Baumschutz – Verpflanzen statt Fällen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Nicola Holtmann, Dirk Höpner, Hans-Peter Mehling, Tobias Ruff und Rudolf Schabl (Fraktion ÖDP/FW) vom 15.3.2021
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:
In Ihrem Antrag führen Sie aus, dass die Landeshauptstadt München alle schützenswerten Großbäume, die akut von einer Fällung bedroht sind und für eine Verpflanzung geeignet sind, in einer Datenbank erfassen solle. Diese Bäume könnten dann von interessierten Bauherren und Grundstückseigentümern „adoptiert“ und eingepflanzt werden. Auch im Rahmen von Bebauungsplänen und in städtischen Grünflächen sollen diese Großbaumverpflanzungen eingesetzt werden.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, weil es das Verwaltungshandeln im Vollzug der Baumschutzverordnung, in der Umsetzung von Bebauungsplänen und im Bereich städtischer Grünanlagen betrifft. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Aufgrund des umfangreichen referatsübergreifenden Abstimmungsbedarfs war eine Behandlung Ihres Antrags innerhalb der geschäftsordnungsgemä-ßen Frist nicht möglich. Hierfür bitten wir um Verständnis.
Zu Ihrem Antrag vom 15.3.2021 teilt Ihnen das Referat für Stadtplanung und Bauordnung in Abstimmung mit dem Baureferat Folgendes mit:
In Ihrem Antrag zitieren Sie die Gartenbauleiterkonferenz, die auf die guten Erfahrungen mit dem Verpflanzen auch von großen und alten Bäumen verweist.
Nach übereinstimmenden Erfahrungen des Baureferats und des Referats für Stadtplanung und Bauordnung kann diese Aussage jedoch so nicht pauschal übernommen werden. Der Erhalt von Bäumen am Standort ist vorrangig, sofern dies möglich ist. Selbstverständlich ist die Verpflanzung auch großer, alter Bäume unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt und sinnvoll.Allerdings sind hier stets Aufwand und Erfolgsaussichten in jedem Einzelfall zu prüfen und abzuwägen. In den allermeisten Fällen bedeutet das Verpflanzen eines alten Baumes eine vehemente Reduzierung des über Jahre gewachsenen und mit der Umgebung fest verwurzelten Wurzelballens bzw. Wurzeltellers sowie eine entsprechende Reduzierung des Kronenvolumens. Die Kappung der Wurzeln verbunden mit der Errichtung eines Wurzelvorhangs erfolgt am alten Standort mit dem Ziel, dass sich über ein bis zwei Jahre an den alten Wurzeln neue Feinwurzeln bilden. Erst dann erfolgt die Verpflanzung. Diesen Eingriff verträgt ein alter Baum in der Regel nur schlecht. Die Kronen werden lichter und es braucht Jahre bzw. Jahrzehnte, bis wieder Zuwachs in nennenswertem Umfang erkennbar ist.
Vor diesem Hintergrund kommen aus fachlichen Gründen insgesamt kaum Großbäume für Verpflanzungen in Betracht. Es ist aus Sicht des Referats für Stadtplanung und Bauordnung daher keinesfalls so, dass sich das Verpflanzen von Großbäumen mittlerweile als grundsätzlich erfolgreiche Routine darstellt. Dies wäre jedoch die Voraussetzung für eine sehr aufwändige Entwicklung und Pflege einer entsprechenden Datenbank.
Das Baureferat teilt zu Ihrem Antrag folgendes mit:
Bei der Planung und Durchführung von Maßnahmen haben die Belange des Baumschutzes im Baureferat eine hohe Priorität. Bereits am Beginn des Planungsprozesses wird versucht, Bestandsbäume zu erhalten und Baumentnahmen soweit wie möglich zu vermeiden. Vor einer Entfernung von Bäumen führt das Baureferat grundsätzlich eine fachliche Prüfung durch, ob eine Baumverpflanzung durchführbar ist. Sollte nach einer eingehenden Untersuchung ein Baum für eine Verpflanzung in Frage kommen, wird der Baum verpflanzt. Limitierend bei der Verpflanzung von Bäumen ist u.a. deren Größe hinsichtlich des Transports. Eine Verpflanzung erfolgt daher optimalerweise in der unmittelbaren Umgebung, ohne Transport durch die Stadt, welcher einen umfangreichen Rückschnitt der Krone zur Folge hätte.
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung gibt ebenfalls sowohl im Rahmen der Bebauungsplanung als auch im Rahmen der Baugenehmi-
gungsverfahren dem Erhalt von Großbäumen an ihrem Standort gegenüber ihrer Verpflanzung stets den Vorzug.
Insbesondere bei der Realisierung privater Bauvorhaben liegen außerdem meist nur Monate zwischen Planung bzw. Genehmigung, also dem Zeitpunkt, an dem die erforderliche Baumbeseitigung feststeht und der Reali-sierung des Bauvorhabens, an dessen Beginn stets die Freimachung des Grundstücks mit Baum- und Gehölzfällungen steht.
Abgesehen von dem hohen fachlichen und finanziellen Aufwand findet die Anwendbarkeit der Idee der Datenbank ihre Grenzen in der Verfügbarkeit von neuen Baumstandorten, auf die diese Bäume verpflanzt werden könnten:
- Im öffentlichen Raum stehen hierfür keine Flächen in nennenswertem Umfang zur Verfügung.
- Innerhalb von Bebauungsplänen, sind Verpflanzungen theoretisch möglich, de facto jedoch auch nur in Ausnahmefällen fachlich sinnvoll zu realisieren.
- Im Rahmen von Baugenehmigungsverfahren besteht keine Rechts-
grundlage für die Verpflanzung von Bäumen außerhalb des eigenen Grundstücks, was – neben den oben beschriebenen zeitlichen Gründen – mögliche Verpflanzungen grundsätzlich einschränkt.
Insofern kann zusammengefasst zu Ihrem Antrag Folgendes mitgeteilt werden:
1. Grundsätzlich ist der Erhalt von Bäumen durch entsprechende zielgerichtete Planung nachhaltiger als ihre Verpflanzung.
2. Die zeit- und kostenintensive Verpflanzung ist nur in Einzelfällen fachlich sinnvoll und wirtschaftlich vertretbar.
3. In München fehlen Flächen, auf die Bäume verpflanzt werden könnten. 4. Es gibt keine Rechtsgrundlage für die Verpflanzung von Bäumen außerhalb des eigenen Grundstücks.
5. Aufwand und Nutzen für die Erstellung und Pflege einer Datenbank für ggf. zu verpflanzende Bäume wären unter den oben genannten Rahmenbedingungen unverhältnismäßig.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.