Ein offenes Rathaus – für eine offene Demokratie!
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Nicola Holtmann, Dirk Höpner, Hans-Peter Mehling, Tobias Ruff und Rudolf Schabl (Fraktion ÖDP/FW) vom 29.10.2020
Antwort Oberbürgermeister Dieter Reiter:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Die Ausarbeitung eines Besuchskonzepts für Stadtratssitzungen zählt zur Öffentlichkeitsarbeit der Landeshauptstadt München und stellt somit eine laufende Angelegenheit dar, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, weshalb eine beschlussmäßige Behandlung im Stadtrat rechtlich nicht möglich ist.
Zu Ihrem Antrag vom 29.10.2020 teile ich Ihnen Folgendes mit:
Die Einbindung interessierter Bürger*innen unterschiedlichster Altersgruppen am politischen Stadtgeschehen erfolgt aktuell bereits durch verschiedene städtische Stellen sowie auch durch Dritte mittels von der Stadt unterstützter Projekte.
So hat z.B. die Fachstelle für Demokratie seit 2017 einen eigenen Bereich „Demokratiearbeit“ aufgebaut. Dieser Arbeitsbereich umfasst unter anderem die Untersuchung von demokratiefeindlichen Haltungen und die Untersuchung der Abkehr bestimmter Bevölkerungsteile vom demokratischen Prozess („Nichtwählerstudien“). Zudem umfasst dieser Bereich einzelne Förderlinien, wie u.a. das „Demokratiemobil“ des Kreisjugendrings-München und das „Demokratie-Lokal“ im Bereich der Nachbarschaftstreffs (mehr Informationen zu diesen Aktivitäten sind den einschlägigen Beschlussvorlagen zu entnehmen, u.a. 14-20/V 12455 – VPA am 17.10.2018; 14-20/V 14298 – VPA am 20.11.2019; 14-20/V 14062 – VPA am 20.11.2019; 14-20/V 16452 – VPA am 20.11.2019).
Auch im Bildungsbereich werden vom Referat für Bildung und Sport, Fachdienst Politische Bildung des Geschäftsbereichs RBS-PI-ZKB, Münchner Schulen u.a. im Schwerpunktbereich Demokratie- und Menschenrechtsbildung unterstützt. Das Angebot richtet sich sowohl an Schüler*innen als auch an Lehrkräfte zum Zweck der Einübung der Menschenrechte sowie der Förderung einer Praxis demokratischen Handelns.Für Schulklassen organisiert der Fachdienst Politische Bildung u.a. Workshops, Exkursionen und Seminare in Schullandheimen (siehe z.B. Beschluss – Nr. 08-14/V 10981 und Nr. 14-20/V10175).
Zum Thema Kommunalpolitik bietet das PI-ZKE den Schulen unter anderem ein Planspiel an, das in Zusammenarbeit verschiedener Fachabteilungen des RBS mit der Hochschule München vor der Kommunalwahl 2020 entwickelt wurde.
Im Zusammenhang mit dem Stadtratsbeschluss Nr. 14-20/V1366114 „Kostenfreie Führungen von Schulklassen durch das Rathaus“ befindet sich ein Konzept zu entsprechenden Rathausführungen seitens des RBS aktuell noch in Bearbeitung. Es ist angedacht, weitere Rathausführungen für Schüler*innen anzubieten.
Neben städtischen Stellen bieten aber auch private Einrichtungen wie z.B. der „Kultur & Spielraum e.V. München“ verschiedene Projekte und Angebote zur kulturellen und politischen Bildung für Kinder, Jugendliche und Familien an.
Das zweimal jährlich stattfindende Kinder- und Jugendforum ist eines der zahlreichen Projekte des o.g. Vereins, der seine Projekte im Auftrag der Stadt München und unter Einbeziehung weiterer Fachreferate (z.B. SozR) durchführt. Das Kinder- und Jugendforum verfolgt insbesondere das Ziel, die Stadt als Lern- und Erfahrungslandschaft erlebbar zu machen, Beteiligungsmöglichkeiten zu schaffen und die Partizipation von Kindern zu ermöglichen. Auf dem Kinder- und Jugendforum können Jungs und Mädchen Ideen und Anregungen vorbringen, mit Stadtratsmitgliedern diskutieren und Änderungsanträge stellen. Mit frühzeitigen Mitwirkungsmöglichkeiten am eigenen Wohnort lernen Kinder und Jugendliche von Anfang an, Verantwortung für die Mitgestaltung ihrer Lebens-, Lern- und Freizeitbedingungen zu übernehmen. Das praktische Erlernen und Erleben von Demokratie von klein auf, trägt maßgeblich zur Entwicklung der Partizipationsfähigkeit bei.
