Die Landeshauptstadt München hat eine möglichst vollständige Aufarbeitung der Geschehnisse in den Heimen, Pflege- und Adoptivfamilien beschlossen, in denen Kinder durch die Landeshauptstadt untergebracht wurden. Die Stadt wird dazu eine multiprofessionelle Expert*innenkommission einsetzen, begleitet durch eine wissenschaftliche Aufarbeitung im Verlauf des Projekts. Das Sozialreferat möchte mit einer lückenlosen Aufarbeitung dazu beitragen, dass seelisches und körperliches Leid anerkannt und somit den Betroffenen, wenn auch erst sehr spät, Gerechtigkeit mit dieser Anerkennung widerfährt.
Bürgermeisterin Verena Dietl: „Die Landeshauptstadt München stellt sich ihrer Verantwortung für die historischen Missstände ihrer Institutionen und möchte eine den Betroffenen entsprechende Anerkennungskultur schaffen. Den Betroffenen soll vor Politik, Institutionen und der Stadtgesellschaft das ihnen zustehende Gehör verschafft und ihr Leid anerkannt werden.“ Im vergangenen Jahrhundert wurden für längere oder auch für kürzere Zeit viele tausend Kinder durch die Landeshauptstadt in Heimen, Pflege- und Adoptivfamilien untergebracht, die sich teilweise nicht nur außerhalb der Grenzen des Freistaates, sondern auch außerhalb der Landesgrenzen befanden. Die Aufarbeitung wird sich deshalb nicht nur auf die Unterbringung in Heimen beschränken, sondern ebenso die Unterbringung in Pflegefamilien sowie die Adoption inkludieren. Nur so kann eine tiefgründige und umfassende Beleuchtung und Aufarbeitung der Missstände in den verschiedenen Unterbringungsformen erreicht werden. Der Schwerpunkt der Aufarbeitung liegt auf den Jahren nach 1945. Selbstverständlich arbeitet das Sozialreferat jedoch alle Fälle von Missbrauch unabhängig vom Zeitpunkt des Geschehens auf, die im Aufarbeitungsprozess zu Tage kommen.
Sozialreferentin Dorothee Schiwy: „Wir werden auch weiterhin alle Fälle aufarbeiten, bei denen sich Betroffene beim Sozialreferat melden. Bereits seit 2009 die ersten ehemaligen Heimkinder auf das Stadtjugendamt zugegangen sind und von ihren Erfahrungen berichtet haben, hat das Stadtjugendamt immer die persönliche Begleitung und Beratung der Betroffenen sichergestellt. Und das werden wir selbstverständlich auch weiterhin tun.“ Die Aufarbeitung soll auch die Untersuchung der Existenz pädophiler Netzwerke sowohl zwischen den Einrichtungen unterschiedlicher Träger wie auch zwischen den Institutionen und den Pflege- und Adoptivfamilien beinhalten und die Frage beantworten, ob allen Betroffenen im bestmöglichen Maße geholfen wurde. Ebenso soll untersucht werden, was sich heute noch über die Täter*innen feststellen lässt und welche Rolle die Mitarbeiter*innen und Institutionen der Landeshauptstadt bei den Geschehnissen gespielt haben.
Als Mitglieder der Expertenkommission sollen Vertreter*innen des Sozialreferats, Jurist*innen/Kriminolog*innen, Soziolog*innen, Vertreter*innen für Betroffene, Sozialpädagog*innen, Psycholog*innen und Historiker*innen und im weiteren Verlauf auch Mitglieder des wissenschaftlichen Instituts, das die Aufarbeitung durchführt, berufen werden.
Um den Aufarbeitungsprozess optimal zu unterstützen, wird ein träger-übergreifender Verbund gegründet, der der trägerübergreifenden Zusammenarbeit und der dadurch tiefgründigeren Aufarbeitung dient. Aktuell erfolgt bereits eine Zusammenarbeit des Stadtjugendamts München mit der vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Beauftragten zur Aufarbeitung der Missbrauchsvorwürfe im Haus Maffei und mit den Niederbronner Schwestern (ehemalige Trägerinnen* in Oberammergau).