Wann wird der erste Ministerpräsident des Freistaats Bayern angemessen von der Landeshauptstadt geehrt?
Anfrage Stadtrat Cetin Oraner (Die Linke) vom 3.3.2020
Antwort Kommunalreferat:
In Ihrer Anfrage teilten Sie uns mit: „Am 21. Februar wurde – wie alljährlich – von einer Gruppe Menschen auf Initiative des Vereins ‚Das andere Bayern‘ der Ermordung Kurt Eisners im Jahre 1919 durch den Rechtsradikalen Graf Anton auf Valley gedacht. Vom Bayerischen Landtag sprach MdL Florian von Brunn, aus dem Stadtrat sprach Cetin Oraner. Dieser Anlass ver- deutlichte erneut: in der Landeshauptstadt gibt es bis heute keine seiner Bedeutung entsprechende Ehrung des Gründers und ersten Ministerpräsidenten des Freistaats, Kurt Eisner.
Die Stelle seiner Ermordung in der Kardinal-Faulhaber-Straße ist nur mit einer Bodenplatte gekennzeichnet, über die die meisten Passanten achtlos hinweg gehen. Das ‚Denkmal‘ am Oberanger ist kaum als Ehrung Kurt Eis- ners wahrnehmbar und ohne jeden räumlichen Bezug zu seinem Wirken. Das Ehrenmal auf dem Ostfriedhof wurde von den Nazis geschändet. Die Gräber von Kurt Eisner und Gustav Landauer wurden 1933 ‚aufgelassen‘ und – weil beide jüdischen Glaubens waren – ‚dem israelischen Friedhof Ungererstraße überwiesen‘ (siehe Anhang, Hinweis Kommunalreferat: An- hang fehlt).
In Neuperlach trägt eine kleine Straße seinen Namen. Unser Antrag, den sogenannten Marienhof auf der Nordseite des Rathauses in Kurt-Eisner- Platz umzubenennen, wurde von der Verwaltung mit dem völlig unzutreffenden Argument abgelehnt, es gäbe schon eine Straße mit seinem Namen, eine Straße plus einen Platz nach ihm zu benennen, sei nicht möglich.“
Sie bitten in diesem Zusammenhang um die Beantwortung der folgenden Fragen:
Frage 1:
Ist der Verwaltung bekannt, dass es zahlreiche Beispiele für Doppelbenennungen gibt, sei dies nach dem völlig unbedeutenden Herrn Roman, dem bedeutenden Schriftsteller Goethe, der späteren Kaiserin Sissi (Elisabeth) oder dem Heiligen Sankt Quirin?
Antwort:
Ja, dieser Sachverhalt ist der Verwaltung bekannt. Zu den von Ihnen genannten Doppelbenennungen gibt es zahlreiche weitere Namen: Kapuzinerplatz und -straße, Maximiliansplatz und -straße, Baaderplatz und -straße, Agilolfingerplatz und -straße, Agricolaplatz und -straße, Anhalter Platz und Straße, Baumkirchner Platz und Straße, um nur einige zu nennen. Die Mehrzahl der Doppelbenennungen wurde im 19. und frühen 20. Jahrhundert durchgeführt. Viele der gleich benannten Verkehrsflächen stehen in engem räumlichen Zusammenhang, das heißt, die Straße führt vom Platz weg, zum Platz hin, oder der Platz liegt an der Straße. Das diente früher zur besseren Orientierung. Die letzte Doppelbenennung erfolgte 1996 mit der Willy-Brandt-Allee und dem gleichnamigen Platz. In München ist es nicht zuletzt in Hinblick auf die große Zahl ehrungswürdiger Personen nicht mehr üblich, zwei Verkehrsflächen nach der gleichen Persönlichkeit zu benennen. Darüber hinaus leben in der Kurt-Eisner-Straße über 2.000 Menschen, es handelt sich also keineswegs um eine kleine Straße
Frage 2:
Welche Möglichkeit sieht die Verwaltung daher, einen Platz, der für das Wirken Kurt Eisners steht, nach ihm zu benennen und ein zentral platziertes Denkmal zu errichten?
Antwort:
Die Verwaltung sieht keine Möglichkeit, zusätzlich zu der im Jahr 1969 benannten Straße, einen Platz nach Kurt Eisner zu benennen. Das Kulturreferat sieht derzeit keinen akuten Handlungsbedarf für eine weitere Ehrung Kurt Eisners im öffentlichen Raum. Mit dem Bodendenkmal in der Kardinal-Faulhaber-Straße sowie dem Denkmal am Oberanger sind bereits zwei zentral platzierte Erinnerungsorte geschaffen worden. Im Rahmen zahlreicher Veranstaltungen wie dem stadtübergreifenden Programm „1918-2018 – Was ist Demokratie“ (2018-2019) oder der Ausstellung im Stadtmuseum zu Kurt Eisner (2017-2018) wird das Gedächtnis an und die Auseinandersetzung mit Kurt Eisner lebendig gehalten.
Frage 3:
Ist es hinnehmbar, dass die Straße, in der Kurt Eisner ermordet wurde, nach dem nationalistischen Anti-Demokraten und Hitlerverehrer Kardinal Faulhaber benannt ist und nicht etwa nach Kurt Eisners Gefährtin Sahra Sonja Lerch, die ebenfalls 1919 – in Stadelheim – umgebracht wurde?
Antwort:
Mit Beschluss vom 8.6.2016 hat der gemeinsame Verwaltungs- und
Personalausschuss (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 04354, im Ratsinformationssystem einsehbar) in öffentlicher Sitzung die Durchführung eines Projektes zu historisch belasteten Straßennamen in Auftrag gegeben. DieKardinal-Faulhaber-Straße ist eine von zahlreichen Straßennamen, die im Rahmen dieses Projektes einer genauen Überprüfung unterzogen wurde. Derzeit wird in einem Expertengremium über das weitere Vorgehen in jedem Einzelfall beraten. Wenn diese Diskussion abgeschlossen ist, werden per Stadtratsbeschluss eindeutige Aussagen dazu getroffen, wie mit den jeweiligen Straßennamen umzugehen ist. Dann werden die entsprechenden Konsequenzen, z.B. in Form notwendiger Umbenennungen, gezogen. Eine Benennung nach Sarah Sonja Lerch erfolgte bereits im Jahr 2019 in unmittelbarer Nähe zur Kurt-Eisner-Straße.