Beim Projekt „Trepp auf Trepp ab“, einem weiteren der vielen Projekte von „Kultur & Spielraum e.V. München“, erhalten jährlich etwa 450 interessierte Viertklässler*innen unter fachkundiger Begleitung und teilweise im direkten Kontakt mit den Amtsträgern vertiefte Einblicke hinter die Kulissen des Münchner Rathauses und die dort zu erledigenden Aufgabenstellungen.Interessierte Bürger*innen haben zudem im Rahmen der verfügbaren Plätze (auch in Coronazeiten) stets die Möglichkeit, sowohl Ausschuss- als auch Sitzungen der Vollversammlung vor Ort zu verfolgen. Seit Juli 2013 werden Vollversammlungen zudem als Livestream angeboten. Alle wichtigen Informationen zum Sitzungsgeschehen (Termine, Veranstaltungsort, Tagesordnung, öffentliche Beschlussvorlagen etc. ) können dem öffentlichen Ratsinformationssystem entnommen werden.
Zur Erkundung des – im Gegensatz zum Landtag – außerhalb der Pandemie stets zugänglichen Rathauses bieten sich zudem weitere Möglichkeiten:
Im Rahmen von 1,5 - 2-stündigen Rathausführungen von München Tourismus können Gruppen bis max. 25 Personen an bestimmten Tagen (Mo./ Fr./Sa.) mit eigens geschulten und den örtlichen Gegebenheiten bestens vertrauten Gästeführer*innen das Rathaus besuchen. Der Besuch insbesondere der historischen Sitzungssäle, der Juristischen Bibliothek, des „Meisterschaftsbalkon“ im 1. OG sowie des Alten Rathauses sind feste Programmpunkte. 2019 nutzten rund 3.840 Besucher*innen diese Möglichkeit.
Anlässlich des Tags der offenen Tür besteht ebenfalls die Möglichkeit, einen Blick hinter die Rathauskulissen zu werfen: Zahlreiche im Rathaus verortete Dienststellen bis hin zu den Büros des Oberbürgermeisters und der Bürgermeister*innen sowie der Fraktionen bieten interessierten Besucher*innen die Möglichkeit, sich ein genaueres Bild über die Arbeit im Rathaus zu machen und mit Politik und Verwaltung unmittelbar in Kontakt zu treten.
Weitere Rathausführungen wurden darüber hinaus in der Vergangenheit (und vor Corona) zum Teil durch die Büros der Bürgermeister*innen angeboten sowie durch die im Münchner Stadtrat vertretenen Fraktionen. In 2019 wurden von den Fraktionen insgesamt 21 Schulklassen durch das Rathaus geführt.
Da den Kapazitäten für Führungen aufgrund der Nutzung des Neuen Rathauses als Behördensitz zwangsläufig Grenzen gesetzt sind (auch die historischen Räume wie Sitzungssäle, Juristische Bibliothek bis hin zum Besprechungszimmer der Stadtkämmerei, durch welches man auf den „Meisterschaftsbalkon“ gelangt, werden für Sitzungen, Besprechungen bzw. als Präsenzbibliothek genutzt), wird auf muenchen.de zudem ein ausführlicher Online-Rundgang durch das Neue Rathaus angeboten.Wie Sie den vorstehenden Ausführungen entnehmen können, bestehen derzeit bereits vielfältige und an unterschiedliche Altersgruppen gerichtete Angebote, Bürger*innen in dem von Ihnen gewünschten Sinne am politischen Stadtgeschehen zu beteiligen. Die bereits vorhandenen Angebote entsprechen weitestgehend dem, was Besucher*innen im Rahmen von
Landtagsführungen angeboten wird (vom Besuch der Landtagsgaststätte abgesehen). Die Erarbeitung eines darüber hinausreichenden Besucherkonzepts „für die öffentlichen Sitzungen der Ausschüsse und des Stadtrats“, um für interessierte Bürger*innen „die Sitzungsteilnahme positiv zu gestalten“ ist somit nicht erforderlich.
Auch wäre dies – jenseits der o.g. Kapazitätsgrenzen bei den Räumlichkeiten – mit dem vorhandenen Bestandspersonal im Direktorium auch nicht leistbar (Anm.: der Besucherdienst des Landtages verfügt neben Honorarkräften über 7 feste Stellen).
Von den vorstehenden Ausführungen bitte ich Kenntnis zu nehmen und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.