Medizinische Versorgung in Freiham
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Professor Dr. Jörg Hoffmann, Gabriele Neff, Richard Progl und Fritz Roth (FDP BAYERNPARTEI Stadtratsfraktion) vom 10.9.2020
Antwort Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek:
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Die medizinische und insbesondere die hausärztliche Versorgung fällt in den Münchner Stadtteilen sehr unterschiedlich aus. Umso wichtiger ist es, in neu geplanten und gebauten Wohngebieten die ärztliche Versorgung von Anfang an einzuplanen und für genügend Praxisräume zu sorgen.“
Herr Oberbürgermeister Reiter hat dem RGU Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Ich bedanke mich für die gewährte Fristverlängerung und beantworte die aufgeworfenen Fragen, in Abstimmung mit dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt:
Frage 1:
Wie ist bzw. wird die wohnortnahe allgemeinmedizinische Versorgung (Arztpraxen und sonstige ambulante Behandlung) in Freiham geplant (un- terteilt nach 1. und 2. Realisierungsabschnittt) und wie wird diese bei der Realisierung der Bauabschnitte sichergestellt?
Antwort:
Referat für Stadtplanung und Bauordnung:
Die planerische Sicherstellung der Ansiedlungsmöglichkeiten für Ärzt*innen ist und wird in Freiham auf mehreren Ebenen durchgeführt: Im Stadtteilzentrum Freiham, in unmittelbarer Nähe zum S-Bahnhalt besteht seit 2008 ein Ärztehaus und medizinischer Einzelhandel mit einer Geschossfläche von 5.500m². Zum anderen ermöglichen die festgesetzten Gebietskategorien im 1. Realisierungsabschnitt (RA) von Freiham (Baurecht seit 2016, Umsetzung seit 2018) die Ansiedelung von Ärzt*innen, sowohl dezentral in den Wohngebieten, als auch zentral im Quartierszentrum. Eine wichtige Koordinierungaufgabe für die Vermittlung von Bedarfen raumsuchender Ärzt*innen und Optionsflächen der Bauherr*innen wird zum einen durch das Stadtteilmanagement Freiham, als auch durch die Einrichtung der sogenannten „Bauherr*innen-Werkstatt Freiham“ gewährleistet.
Für den ersten Teil des 2. RA von Freiham wurde im Februar 2020 der Aufstellungbeschluss gefasst. Im weiteren Verfahren soll untersucht werden, inwieweit sich auch in diesem Bereich ein Ärztehaus, wie es bereits in derNähe des S-Bahnhaltes Freiham besteht, in einem dafür festzusetzenden Kerngebiet, entsprechend ausschreiben und realisieren ließe.
Frage 2:
Welche Quote Einwohner je Arzt wird für den 22. Stadtbezirk angestrebt (unterteilt nach den Kriterien des „Statistischen Taschenbuch 2020 – Ge- sundheits- und Sozialwesen“ für die Stadt München)?
Antwort:
In Bezug auf die Bedarfsplanung werden die Fragen 1 und 2 vom Gesundheitsreferat zusammen beantwortet:
Der Sicherstellungsauftrag für die ambulante medizinische Versorgung liegt bei der Kassenärztlichen Vereinigung.
Die bundesweiten Vorgaben der ärztlichen ambulanten Bedarfsplanung werden vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in der Bedarfspla-
nungs-Richtlinie (BP-RL) festgelegt. Der Sicherstellungsauftrag für eine wohnortnahe Versorgung für alle gesetzlich Versicherten liegt bei den kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. 2019 kam es zu einer grundlegenden Anpassung der BP-RL, bei der insbesondere die Verhältniszahlen angepasst wurden. Die Verhältniszahlen legen das Verhältnis von Einwohner*innen zu Arztsitzen für jede Altersgruppe fest.
Ist dieses, gegebenenfalls um die Altersstruktur der Einwohner*innen eines Planungsbereichs korrigierte Arzt-Einwohner-Verhältnis genau erfüllt, liegt der sogenannte Versorgungsgrad bei 100 Prozent. Diese Angaben beziehen sich auf die vertragsärztliche Versorgung, Privatarztpraxen sind hierbei nicht berücksichtigt. Die Bedarfsplanung liegt in den Händen des G-BA und der Kassenärztlichen Vereinigungen.
