Welches Einsparpotential besteht durch die Investitionen in die Digitalisierung?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Leo Agerer, Sabine Bär und Hans Hammer (CSU-Fraktion) vom 19.3.2021
Antwort IT-Referent Thomas Bönig:
In Ihrer Anfrage haben Sie folgenden Sachverhalt vorausgeschickt:
„Durch zielgerichtete Investitionen in Digitalisierungsmaßnahmen können kurz- wie auch langfristig Ausgaben eingespart und städtische Mittel geschont werden.“
Zu den im Einzelnen gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Welches kurzfristige Einsparungspotential besteht durch Investitionen in Digitalisierungsmaßnahmen?
Antwort:
Kurzfristige, d.h. in 2021 und 2022 eintretende monetäre Wirkungen durch Investitionen in IT der LHM lassen sich vor allem in Bereichen generieren, in denen Basistechnologien und/oder Plattformen der IT und der Digitalisierung heute schon bestehen und eingeführt sind.
Die Investitionen sollten und müssten dafür genutzt werden, Basistechnologien zu skalieren und weiter auszubauen, sozusagen als eine Art Erweiterungsinvestition. Ziel dabei ist, eine wirtschaftliche Technologie in ihrer Anwendung innerhalb der LHM möglichst breitflächig überall dort einzusetzen, wo sie potentiellen Nutzen und finanzielle Einsparungen erbringen kann.
Nachfolgend sind einige wesentliche Beispiele aufgeführt, die zu kurzfristigen, teilweise erheblichen Einsparungen führen können:
- Videoconferencing ist wirtschaftlich, weil Wege zu Besprechungen und zurück zum Arbeitsplatz innerhalb der Arbeitszeiten eingespart werden können. Wenn davon ausgegangen wird, dass alle Personen, die Termine in anderen Dienststellen wahrnehmen, 50% ihrer Termine über Videoconferencing durchführen, dann ergibt sich ein Effizienzgewinn:
- Annahmen:
- 10% der Beschäftigten nehmen solche Aufgaben wahr (d.h. 4.000 Personen)
- bei 3 Terminen pro Person pro Arbeitswoche mit vermiedener Anfahrt
- bei einer durchschnittlichen Wegezeit von 40 Minuten (Hin- und Rück weg)
- Ergebnis: eine Vermeidung von Wegezeit im Umfang von 360.000 Arbeitsstunden, d.h. 46.150 Arbeitstagen bzw. 2.200 Monaten oder 183,3 Personenmonaten pro Jahr an Produktivitätsgewinn.
- Notwendig dafür sind eine durchgängige Ausstattung von Besprechungsräumen mit Videokonferenzlösungen, der Ausbau der Videoconferencing-Infrastruktur und die Durchführungen von Schulungen für die Anwender*innen.
- Abschaffung von papierbehafteten, formularbasierten Genehmigungsprozessen (Urlaubsübertragung, Dienstreiseanträge) durch elektronische Workflows.
Hier stehen den Investitionen folgende Effizienzsteigerungsmöglichkeiten gegenüber:
- nahezu vollständige Elimination der Liegezeiten,
- Wegfall der Transportaufwände.
Es entstehen bei der Nettobearbeitungszeit durch Vereinfachungen im Arbeitsablauf ebenfalls Einsparungen, so dass insgesamt von einem kalkulatorischen Einsparpotential ausgegangen werden kann, das die Investitionen übersteigt.
- Vollständige Notebook- und Smartphone-Ausstattung für alle Arbeitsplätze, die nicht stationär sein müssen und Einführung von Shared-Desk-Arbeitsumgebung wo immer sinnvoll. Hier ergeben sich Einsparungen von ca. 20 - 30% der städtischen Büroräume, eine mögliche Abmietung in 2022 vorausgesetzt, sonst als Einsparpotential für eine spätere Realisierung.
Auch Investitionen in neue Basistechnologie und Plattformen bringen häufig ein hohes Nutzenpotential mit sich, dessen Wirkung sich jedoch erst mittel- bis langfristig entfalten kann.
Beispielhaft kann hier das München Portal der Zukunft genannt. Hintergrund ist, dass zunächst die notwendige Basistechnologie geschaffen werden muss. Danach können einzelne Realisierungen darauf aufsetzen und das wirtschaftliche Potential realisieren. Dieser Ansatz ist ein iteratives Vorgehen, bei dem die zentrale Technologie in einer kleinen Ausbaustufe eingeführt wird, um möglichst bald danach die ersten Folgeprojekte mit Effekten bei den Nutzer*innen zu generieren. Daraufhin würde Zug um Zug ein Ausbau der zentralen Basistechnologie und der Nutzen realisierendendezentralen Einzelvorhaben durchgeführt. Der Erfolg dieser Maßnahme hängt entscheidend davon ab, dass die erzielten Einsparungen im (Personal) Aufwand bei den Fachbereichen durch Einsparungen beim Personalbudget haushaltswirksam realisiert werden. Dazu wurde im Stadtrat in der Vollversammlung am 24.3.2021 eine entsprechende Beschlussvorlage eingebracht: „Transparente Darstellung und Controlling der Wirtschaftlichkeit bei IT-Projekten II“ (SV-Nr. 20-26/V 01810), bei der genau diese Anforderung an die Einführung von Fachverfahren gestellt wird.
Frage 2:
Wie viel Geld lässt sich pro investiertem Euro in die städtische IT durch Verbesserungen in den Abläufen der anderen Referate langfristig einsparen?
