Brandgefährlich? – E-Autos und Photovoltaikdächer
Antrag Stadtrats-Mitglieder Professor Dr. Jörg Hoffmann, Gabriele Neff, Richard Progl und Fritz Roth (FDP BAYERNPARTEI Stadtratsfraktion) vom 17.7.2020
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Wir beziehen uns auf Ihren Stadtratsantrag „Brandgefährlich? – E-Autos und Photovoltaikdächer“ der FDP BAYERNPARTEI Stadtratsfraktion vom 17.7.2020.
Sie beantragen einen Bericht der Branddirektion zu der aktuellen Situation und zu einem möglichen Handlungsbedarf in Bezug auf die Gefahr von batteriebetriebenen E-Fahrzeugen und Häusern mit Photovoltaikanlagen. Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlaube ich mir, Ihren Antrag als Brief zu beantworten.
Die Brandbekämpfung von Kraftfahrzeugen mit Elektroantrieb („E-Autos“) und von Photovoltaikdächern ist für die Münchener Berufsfeuerwehr nicht gefährlicher als die übliche Brandbekämpfung von Zimmerbränden oder Kraftfahrzeugen mit Kraftstoffantrieb.
Die Brandbekämpfung orientiert sich dabei an der DIN VDE Norm 0132 „Brandbekämpfung und technische Hilfeleistung in elektrischen Anlagen“ sowie eigenen Erkenntnissen aus der Gremienarbeit für die deutschen Feuerwehren (Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren – AGBF – und dem Deutschen Feuerwehrverband – DFV –). Zur Beantwortung des Stadtratsantrags sind zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden:
a) Photovoltaik:
Photovoltaikanlagen sind seit vielen Jahren Teil der üblichen Gefahren an einer Einsatzstelle. Die Anlagen können zwar im klassischen Sinne nicht abgeschaltet werden und bis zum Wechselrichter (Umsetzung zwischen Gleichspannung zu 50 Hertz Wechselspannung) steht bei Tageslicht Spannung an (Niederspannung unter 1.500 V Gleichspannung). Dennoch sind Löscharbeiten unter Einhaltung der Schutzabstände (1 Meter für Personen, 1 Meter im Sprühstrahl, 5 Meter im Vollstrahl mit den üblichen Strahlrohren zur Brandbekämpfung) immer möglich. Bei offensichtlich unbeschädigten Anlagenteilen ist kein Schutzabstand notwendig. Elektrotechnisch unterwiesene Personen oder Fachkundige („Elektriker“) können ggf. die Einsatzkräfte bei einer eventuell notwendigen Demontage unterstützen. Es ist bundesweit kein Unfall einer Einsatzkraft in Verbindung mit Photovoltaikanlagen durch unter Spannung stehende Anlagenteile bekannt. Nachtsbei Mondlicht oder durch eine Einsatzstellenbeleuchtung können keine gefährlichen Ströme auftreten, da die Lichtleistung für gefährliche Stromniveaus nicht ausreicht. Insgesamt sind Photovoltaikanlagen als eine mögliche Quelle von elektrischen Gefährdungen anzusehen (vgl. Steckdosen in Wohnungen bei einem Zimmerbrand; Ersatzstromversorgung in Krankenhäusern).
Die Feuerwehr München hat sich in der Gremienarbeit vor Jahren dafür eingesetzt, dass bei der Neuerrichtung von Photovoltaikanlagen im Bereich der Hausverteilung („Sicherungskasten“) ein Warnsymbol angebracht wird, damit bei einer Abschaltung des Stroms im Gebäude die mögliche Rückeinspeisung durch die Photovoltaikanlage berücksichtigt werden kann. Dieser Normungsvorschlag wurde angenommen und wird bundesweit umgesetzt.
b) Elektroantrieb bei Kraftfahrzeugen („E-Autos“):
Lithium-Ionen-Akkus werden insbesondere als Energiespeicher für das Hochvoltsystem verwendet (Hochvoltbatterie), gelegentlich werden sie auch für das 12- bis 48-Volt-Bordnetz eingesetzt. Hochvoltbatterien sind in der Regel in einem stabilen, weitgehend wasserdichten Gehäuse eingebaut, welches geschützt in die Fahrzeugstruktur integriert ist (z.B. im Unterboden). Deshalb kann aufgebrachtes Löschwasser den Brandherd bei einem Brand innerhalb eines mechanisch nur unwesentlich beschädigten Lithium-Ionen-Akkus nicht erreichen. Auch eine externe Kühlung ist kaum wirksam, da die Zellen zum Außengehäuse zunehmend thermisch isoliert sind. Versuche und bisherige Einsatzerfahrungen haben gezeigt, dass sich hierdurch die Löschdauer und der Löschmittelbedarf erhöhen. Die Erfahrungen zeigen auch, dass bei Lithium-Ionen-Akkus ein Löscherfolg erst dann einsetzt, wenn das Wasser in ausreichender Menge das Innere der Lithium-Ionen-Akkus erreichen kann. Jedoch ist eine einmal in Brand geratene Zelle einer Kfz-Lithium-Ionen-Batterie innerhalb kurzer Zeit (ca. 20 Minuten) ausgebrannt.
Versuche haben gezeigt, dass Wasser als Löschmittel geeignet und empfehlenswert ist. Löschmittelzusätze sind nicht erforderlich. Nicht jede in einem Fahrzeug verbaute (Hochvolt-)Batterie ist ein Lithium-Ionen-Akku. Andere Technologien (z.B. Nickel-Metallhydrid, NiMH) sind beispielsweise in vielen Hybridfahrzeugen eingebaut. Sie sind weniger reaktionsfreudig und auch weniger dynamisch im Brandverhalten. Neue Lithium-Ionen-Batterietechniken mit Eisen-Phosphat anstelle von Cobalt sind auch deutlich reaktionsunfreudiger.Beim Brand von Lithium-Ionen-Akkus werden, ebenso wie bei anderen Bränden, Atemgifte, gesundheitsschädliche Verbrennungsprodukte und -rückstände freigesetzt. Durch die Brandeinwirkung eines Kraftfahrzeugs kann es generell zu umherfliegenden Teilen kommen (z.B. von Airbags, Gasdruckdämpfern, Reifen, brennenden Leichtmetallen). Eine elektrische Gefährdung der Einsatzkräfte durch die Hochvoltanlage von Hybrid- oder Elektrofahrzeugen ist konstruktionsbedingt unwahrscheinlich (nicht geerdetes System, Isolationsüberwachung). Dennoch handelt es sich beim Hochvoltsystem dieser Fahrzeuge um eine elektrische Anlage gemäß DIN VDE 0132. Bei der Brandbekämpfung sollen daher die dort vorgegebenen Sicherheitsabstände eingehalten werden (Niederspannung: Sprühstrahl – 1 m, Vollstrahl – 5 m).
Für die Brandbekämpfung ergeben sich folgende Möglichkeiten: -Brandbekämpfung mit großen Mengen an Löschwasser. -Hierdurch wird die Batterie extern gekühlt und Wasser kann über (entstandene) Öffnungen in die Batterie gelangen. Gegebenenfalls kann ein zweites Rohr zum Kühlen des Lithium-Ionen-Akkus vorgenommen werden.
-Grundsätzlich ist auch das kontrollierte Brennen lassen des Lithium-Ionen-Akkus im abgelöschten Fahrzeug eine Option. Haben die Batteriezellen abreagiert bzw. sind sie verbrannt, reduziert sich auch das Risiko einer Wiederentzündung. Es sind auch Kombinationen aus diesem und dem vorgenannten Punkt denkbar.
-Gegebenenfalls kann Löschwasser über eine dafür vom Fahrzeughersteller vorgesehene Öffnung in das Innere der Batterie eingebracht werden. Hinweise auf entsprechende Öffnungen können dem Rettungsdatenblatt entnommen werden. Ein gezieltes Einbringen von Wasser in die Batterie ist erst nach Abschluss der Menschenrettung zu empfehlen.
Das präventive Versenken von Hybrid- und Elektrofahrzeugen in einem wassergefüllten Container wird nicht empfohlen. Zudem werden dadurch sicher alle Restwerte vernichtet und es stellt sich die Frage nach der Entsorgung für die Feuerwehr, die damit nach derzeitiger Sichtweise zur Abfallerzeugerin würde. Das Bergen und Entsorgen eines Kraftfahrzeuges ist durch ein Abschleppunternehmen durchzuführen.
Auf dem Markt sind zudem handgeführte Löschgeräte verfügbar, die in das Batteriegehäuse eindringen, um dort Löschwasser ins Innere der Batterie einzubringen. Dabei befindet sich die Bedienmannschaft in unmittelbarer Nähe zur Batterie. Dieses Vorgehen entspricht nicht dem derzeitigen Stand der Technik, da ihr Einsatz unter anderem mit dem Risiko von zumTeil erheblicher Stichflammenbildung und einer nicht auszuschließenden Gefährdung der Bedienmannschaft durch Elektrizität (z.B. Lichtbogen, gefährliche Körperdurchströmung) verbunden ist. Auch die Fahrzeughersteller untersagen in ihren Einsatzhinweisen das Öffnen oder Beschädigen von Hochvoltbatterien.
Abschleppunternehmen wird empfohlen, verunfallte E-Autos in ausreichendem Abstand zu anderen Fahrzeugen abzustellen, falls die Litihium-Ionen-Batterie zeitversetzt reagiert. Hierfür könnte auch die Anschaffung von dafür neu entwickelten großen Löschdecken durch die Abschleppunternehmen sinnvoll sein.
Details können der Information FBFHB-024 „Hinweise für die Brandbekämpfung von Lithium-Ionen-Akkus bei Fahrzeugbränden“ der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung entnommen werden, an deren Erstellung die Feuerwehr München im Rahmen der Gremienarbeit aktiv mitgewirkt hat.
Zu den konkreten Fragestellungen des Stadtratsantrags ist daher festzuhalten:
Frage 1:
Welche Vorrichtungen, Spezialfahrzeuge und -einrichtungen halten Sie zum Löschen von Bränden bei Elektrofahrzeugen und Gebäuden mit Photovoltaikanlagen vor?
Antwort:
Für die Brandbekämpfung von Elektrofahrzeugen und Photovoltaikanlagen werden keine speziellen Vorrichtungen, Geräte oder Fahrzeuge vorgehalten.
Frage 2:
Wie sieht Ihre Strategie zum Umgang mit diesen Bränden aus?
Antwort:
Die Bekämpfung von Bränden von Photovoltaikanlagen und Elektrofahrzeugen ist unter Einhaltung der Schutzabstände (i.d.R. 1 Meter gemäß DIN VDE 0132) und mit der üblichen Schutzausrüstung zur Brandbekämpfung (Schutzkleidung und Atemschutz) möglich.
Frage 3:
Wie können Sie den Mehrbedarf an Löschwasser decken?
Antwort:
Ein eventueller Mehrbedarf an Löschwasser kann durch die Löschwasserversorgung durch Hydranten im Stadtgebiet München abgedeckt werden. Im Außenbereich und/oder auf Autobahnen sind für solche Einsätze Tanklöschfahrzeuge mit einem größeren Wasservorrat ausreichend vorhanden. Dabei ist zu betonen, dass die Brandbekämpfung zum Beispiel in Tiefgaragen in den letzten Jahren deutlich schwieriger geworden ist. Dies liegt aber nicht an der Elektromobilität, sondern an generell deutlich größeren Fahrzeugen mit erheblicher Brandlaststeigerung. Wir beobachten, dass bei einem Fahrzeugbrand häufiger benachbarte Fahrzeuge mit entzündet werden. Elektrofahrzeuge sind aufgrund ihrer durchschnittlichen Größe hier nicht maßgebend.
Frage 4:
Welche Kapazitäten halten Sie für solche Fälle vor?
Antwort:
Die Feuerwehr München hält aufgrund der obigen Ausführungen keine besonderen Kapazitäten für Brände von Photovoltaikanlagen und/oder Elektrofahrzeugen vor.
Frage 5:
Wie gehen Sie im Falle mehrerer gleichzeitiger Ereignisse vor?
Antwort:
Mehrere, gleichzeitige Ereignisse bzw. Feuerwehreinsätze sind für eine Millionenstadt wie München alltäglich. Daher hält die Feuerwehr München 10 Feuerwachen vor. Der Stadtrat wurde aufgrund des Wachstums der Landeshauptstadt bereits umfassend in die notwendige Erweiterung der Kapazität eingebunden (u.a. Feuerwachenneubauprogramm).
Frage 6:
Welche Gefahren und Risiken sehen Sie für Einsatzkräfte, sowie für nichtprofessionelle Helfer (Atemgift,Lichtbögen)?
Antwort:
Für nicht professionelle Ersthelfer und für Einsatzkräfte ergeben sich die gleichen elektrischen Gefahren wie bei jeder elektrischen Anlage bei Berührung von beschädigten Anlagenteilen. Bei in der Regel nicht geerdeten Photovoltaikanlagen und Elektrofahrzeugen ist sogar davon auszugehen, dass das Berühren jeweils eines Pols ungefährlich ist (beide Leitungen müssten gleichzeitig berührt werden).Die Gefahren durch Atemgifte und Hitze bei einem Brand sind ebenso gegeben wie bei jedem Fahrzeugbrand und/oder Wohnungsbrand.
Frage 7:
Welche Mehrbedarfe sehen Sie bei einer steigenden Anzahl von E-Fahrzeugen und Photovoltaikanlagen in der Stadt?
Antwort:
Die Feuerwehr München sieht aufgrund der obigen Ausführungen keinen Mehrbedarf aufgrund von Photovoltaikanlagen und/oder E-Autos.
Es wird aktuell noch diskutiert, ob die neu entwickelten Löschdecken im Überformat generell als hilfreiche Ergänzung der Sonderausrüstung zum Ersticken von Bränden im Freien gesehen und eventuell beschafft werden (z.B. Containerbrände).
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.