Rein rechnerisch liegt nach den Vorgaben der Bedarfsplanungs-Richtlinie für München insgesamt eine ausreichende Versorgung oder sogar eine Überversorgung bei allen Arztgruppen vor. Die Planungsbereiche sind hierbei für die verschiedenen Arztgruppen unterschiedlich. Bei der allgemeinen fachärztlichen Versorgung, zu der Augenärzt*innen, Chirurg*innen, Frauenärzt*innen, Hautärzt*innen, Hals-Nasen-Ohren-Ärzt*innen, Nervenärzt*innen, Orthopäd*innen, Psychotherapeut*innen, Urolog*innen sowie Kinderärzt*innen zählen, ist die Planungsregion das Stadtgebiet München. Bei der hausärztlichen Versorgung werden die durch das Bundesinstitut für Bau-, Stadt und Raumforschung ausgegebenen Mittelbereiche zu Grunde gelegt. Der Mittelbereich für München beinhaltet neben dem Stadtgebiet noch den Landkreis München sowie einige umliegende Gemeinden. Beider speziellen fachärztlichen Versorgung sind die Planungsbereiche die sogenannten Raumordnungsregionen, die größenmäßig zwischen den Landkreisen und den Regierungsbezirken rangieren.
Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) sieht für die LH München keine Notwendigkeit einer kleinräumigen Planung oder eines lokalen Sonderbedarfs. Sie geht davon aus, dass die Erreichbarkeit einer Hausarztpraxis innerhalb von 20 PKW-Fahrminuten, Kinderarztpraxen innerhalb von 30 Minuten und bei den allgemein fachärztlichen Praxen innerhalb von 40 Minuten für 95 Prozent der Einwohner*innen von jedem Standort in München gegeben sei. Dies würde der Maßgabe aus der Bedarfsplanungsrichtlinie entsprechen.
Daraus folgt, dass keine Planung auf einer weiter untergeordneten Ebene, wie beispielsweise den Stadtbezirken, erfolgt. Somit stellen die im Statistischen Taschenbuch aufgeführten Zahlen rein deskriptive Werte dar, die den Ist-Zustand beschreiben, jedoch keine planerischen Soll-Werte. Sie können daher auch nicht für die Planung von Arztpraxen in Neubaugebieten, wie beispielsweise in Freiham, angewendet werden.
Frage 3:
Wie viele Quadratmeter für Arztpraxen inklusive Zahnärzte und sonstige ambulante Behandlungen sind (unterteilt nach 1. RA und 1. und 2. BA des 2. RA) in Freiham vorgesehen?
Antwort:
Referat für Stadtplanung und Bauordnung:
Wie oben dargestellt, ermöglicht die festgesetzte Gebietskategorie „Allgemeines Wohngebiet“ (WA) auch im Schwerpunktbereich Wohnen die Ansiedelung von Ärzt*innen, inklusive Zahnärzt*innen und sonstige ambulante Behandlungen, wie z.B. auch physiotherapeutische Praxen. Eine Festsetzung für die Ansiedelung von Praxen kann im Bebauungsplan nicht getroffen werden, aber über die genannten Gebietskategorien ermöglicht werden.
Sowohl im 1. als auch im 2. RA von Freiham sind und werden Allgemeine Wohngebiete und Kerngebiete festgesetzt und bieten dadurch ausreichende Flächenpotentiale für Praxen.
Frage 4:
Sind die GWG und die Gewofag bereit, ggf. zusätzliche barrierefreie Räum- lichkeiten, zu Konditionen, die eine rentierliche Praxisführung ermöglichen, für die ärztliche, zahnärztlichen und ambulante Versorgung bereitzustellen? Wenn nein, warum nicht?
Antwort:
Zu der Frage nimmt die GEWOFAG wie folgt Stellung:
„Die GEWOFAG hat selbstverständlich immer auch die Bedarfsdeckung der Quartiere im Blick. Wir steuern diese im Rahmen der Projektentwicklung bei Neubauten und größeren Sanierungen, aber auch im Immobilienbestand anlässlich eines Mieter*innenwechsels durch die gezielte Auswahl von Nachmieter*innen. Dazu gehört auch, barrierefreie Praxisflächen zur Verfügung zu stellen. In Bezug auf die Wirtschaftlichkeit sind wir angehalten, für gewerbliche Flächen einen für uns wirtschaftlichen Mietpreis unter Berücksichtigung des jeweils momentan erzielbaren Marktpreises zu vereinbaren.
In einzelnen begründeten Fällen kann jedoch auch der untere Bereich des Mietpreissegments als Starthilfe für ein Objekt ins Auge gefasst werden. Die GEWOFAG unterliegt jedoch der städtischen Aufsicht und darf bei der Vermietung der Gewerbeobjekte keine Wettbewerbsvorteile einzelner gegenüber dem Markt schaffen. Darüber hinaus unterliegen mögliche Wettbewerbsverzerrungen dem EU-Beihilferecht. Eine Vermietung sollte die errechnete Mindestmiete, die bei Neubauten durch unser Finanzmanagement festgelegt wird, nicht unterschreiten. Im Falle einer Unterschreitung muss jedoch eine plausible und revisionssichere Begründung geliefert werden.
Die Praxisgemeinschaften müssen zum 31.12.2021 die Räumlichkeiten der GWG verlassen, da das Gebäude abgebrochen wird. Unsere Bauvorhaben werden frühestens 2023 beziehungsweise 2024 fertiggestellt. Von daher können wir diesen Praxisgemeinschaften derzeit keine Mietobjekte in Freiham anbieten.“
Zu der Frage nimmt die GWG wie folgt Stellung:
„Die GWG München hat ein hohes Interesse an einer guten medizinischen Versorgung des Stadtteils Freiham.
Derzeit realisiert die GWG in WA 4 und 5.1., WA 1, WA 12, WA 16 und WA 18 Bauvorhaben.
Die Nutzungen, also die Aufteilung, welche Flächen für Wohnungen (und dort in welcher Förderart) und welche Flächen für Gewerbe genutzt werden sollen, ist bereits in großen Teilen mit der Stadtverwaltung abgestimmt und festgeschrieben. In einigen Bauabschnitten stehen gewerbliche Flächen im Erdgeschoss zur Verfügung, die – wenn sie von Ärzt*innen für geeignet gehalten werden – auch von diesen angemietet werden können. Auch die Umnutzung von ursprünglich für den Wohnungsbau vorge-sehenen Flächen ist aus Sicht der GWG grundsätzlich möglich, wenn Förderstelle und die Lokalbaukommission dies genehmigen können. Da die GWG München Praxisräume grundsätzlich zu marktüblichen Konditionen vermietet, ist davon auszugehen, dass ein Praxisbetrieb wie ansonsten auch wirtschaftlich möglich ist.“
Frage 5:
Wurde mit den Bauträgern und Investoren eine Vereinbarung getroffen über die Bereitstellung von geeigneten barrierefreien Flächen für Arztpra- xen inklusive Zahnärzte und sonstige ambulante Behandlungen? Wenn nein, warum nicht?
Antwort:
Referat für Stadtplanung und Bauordnung:
Die Bauleitplanung legt im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens fest, in welchen Bereichen des Bebauungsplans bzw. in welchen Baufeldern zwingend Gewerbe- bzw. Nichtwohnnutzung umzusetzen ist. Dies ist für die Ausschreibung und Vergabe der Wohnbaugrundstücke durch das Referat für Stadtplanung und Bauordnung dann Grundvoraussetzung für die Konzeptausschreibung. Die Art der Nichtwohnnutzung wird hingegen nicht genau festgelegt, um dem/der Investor*in auch für spätere Jahre noch genügend Spielraum zur Vermarktung der Gewerbe- bzw. Nichtwohnnutzungseinheiten zu geben, um so wiederum Leerstände zu vermeiden. Von einem kundenfreundlichen gewerbegerechten flexibel nutzbaren Ausbau der entsprechenden Räumlichkeiten ist in dem Fall auszugehen. Bei den übrigen WA Baufeldern besteht darüber hinaus stets die Möglichkeit, freiwillig bis zu 10 Prozent des Baurechts als Nichtwohnnutzung umzusetzen.
Gesundheitsreferat:
Im übrigen ist für Freiham eine kommunale Gesundheitsberatungsstelle in Planung. Der Grundsatzbeschluss wurde bereits 20161 gefasst, das Konzept soll 2021 in den Stadtrat eingebracht werden.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.
1 Kommunale Gesundheitsvorsorge in Freiham Teileigentumserwerb/Anmietung von Räumen Stadtbe zirk 22 Aubing-Lochhausen-Langwied Fachkonzept für einen Außenstandort des RGU Sitzungsvorlage Nr.14-20/V 05075. Beschluss der Vollversammlung des Stadtrates vom 19.10.2016