Antwort:
Vorhaben, die eine Verbesserung der Abläufe in den Referaten ermöglichen, sind typische Digitalisierungsvorhaben. Sie entfalten ihre Wirkung dadurch, dass die Geschäftsprozesse so verändert werden, dass sich durch Vereinfachung und Automatisierung möglichst hohe langfristige Einsparungen ergeben.
Andere Vorhaben wie
- gesetzliche IT-Vorhaben,
- IT-Vorhaben mit Nutzen im Wesentlichen für die Stadtgesellschaft,
- Lifecycle-Vorhaben, d.h. Vorhaben, die der Aufrechterhaltung eines bereits bestehenden IT-Services dienen,
werden hierbei nicht näher betrachtet, da regelmäßig keine direkten oder nur sehr geringe Einsparungen erzielt werden können.
Bei gesetzlich motivierten IT-Vorhaben und bei Vorhaben zum Nutzen für die Stadtgesellschaft steht die Umsetzung dessen, was – gesetzlich gefordert oder nicht – für die Gesellschaft durch IT ermöglicht werden soll, im Vordergrund. Hier entstehen in erster Linie zusätzliche Kosten für die IT. Je nach Art der geforderten IT-Lösungen können auch wirtschaftliche Effekte innerhalb der Verwaltung entstehen. Diese sind dann jedoch oft Nebenzweck und begründen nur in Ausnahmefällen eine monetäre Wirtschaftlichkeit. Bei der Umsetzung solcher Vorhaben durch das IT-Referat wird immer auch nach wirtschaftlichen Effekten gesucht, mehr als eine teilweise Kompensation der Kosten wird sich i.d.R. nicht ergeben.
Bei typischen Lifecycle-Vorhaben wird eine bestehende IT-Lösung lediglich erneuert, damit die IT den bislang erbrachten Nutzen weiterhin odernoch besser erbringen kann. Nur wenn der IT-Service, der eine Lifecycle-Maßnahme benötigt, in der Vergangenheit eine Optimierung innerhalb der Verwaltung zum Gegenstand hatte, kann z.B. eine breitere Anwendung des Services einen Delta-Nutzen generieren. Der bei einer früheren Systemeinführung im bisherigen Einsatzbereich generierte Nutzen kann aber nicht erneut gehoben werden.
Bei monetär wirtschaftlichen IT-Vorhaben kann je investiertem Euro meistens ein deutlich höherer Betrag eingespart werden.
Wie hoch die Einsparungen insgesamt sein können, ergibt sich vor allem daraus, wie viel laufend pro Jahr dauerhaft eingespart werden kann, und wie schnell damit die einmaligen oder befristeten Projektkosten amortisiert werden. Ab dem Zeitpunkt der Amortisation treten echte dauerhafte Einsparungen auf. Da Investitionen in die IT so gut wie immer zu laufenden Kosten führen, ergibt sich ein langfristiger Nutzen, wenn die laufenden Einsparungen größer sind als die laufenden Kosten.
Bei monetär wirtschaftlichen IT-Vorhaben ist ein Faktor Kosten zu Nutzen von 1 : 1,2 oder 1,3 ein typischer Wert für einen dauerhaften Nutzen. Bei einem Verhältnis von 1 : 1,5 liegt eine deutlich spürbare Wirtschaftlichkeit vor, die in Bereichen möglich ist, die noch nicht IT-unterstützt sind und auch länger nicht einer Prozessoptimierung unterlegen waren. Kosten-Nutzen-Verhältnisse von 1 : 2, 1 : 3 oder besser sind oft nur in Bereichen möglich, wo bislang manuelle oder teilweise IT-gestützte Arbeitsabläufe vollständig automatisiert werden können. Dies setzt eine vollständig regelbasierte Abbildung der Prozessschritte voraus.
In allen Einsparszenarien hängt der tatsächliche Erfolg der Einsparung durch IT natürlich davon ab, dass die geschaffenen Nutzenpotentiale auch durch entsprechende Managemententscheidungen auf der Fachseite
monetär realisiert werden (siehe dazu die bereits oben angegebene Beschlussvorlage SV-Nr. 20-26/V 01810).
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich das größte Einsparungspotential sowohl in absoluter als auch in relativer Hinsicht erzielen lässt, wenn es gelingt, mithilfe von neuen Basistechnologien der Digitalisierung manuelle Verwaltungstätigkeiten zu verringern und Präsenzbedarfe aller Verwaltungstätigen flächendeckend zu reduzieren.
Ziel dabei muss es sein, dauerhafte Einsparungen zu erzielen, bei den Sachkosten z.B. bei Büroraum- und Aktenlagermieten, beim Personal z.B. bei einem Verzicht auf die Nachbesetzung frei werdender Stellen. Hier kann sich durch die IT ein hohes Potential für Einsparungen ergeben, dietatsächlichen haushaltswirksamen Einsparungen entstehen erst später durch Überlagerung der durch Digitalisierung mit geschaffenen Einsparpotentiale aus der IT mit Maßnahmen aus den Referaten (Aufgabenkritik, Prozessoptimierung, neue Arbeitsweisen, neue Büroraumkonzepte, etc.).
Die haushaltswirksame Realisierung der Einsparpotentiale und damit auch deren Zeitpunkt und Höhe liegt damit außerhalb des unmittelbaren Einflussbereichs des IT-Referats und kann nur im Schulterschluss der gesamten Stadtverwaltung erreicht werden.