Mit Obstbäumen Anwohnern und Gartenbesitzern Baumpflanzungen schmackhaft machen
Anfrage Stadtrat Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/FW) vom 30.3.2021
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 30.3.2021 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung in Abstimmung mit dem Baureferat wie folgt beantwortet wird.
Der beantragten Terminverlängerung vom 14.7.2021 wurde nicht widersprochen, dafür bedanken wir uns.
In Ihrer Anfrage sprechen Sie die negative Baumbilanz an und regen an, hier durch die Pflanzung von Obstbäumen gegenzusteuern.
Frage 1:
Welche Obstbaumarten können in die Liste der geeigneten Baumarten für Ersatzpflanzungen aufgenommen werden?
Antwort:
Die geforderte generelle Zulassung von Obstbäumen als Ersatzpflanzungen wird seitens des Referates für Stadtplanung und Bauordnung nach wie vor abgelehnt. Insofern ist es aus Sicht des Referats für Stadtplanung und Bauordnung auch nicht zielführend Obstbaumarten in die Liste der geeigneten Baumarten für Ersatzpflanzungen aufzunehmen. Das Thema Obstbäume wurde auch in der Vollversammlung des Stadtrats am 19.12.2012 ausführlich diskutiert, siehe Sitzungsvorlage Nr. 08-14/V 10503.
Im Ergebnis hat sich gezeigt, dass sich die Beibehaltung der bisherigen Verwaltungspraxis als wohl einzig gangbarer Weg darstellt. Schon jetzt prüft das Referat für Stadtplanung und Bauordnung - Untere Naturschutzbehörde die Möglichkeit, Obstbäume in Einzelfällen als Ersatz zuzulassen, wenn dies vom Antragsteller nachvollziehbar begründet wird und mit den Zielen einer nachhaltigen Sicherung der ökologischen Qualität der Stadtviertel vereinbar ist. Wollte man Obstbäume generell als Ersatzpflanzungen zulassen, hätte dies zur Konsequenz, dass man aus Gründen der Rechtsklarheit und der Vollziehbarkeit der Rechtsnorm Obstbäume in den Schutz der Baumschutzverordnung mit aufnehmen müsste. Andernfalls könnte nur unter hohem Aufwand langfristig nachvollzogen werden, ob ein konkreter Obstbaum im Einzelfall in seiner Eigenschaft als Ersatzpflanzunggemäß § 1 Abs. 3 Baumschutzverordnung geschützt ist. Eine pauschale Unterschutzstellung läuft jedoch der eigentlichen Zweckbestimmung der Obstgehölze zuwider, bei denen als Nutzgehölze der Ertrag im Vordergrund steht und der Beitrag hinsichtlich des Schutzzweckes der Baumschutzverordnung lediglich eine untergeordnete Rolle spielt. Eine generelle Schutzbedürftigkeit für derartige Nutzgehölze im Sinne der Ermächtigungsgrundlage zu begründen, erscheint schwierig. Es kann nicht Sinn und Zweck einer Baumschutzverordnung sein, den Obstbaumbesitzern die Möglichkeit zu nehmen, Obstgehölze ertragsabhängig zu beseitigen oder auch erforderliche Schnittmaßnahmen vorzunehmen, ohne ein aufwendiges Genehmigungsverfahren durchlaufen zu müssen. Diese Auffassung wird auch von der Regierung von Oberbayern geteilt.
Es ist unbestritten, dass Obstgehölze aufgrund ihres Erscheinungsbildes eine Bereicherung in der Stadt darstellen und im Hinblick auf ihre Lebensraumfunktion für Vögel und Insekten auch von ökologischer Bedeutung sind. Trotzdem handelt es sich hier in erster Linie um Nutzgehölze, bei denen der Ertrag im Vordergrund steht, und der Beitrag hinsichtlich des Schutzzweckes der Baumschutzverordnung lediglich eine untergeordnete Rolle spielt.
Aufgrund der oben dargelegten Gründe, der Kurzlebigkeit der Gehölze und des erforderlichen regelmäßigen Nachschnittes der Gehölze sieht die Untere Naturschutzbehörde eine grundsätzliche Aufnahme von Obstgehölzen als geeignete Baumart für Ersatzpflanzungen weiterhin als nicht zielführend an. In begründeten Ausnahmefällen, insbesondere wenn aufgrund der örtlichen Verhältnisse andernfalls ein vollständiger Verzicht auf die Ersatzpflanzung erfolgen müsste (z.B. Kleingartenanlagen im Baumschutzbereich, Kleine Reihenhausgärten, etc.) wird ein Obstbaum als möglicher Ersatz unter Berücksichtigung der Platzverhältnisse und örtlicher Durchgrünung bereits regelmäßig geprüft. Die Festsetzung von Obstbäumen als Ersatz ist aus den o.g. Gründen stets eine Einzelfallentscheidung verbunden mit einer individuellen fachlichen Beratung. Es wäre insofern nicht zielführend, bestimmte im Einzelfall in Frage kommende Obstbaumarten in die Liste der geeigneten Baumarten für Ersatzpflanzungen aufzunehmen wenn Obstbäume im Grundsatz nicht als geeignete Ersatzpflanzung in Frage kommen.
Wir halten es an dieser Stelle abschließend für angebracht, die angesprochene negative Baumbilanz zu relativieren. Das rechnerische Defizit entsteht überwiegend durch diejenigen Fälle, in denen eine Ersatzpflanzung unter Ausübung pflichtgemäßem Ermessens nicht sinnvoll und erforderlichist und somit auch nicht gefordert werden kann. Zweck der Baumschutzverordnung ist die langfristige Sicherstellung der gesamten innerörtlichen Durchgrünung. Dies wird durch das Absehen von Ersatzpflanzungen in den Fällen, in denen auch nach der Fällung noch eine ausreichende Durchgrünung des Grundstücks gewährleistet ist, nicht in Frage gestellt. Es ist jedoch richtig, dass in einigen Fällen auch aus anderen Gründen von einer Ersatzpflanzung abgesehen werden muss. Zu kleine Grundstücke verhindern aufgrund der im Nachbarschaftsrecht vorgegebenen Grenzabstände in Einzelfällen die Forderung einer Ersatzpflanzung. Die Untere Naturschutzbehörde beabsichtigt hier mittels finanzieller Anreize für freiwillige Baumpflanzungen gegenzusteuern (siehe Frage 2).
Frage 2:
Wie können geeignete weitere Standorte für Obstbäume in der Stadt gefunden werden? Wäre es möglich die Münchner Bevölkerung einzubinden?
Antwort:
Bezüglich der Standortsuche muss nach privaten und öffentlichen Flächen unterschieden werden.
Wie unter Frage 1 bereits dargelegt, ist die Festsetzung von Obstbäumen als Ersatzpflanzungen bei Fällungen auf Privatgrundstücken nur in Ausnahmefällen sinnvoll. Neben der gesetzlich vorgeschriebenen Kompensation für Fällungen sollen seitens der Unteren Naturschutzbehörde parallel aber auch Anreize für freiwillige Baumpflanzungen durch Bürger*innen im Rahmen der Initiative „Pro Baum“ geschaffen werden.
Ziel ist es, im privaten Bereich, insbesondere bei Wohnungseigentumsgemeinschaften, Wohnungsgesellschaften und bei Gartenbesitzern mögliche Baumstandorte zu aktivieren.
Anwendungsbeispiele für die Förderung freiwilliger, aber rechtlich nicht durchsetzbarer Baumpflanzungen sind „Grenzbäume“ und „Extrabäume“. Das Nachbarschaftsrecht sieht vor, dass ein Baum von 2 m Höhe mindestens in 2 m Entfernung von der Grundstücksgrenze gepflanzt werden muss. Nur mit Einverständnis des Nachbarn ist ein engerer Pflanzabstand privatrechtlich möglich. Durch die Nutzung der Grundstücksgrenze für Baumpflanzungen können neue Baumstandorte für „Grenzbäume“ gewonnen werden.
Auch wenn bei Neubauten seit 1996 in der Regel die Freiflächengestaltungssatzung zur Anwendung kommt und eine Rahmeneingrünung erfolgt,gibt es nach wie vor Wohnanlagen, in denen Flächen für sinnvolle Baumpflanzungen („Extrabäume“) zur Verfügung stehen.
Ausführliche Erläuterungen zur Initiative „Pro Baum“ finden sich auch in der aktuellen Beschlussvorlage des Referates für Stadtplanung und Bauordnung vom 28.7.2021 zum Thema Baumschutz in der Landeshauptstadt München (Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 03093).
In allen o.g. Fällen ist auch eine Förderung von Obstbäumen grundsätzlich denkbar. Nach jetzigem Stand beabsichtigt die Untere Naturschutzbehörde auch die Förderung langlebiger, ökologisch hochwertiger Obstsorten mitzutragen. Die Initiative „Pro Baum“ ist – anders als die Ersatzpflanzungsfestsetzungen nach der Baumschutzverordnung – in ihrer Anwendung nicht auf bestimmte Baumarten beschränkt. Der Schutz der freiwillig gepflanzten Bäume wird auf privatrechtlichem Wege dahingehend sicher gestellt, als die Fördergelder bei vorzeitiger Entfernung der Bäume zurückgezahlt werden müssen.
Die öffentlichen Grünflächen hingegen werden vom Baureferat Gartenbau verwaltet. Die von Ihnen angesprochene Problematik der Standortsuche ist dort bereits präsent.
Bezüglich der öffentlichen Grünflächen ist zunächst klarzustellen, dass dort regelmäßig eine positive Baumbilanz besteht. In der Regel werden jährlich ca. 2.000 Bäume mehr im öffentlichen Grün gepflanzt als gefällt werden müssen. Fällungen werden hier grundsätzlich nur erforderlich, wenn die Verkehrssicherheit nicht mehr gewährleistet werden kann.
Das Baureferat hatte mit Schreiben vom 30.10.2020 die Bezirksausschüsse gebeten, potenzielle Baumstandorte im öffentlichen Raum in ihren jeweiligen Stadtbezirken zu identifizieren und dem Baureferat zu nennen. Nach Kenntnis des Baureferates haben zahlreiche Bezirksausschüsse die Bevölkerung bei dieser Aktion aktiv eingebunden. Derzeit werden die Rückmeldungen auf Realisierbarkeit geprüft.
Generell wird zu Standorten für Obstbäume in öffentlichen Grünanlagen seitens des Baureferates Folgendes ausgeführt: Obstgehölze werden dort gepflanzt, wo Funktionen, Gestaltung und ggf. naturschutzfachliche Unterschutzstellungen der jeweiligen öffentlichen Grünanlage es zulassen. Zudem muss bei der Pflanzung von Obstgehölzen ein regelmäßiger fachgerechter Gehölzschnitt und die Verwertung der zukünftig hohen Obsterträge sichergestellt sein.Liegen bleibendes Fallobst verfehlt nicht nur den Sinn solcher Pflanzungen, sondern kann auch zu einer erhöhten Wespenproblematik beitragen. Umfangreichere Pflanzungen von Obstgehölzen in öffentlichen Grünanlagen können deshalb nur dann erfolgen, wenn die Pflege und Ernte z. B. durch die Trägerschaft von Vereinen sichergestellt ist.
Frage 3:
Wäre eine Aktion „München verschenkt Obstbäume“ nach dem Vorbild der Stadt Frechen möglich?
Antwort:
Wie unter Frage 2 dargelegt, ist eine Förderung der freiwilligen Pflanzung (auch) von Obstgehölzen im Rahmen der Initiative „Pro Baum“ denkbar.
Die Grundstückseigentümer erhalten ca. 90% der Beschaffungs- und Pflanzkosten – finanziert aus den Ausgleichsgeldern – sofern sie sich verpflichten, den Baum über einen Zeitraum von 20 Jahren zu erhalten. Der Zuschuss für die Grenzbäume ist auf 1.000 Euro begrenzt.
Die Förderung erfolgt aus den Mitteln der Ausgleichszahlungen gemäß § 7 Abs. 4 der Baumschutzverordnung.
Die Förderung ist auf finanzielle Anreize beschränkt. Da das Baureferat in seinen Baumschulen selbst keine Obstbäume produziert, können darüber hinaus keine „echten“ Bäume verschenkt werden.