen. Insgesamt sind derzeit ca. 3.850 Hektar als Allgemeine Grünfläche dargestellt.
Im Zuge der verbindlichen Bauleitplanung sind im gleichen Zeitraum nahezu 70 Hektar Öffentliche Grünflächen in Bebauungsplänen festgesetzt worden.
Bislang gab es keine Veranlassung, eine Statistik darüber zu führen, welche ausgebauten Grünanlagen einer anderen Nutzung zugeführt und deshalb aus dem Geltungsbereich der Grünanlagensatzung herausgenommen wurde. Deshalb ist keine entsprechende Erfassung erfolgt. Sie kann jetzt nicht mehr nachgeholt werden, weil die von der Landeshauptstadt München als öffentliche Grünanlagen unterhaltenen Flächen zwar digital auf Basis der Stadtgrundkarte gespeichert sind und laufend aktualisiert werden. Es ist aber systemtechnisch keine Auswertung und Sortierung nach den in den letzten Jahren eingegeben Änderungen möglich. Auch in Papierform liegen die Vorgänge überwiegend nicht mehr vor.
Es ist bekannt, dass in den letzten Jahren verschiedentlich öffentliche Grünanlagen aus übergeordneten Gründen für die Errichtung von Schul- und Kindergartenpavillons sowie für Flüchtlingsunterkünfte in Anspruch genommen wurden. Auch diese Vorgänge wurde jedoch nicht statistisch erfasst und sind heute nicht mehr lückenlos nachzuvollziehen. Ohnehin handelt es sich in vielen Fällen nur um eine zeitlich befristete Bebauung und damit nicht um eine dauerhafte andersartige Nutzung von Grünanlagen im Sinne der Stadtratsanfrage.
Frage 3:
Denjenigen Grünflächen, die in der Grünanlagensatzung der LH München als öffentliche Grünanlagen geführt werden, sowie Flächen, die laut Flächennutzungsplan „Allgemeine Grünflächen“ sind, kommt in der Regel laut Stadtklimaanalyse der LH München (Klimafunktionskarte) eine sehr hohe oder hohe Funktion für die Kaltluftzufuhr sowie eine sehr hohe bis hohe bioklimatische Bedeutung zu. Wie ist die Bebauung solcher Flächen mit den parteiübergreifend dringend angestrebten Maßnahmen von mehr Klimaschutz in der Stadt vereinbar?
Antwort:
Für das Münchner Stadtgebiet wurde eine Stadtklimaanalyse (Klimafunktionskarte) erstellt. Diese enthält – berechnete – Karten zu den thermischen Bedingungen im Stadtgebiet und zum Luftaustausch. Die einzelnen Ergebnisse wurden in einer Analyse- und einer Bewertungskarte zusammengefasst. Die Karte wurde von der Vollversammlung des Stadtrats 2014 beschlossen (siehe Beschluss der Vollversammlung des Stadtrats vom 17.12.2014, Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 01810). Zudem sind die Karte und der begleitende Fachbericht auf der Website des Referats für Gesundheit und Umwelt veröffentlicht (https://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Referat-fuer-Gesundheit-und-Umwelt/Stadtklima/Stadtklimaanalyse.html).
In diesem Rahmen wurden auch Leitbahnen für den Luftaustausch zwischen Siedlungsräumen und Ausgleichsräumen im Umland identifiziert. Hier spielen die Isar-Au im Süden des Stadtgebiets und im Norden mit dem Englischen Garten sowie weitere großflächige, zusammenhängende Grün- und Freiflächen, die vom Umland ins Stadtgebiet hineinreichen, eine wichtige Rolle.
Zusätzlich werden in der stadtklimatischen Bewertungskarte die klimawirksamen Grün- und Freiflächen dargestellt. Grün- und Freiflächen sind klimaökologische Ausgleichsräume und können die Wärmebelastung in den Siedlungsflächen verringern. Als „sehr hohe bioklimatische Bedeutung“ wurden Grünflächen eingestuft, die in einer Kaltluftleitbahn liegen oder mit einem direkt zugeordneten, bioklimatisch stark belasteten Wirkungsraum (1 km Entfernung) verknüpft sind. Grünflächen, die mit einer „hohen bioklimatischen Bedeutung“ eingestuft wurden, verfügen entweder über einen direkt zugeordneten, bioklimatisch belasteten Wirkungsraum, weisen ein überdurchschnittliches Kaltluftliefervermögen auf oder die Fläche weist eine hohe Aufenthaltsqualität am Tage in fußläufiger Erreichbarkeit auf. Im Rahmen der Klimaanpassung, der Anpassung an nicht mehr vermeidbare Folgen des Klimawandels, kommt dem Erhalt dieser klimaökologischen Ausgleichsräume eine hohe Bedeutung zu. Aufgrund der aktuellenSiedlungsentwicklung und des hohen Bebauungsdrucks ist eine genaue Betrachtung der klimatisch bedeutsamen Flächen besonders wichtig. Die Klimafunktionskarte bildet eine wichtige Abwägungsgrundlage für die bauliche Entwicklung in München und für eine Weiterentwicklung klimawirksamer Freiflächen und Siedlungsstrukturen. Die Maßnahme „Integration der Klimafunktionskarte in die Stadtplanung“ wurde im Rahmen des „Maßnahmenkonzepts Anpassung an den Klimawandel in der Landeshauptstadt München“ (siehe Beschluss der Vollversammlung des Stadtrats vom 15.11.2016, Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 06819) entwickelt und wird seitdem gemeinsam mit dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung umgesetzt.
Ein frühzeitiges Screening vor der Ausschreibung städtebaulicher Wettbewerbe, der Erstellung von Strukturkonzepten und der Aufstellung von Bebauungsplänen trägt dazu bei, dass die klimatische Wirksamkeit von Flächen erhalten und der groß- und kleinräumige Luftaustausch funktionsfähig bleibt. Bei Betroffenheit stadtklimatisch hochwirksamer Flächen wird ein vertiefendes mikroklimatisches Gutachten vergeben und auf dieser Basis werden Kriterien für städtebauliche Wettbewerbe (falls stattfindend) bzw. Planungshinweise für die jeweiligen Vorhaben abgeleitet. Sehr wichtig ist eine frühzeitige Berücksichtigung im Planungsprozess. Dies wird mit der beschriebenen Vorgehensweise ermöglicht.
Frage 4:
Bisweilen widersprechen sich Flächennutzungsplan und Grünanlagensatzung. Welches Instrument (Satzung oder Flächennutzungsplan) ist hier dem anderen grundsätzlich übergeordnet?
Antwort:
Bezüglich der rechtlichen Stellung von Grünanlagensatzung und Flächennutzungsplan darf auf die Antwort unter 1. verwiesen werden.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten.