Kleinräumige Erfassung und Analyse des Corona-Infektionsgeschehens in Kooperation mit dem ifo-Institut
Antrag Stadtrat Professor Dr. Hans Theiss (CSU-Fraktion) vom 20.5.2021
Antwort Gesundheitsreferat:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Sie beantragen, dass die Landeshauptstadt München eine Kooperation mit dem ifo Institut (Leibniz Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München) startet, um zusammen die Analyse des Infektionsgeschehens auf lokaler Ebene (etwa in Form eines kommunalen Modellprojekts) zu verbessern. Der Inhalt des Antrages betrifft damit eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag vom 20.5.2021 teilen wir Ihnen aber Folgendes mit:
Gerade die Corona-Pandemie mit dem zu Beginn noch neuartigen Coronavirus hat gezeigt, wie wichtig eine valide Kenntnis- und Datenlage ist, um zielgerichtet infektionsepidemiologische Maßnahmen ergreifen zu können. Vor diesem Hintergrund teilen wir die in Ihrem Antrag zum Ausdruck kommende Ansicht, dass eine geeignete Datenanalyse das Verständnis des Infektionsgeschehens verbessern kann.
Mögliche Kooperationsmöglichkeiten wurden in einem ersten Schritt in einem gemeinsamen Termin mit dem ifo-Institut unter seitens des ifo-Instituts vorgeschlagener Einbindung der infas360 GmbH eruiert. Das an der Ludwig-Maximilians-Universität München angesiedelte ifo-Institut (www. ifo.de) hat nach eigener Einschätzung große Erfahrung in der Daten-Analyse (systematisches Zusammenführen und Auswerten von Datenmengen zur Gewinnung neuer Erkenntnisse). infas 360 (www.infas360.de) wiederum ist langjähriger Partner des ifo-Instituts und verspricht, breites Wissen über alle Personengruppen in München zu haben bzw. generieren zu können. In dem sehr konstruktiven Austausch kristallisierte sich heraus, dass eine Zusammenarbeit nur dann zu Erkenntnisgewinnen führt, wenn entsprechende Daten verfügbar sind, auf deren Basis infektionsepidemiologische Erkenntnismodelle entwickelt werden könnten.In Bezug auf die Erhebung der dafür notwendigen Datengrundlage wie auch die möglichen Auswertungsmaßnahmen ist das Gesundheitsreferat an die bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen gebunden. Die
relevanten Vorschriften, insbesondere die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), das Bayerische Datenschutzgesetz (BayDSG) wie auch das Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetz (GDVG), sehen sowohl die Datenerhebung wie auch die Datennutzung nur in einem eng definierten Rahmen vor. Nur wenn eine gesetzliche Grundlage (Rechtsgrundlage) besteht, dürfen Daten erhoben und verarbeitet werden. Dabei sind insbesondere die Grundsätze der Datenvermeidbarkeit und -sparsamkeit zu beachten. Innerhalb dieses engen Rahmens erhebt und verarbeitet das Gesundheitsreferat bereits Daten aus verschiedenen Quellen und auf Grund verschiedener Rechtsgrundlagen.
Vor dem skizzierten Hintergrund wurden als grundsätzlich für eine Auswertung interessant zunächst folgende Daten-Cluster identifiziert:
-Daten aus dem Bereich der Gesundheitsberichterstattung, welche Datengrundlage für die Gesundheitsberichte bilden
(http://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Referat-fuer-Gesundheit-und-Umwelt/Gesundheitsdaten/Veroeffentlichungen.html): Die Gesundheitsberichte dienen als Grundlage für kommunale Planungen von gesundheitsbezogenen Maßnahmen in verschiedenen Fachbereichen und Referaten dienen und stellen dafür einen integralen Bestandteil dar.
-Daten aus dem Bereich des medizinischen Versorgungsmanagements: Aufgabe des Versorgungsmanagements ist es, zum Monitoring der gesundheitlichen Versorgungssituation im ambulanten, teilstationären und stationären Bereich in München beizutragen. Darüber hinaus werden weiterführende Analysen durchgeführt, die Versorgungsengpässe näher beschreiben und ihre Ursachen eruieren. Im Falle von Fehlentwicklungen werden gemeinsam mit den Münchner Gesundheitsversorgungseinrichtungen passgenaue Maßnahmen konzipiert und umgesetzt.
-Daten, die auf Basis des Infektionsschutzgesetzes erhoben werden. Diese Daten unterliegen als besonders sensible medizinische Daten einer besonders strengen Zweckbindung.
Die in diesem Rahmen verfügbaren Datencluster wurden in einem zweiten Schritt vom Ifo-Institut – ohne, dass hierbei bereits personenbezogene Daten übermittelt werden mussten – eingehend analysiert, um herauszufin-den, ob sie nach Art und Detailtiefe infektionsepidemiologisch z.B. für ein Prognosemodell nutzbar gemacht werden könnten.
Dabei kam das ifo-Institut zu dem Ergebnis, dass die bezüglich der Corona-Pandemie auf Basis der gesetzlich vorgegebenen Melde- und Erhebungswege vorliegenden und zur Auswertung durch das ifo-Institut nutzbaren Daten grundsätzlich keine kleinsträumige Ebene abdecken würden und zudem nicht in „Real-Time“ vorlägen. Beides wäre nach Einschätzung des ifo-Instituts jedoch erforderlich, um zielgenaue wissenschaftliche Unterstützung bei der proaktiven Pandemiebekämpfung anbieten zu können. Insbesondere die seitens des ifo-Instituts für notwendig erachteten Detailinformationen, etwa zum Impfstatus der getesteten Personen sowie zu deren sozioökonomischen und demografischen Merkmalen, können mangels gesetzlicher Grundlage nicht erhoben werden, weshalb derartige Daten beispielsweise auch nicht von dem von Arztpraxen und Laboren für Coronafälle bundesweit zu nutzenden Meldesystem Deutsche Elektronischen Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (DEMIS) abgebildet werden.
Vor diesem Hintergrund wurde eine zielführende Datenkooperation in der Bekämpfung der Corona-Pandemie zwischen dem Gesundheitsreferat und dem ifo-Institut als derzeit wenig aussichtsreich eingestuft und deshalb zunächst nicht weiter verfolgt.
Für die Zeit nach der Pandemie soll indes erneut ein Austausch mit dem ifo-Institut gesucht werden, um im Sinne eines „Lessons Learned“ gemeinsam und zukunftsorientiert Möglichkeiten und Wege zu suchen, die bundesweit zu verzeichnende mangelnde Datenverfügbarkeit zu verringern.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.